Vandalismus – neue ift-Richtlinie

Vandalismusresistente Bauelemente und Einrichtungen

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Bezüglich der Einbruchhemmung besteht seit Jahren ein Schutzbedürfnis von Bauherren und Mietern. Dem hat sowohl national als auch europäisch die Normung Rechnung getragen; es gab/gibt anerkannte nationale Normen wie DIN 18103, DIN/TS 18194 bzw. europäische Normen wie zum Beispiel EN 1627 – EN 1630, um Bauprodukte wie Fenster, Fassaden, Türen und Tore hinsichtlich ihrer Schutzniveaus zu bewerten.

Die ift-Richtlinie EL-06/1 „Vandalismusresistente Bauelemente und Einrichtungen“ beschreibt Prüfverfahren und Anforderungen für die Klassifizierung von Bauteilen wie Türen, Tore, Vorhangfassaden sowie Fenster und Festverglasungen hinsichtlich ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Vandalismus. Die Prüfverfahren können auch für die Prüfung anderer Produkte eingesetzt werden, wobei dann jeweils eigene Bewertungskriterien festzulegen sind. Die Klassifizierungskriterien dieser Richtlinie gelten nur für Tore, Vorhangfassaden sowie Fenster, Festverglasungen und Türen, wobei letztere Seitenteile aber auch Oberlichter umfassen können.

Vandalismushemmende Bauelemente sind speziell weiterentwickelte Bauteile, die widerstandsfähig gegen einen Direktangriff und mutwillige Zerstörung sind, wobei die Täter – im Unterschied zu Einbruchsszenarien – oft auch zu mehreren aus eine Menschenmenge heraus agieren, ohne Scheu davor erkannt oder belangt zu werden. Solche Bauteile sind für öffentliche Bereiche und andere, stark frequentierte oder gefährdete Orte gedacht. Sie werden eingesetzt, um Folgeschäden und Kosten durch Vandalismus in den Gebäuden durch Einrichtungen zu minimieren und/oder den Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Gebäudenutzer zu verbessern.

Geprüft wird der Widerstand gegen Vandalismus an einem geschlossenen, verriegelten und betriebsfertig montierten Element. Erforderlicher Bestandteil des Probekörpers sind alle vorgesehenen Komponenten, wie zum Beispiel Zargen, Verglasungen und/oder Füllungen, Schlösser und Bänder sowie alle Verriegelungskomponenten. Hierbei werden Varianten mit unterschiedlichen Öffnungsarten einzeln betrachtet und bewertet.

Das Foto zeigt, wei ein Fenster von einem Mitarbeiter gegen Vandalismus getestet wird.
Bild 1: In der sich aktuell in Arbeit befindlichen ift-Richtlinie EI-06/1 werden Prüfverfahren beschrieben, die es erlauben, Bauelemente wie beispielsweise Türen, Tore, Vorhangfassaden sowie Fenster, Festverglasungen und Rollläden hinsichtlich ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Vandalismus-motivierte Angriffe zu bewerten.
(Quelle: ift Rosenheim)

Im Rahmen der Risikoeinschätzung und -beurteilung sollen die zu erwartende Tätergruppe und das zu erwartende Schadensausmaß mit der Eintrittswahrscheinlichkeit kombiniert werden. Dieser Wert wird zu dem des Schadensausmaßes als Mittelwert auf- oder abgerundet. Er bildet dann die empfohlene Mindestklasse für die Vandalismus-Widerstandsklasse.

 

Beispiel:

Für einen erdgeschossigen Elektronikmarkt im Zentrum einer Großstadt wird eine Eintrittswahrscheinlichkeit 3 und ein mögliches Schadensausmaß mit 3 angenommen: In diesem Falle wird mindestens die Klasse FE3 empfohlen.

Die Tabelle beschreibt das Schadensausmaß der Tätergruppen.
Tabelle 1: Tätergruppen und Schadensausmaß (Quelle: ift Rosenheim)
Die Tabelle zeigt die Eintrittswahrscheinlichkeiten mit den Abstufungen von "eher unwahrscheinlich" bis "sehr hohe Wahrscheinlichkeit".
Tabelle 2: Eintrittswahrscheinlichkeit (Quelle: ift Rosenheim)
Das Foto zeigt einen Mitarbeiter, der beim Vandalismus-Test mit einem schweren Werkzeug eine Tür zerstört.
Bild 2: Zerstörungsversuch mit schwerem Werkzeug an einer Tür im ift-Labor im Rahmen
einer Vandalismus-Prüfung (Quelle: ift Rosenheim)

Prüfung allgemein

Die Prüfung erfolgt als Abfolge von dynamischer Belastung (schwere Ecke) und anschließender manueller Prüfung, wobei die Werkzeugsätze nach EN 1630 erweitert bzw. ergänzt werden mit weiteren Schlag- und Hebelwerkzeugen. Es wird bei der manuellen Prüfung des Vandalismuswiderstands auf den Einsatz von Elektrowerkzeugen verzichtet.

Die manuelle Prüfung erfolgt im günstigsten Fall an einem Element. Bei mehreren Angriffen aufgrund der Konstruktion kann die Anzahl der Probekörper variieren.

Dynamische Prüfung „Schwere Ecke“

Der Angriff mit zum Beispiel schwerem gusseisernen Gullideckel, der als Ramme genutzt oder aus kurzer Distanz geworfen werden könnte, wird im Sinne einer besseren Reproduzierbarkeit durch Stöße mit einem Stahlzylinder simuliert. Im Rahmen der Prüfung mit Stahlzylinder darf der Probekörper unter der Belastung (unterschiedliche Fallhöhe wie auch unterschiedliche Anzahl der Stöße) der angestrebten Klasse nicht versagen. Im Anschluss an die dynamische Prüfung erfolgt am selben Probekörper der manuelle Angriff.

Als Versagen gilt eine Öffnung im Probekörper. Zur Bewertung wird die Spaltlehre (Typ A für Flüssigkeiten Typ B allgemein) aus EN 1628 verwendet.

 

Manueller Versuch

Abweichend von DIN EN 1627 besteht das Prüfteam (Prüfer und Dokumentation) aus mehreren Personen, von denen eine Person dokumentiert und beobachtet und ein fließender Wechsel mit einer der prüfenden Person im Rahmen der manuellen Prüfung (zeitgleicher Angriff auf das Bauteil) erfolgen kann.

Im Rahmen der Prüfung wird das gewaltsame Eindringen mit Hilfe der Werkzeugsätze und in den vorgegebenen Zeiten versucht. Als Versagenskriterium gilt eine durchgangsfähige Öffnung wie in der DIN EN 1630:2021-06, Punkt 6.7 Versagenskriterien, beschrieben. Die Werkzeuge und Werkzeugsätze entsprechen DIN EN 1630:2021-06 A1 bis A4 sowie dem Spalthammer und dem Stahlkeil aus A6 sowie zusätzlichen Werkzeugen. Sie können mit Ausnahme der Elektrowerkzeuge verwendet werden. Hierbei sind der Gebrauch und die Handhabung der zur Verfügung stehenden Werkzeuge nicht eingeschränkt und die Arbeit der Prüfer wird nicht reglementiert.

Es erfolgt ein Angriff auf die Fläche. Bei Elementen, die zu öffnen sind, erfolgt zusätzlich ein Angriff auf die Beschlagebene. Hierzu darf der Hersteller einen neuen Probekörper zur Verfügung stellen.

Wurfprüfung

Die Widerstandsfähigkeit gegen Steinwürfe wird durch jeweils acht Würfe mit der jeweiligen Steinklasse aus 3 m Entfernung geprüft. Dabei darf – abweichend von den o.g. Versagenskriterien – keine Durchdringung des Probekörpers auftreten.

Klassifizierung

Die Ergebnisse der Prüfung gegen gewaltsames Eindringen (abgekürzt FE für Forced Entry) gilt als repräsentativ für Bauteile

  • bei einer Vergrößerung der Breite und/oder Höhe um 10 % bei mindestens gleicher Konstruktion,
  • beim Einsatz von transparenten und nichttransparenten Füllungen mit mehreren oder dickeren Einzelschichten bei gleichbleibender Anbindung an das Element.
Die Tabelle zeigt einen Klassifizierungsvorschlag auf Basis des Schadensausmaßes. Die Spalten sind beschriftet mit "Widerstandsklasse gegen  gewaltsames Eindringen" und "Prüfung mit Wurfkörpern".
Tabelle 3: Klassifizierungsvorschlag auf Basis des Schadensausmaßes (Quelle: ift Rosenheim)

Zertifizierung

Die Richtlinie legt Prüfverfahren und Bewertungskriterien fest, die das ift Rosenheim für die Zertifizierung und Listung von Produkten durchführt. Die ift-Zertifizierung und -Listung von Produkten basiert auf Nachweisen, die vom ift anerkannt werden und sicherstellen

  • dass Produkte die Richtlinie erfüllen,
  • dass der Hersteller oder Dienstleister über Personal, Verfahren und Systeme verfügt, die sicherstellen, dass das gelieferte Produkt die Richtlinie erfüllt,
  • regelmäßige Audits des Herstellers, gegebenenfalls einschließlich Prüfungen; durchgeführt werden,
  • die Einhaltung des Vertrags über die ift-Zertifizierung und -Listung, einschließlich der Zustimmung zur Behebung von Mängeln, soweit erforderlich.

Ein nach diesem Dokument gekennzeichnetes Produkt muss nach den betreffenden Zertifizierungsregeln durch die ift-Zertifizierungsstelle zertifiziert sein.

Literatur

  1. ift-Richtlinie EI-06/1 – Arbeitstitel: Vandalismusresistente Bauelemente und Einrichtungen, Entwurf Mai 2024

    ift Rosenheim 2024

Portraitbild Andreas Schmidt

Andreas Schmidt

ift Rosenheim

Andreas Schmidt ist seit 1994 Mitarbeiter am ift Rosenheim. Er ist Produktmanager mit den Schwerpunkten in den Bereichen Türen und Tore.

Als Schreiner und Techniker hat er am ift begonnen, verschiedene Positionen durchlaufen und als stellvertretender Prüfstellenleiter der ift-Labore, als Auditor, Referent, Fachautor und Mitglied in verschiedenen Norm- und Fachausschüssen sein Wissen erweitert.

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