Die Grafik zeigt 14 verschiedene Fenstereinbausituationen im Bezug auf deren Schallfunktion. Fünf davon sind rot umrahmt, da sie im gemäß DIN 4109-2 schalltechnisch kritisch sind.

Neufassung DIN 4109 – Fenster

Geänderte Regeln für Schallschutz in Deutschland

Lesezeit: 6 Minuten

In Deutschland nimmt der Schallschutz im Hochbau eine immer größere Bedeutung ein. DIN 4109 ist das Regelwerk zur Festlegung und zum Nachweis des erforderlichen, d.h. bauaufsichtlich geschuldeten Schallschutzes in Deutschland. Sie regelt den Schallschutz innerhalb des Gebäudes mit Anforderungen an Luft- und Trittschalldämmung sowie den Schallschutz gegen Lärm aus gebäudetechnischen Anlagen und gegen Außenlärm.

Die Norm ist 2016 und mit Ergänzung 2018 als Neufassung erschienen. Im Vergleich zur Fassung der DIN 4109 aus dem Jahr 1989 [1] erfolgten verschiedene Änderungen, die nachfolgend diskutiert werden. U.a. wurde die Norm neu gegliedert; aus einem Hauptteil und mehreren Beiblättern wurde eine neunteilige Norm:

  • Teil 1 mit Mindestanforderungen für den Schallschutz;
  • Teil 2 beschreibt das Rechenverfahren zum Nachweis der Erfüllung der Anforderungen;
  • Die Teile 31 bis 36 enthalten den Bauteilkatalog mit Konstruktionen zum Nachweis des Schallschutzes;
  • Teil 4 enthält Regelungen zum Nachweis über bauakustische Messungen.

Nachfolgend werden allein die wesentlichen Änderungen im Hinblick auf den Schallschutz von Fenstern beschrieben.

Anforderungen

Als Kenngröße für die Schalldämmung der Außenhülle wird zunächst in Abhängigkeit von der Außenlärmbelastung das erf. R’w,ges für die Außenfassade festgelegt, wobei Korrektursummanden für die Raumgeometrien rechnerisch aufgeschlagen werden.

Spektrum-Anpassungswerte nach EN ISO 717-1 sowie die Schalldämmung in einem erweiterten Frequenzbereich von 50 bis 5000 Hz werden im bauaufsichtlichen Nachweisverfahren in Deutschland nicht berücksichtigt.

Bei der Luftschalldämmung gegen Außenlärm wurde in der 2016er Fassung das Nachweisverfahren im Prinzip belassen. Nach erneuter Aktualisierung der DIN 4109 im Jahr 2018, die in der Fachwelt [11] kontrovers diskutiert wurde, wird die Anforderung an die Schalldämmung der Außenbauteile (erf. R’w) nicht mehr in 5 dB-Schritten erfolgen, sondern dB-genau auf Basis des maßgeblichen Außenlärmpegels berechnet werden. Auch wurden die Vorgaben für die Ermittlung des maßgeblichen Außenlärmpegels u.a. im Schienenverkehr noch einmal modifiziert.

Nachweis- und Rechenverfahren

Schallschutz gegen Außenlärm

Das Rechenverfahren für den Schallschutz gegen Außenlärm in DIN 4109-2 wurde teilweise überarbeitet, jedoch gab es keine sachlichen Änderungen. Die resultierende Schalldämmung der Gebäudehülle wird abhängig von den Flächenanteilen und der Schalldämmung der einzelnen Komponenten d.h. von Wand, Fenster und sonstigen Bauteilen (wie Türen, Rollladenkästen, Lüfter) ermittelt. Die Eingangsdaten für diese Berechnungen entstammen entweder dem Bauteilkatalog der Norm (DIN 4109-31 bis -36), Produktdeklarationen z.B. aus dem CE-Kennzeichen oder beruhen auf Messungen der Luftschalldämmung in nebenwegfreien Prüfständen [9].

Änderungen haben sich bei folgenden Punkten ergeben:

  • Nur noch rechnerische Ermittlung der resultierenden Schalldämmung von Fenster/Wand-Kombinationen, Nachweistabelle 10 aus DIN 4109:1989 entfällt;
  • Berücksichtigung der Einbausituation von Fenstern

–  keine separate Berücksichtigung bei schalltechnisch unkritischer Situation (Bild 1),

–  rechnerische Berücksichtigung der Fugenschalldämmung der Einbaufuge (Gleichung 3) bei schalltechnisch kritischer Situation (Bild 1);

  • Berücksichtigung der Flankenschallübertragung bei Außenwänden; nur relevant bei massiven Außenwänden (z.B. aus Beton-, Ziegel oder Kalksandstein) mit einer Schalldämmung von Rw ≥ 50 dB bei einer resultierenden Schalldämmung von R’w,ges > 40 dB.
Die Grafik zeigt 14 verschiedene Fenstereinbausituationen im Bezug auf deren Schallfunktion. Fünf davon sind rot umrahmt, da sie im gemäß DIN 4109-2 schalltechnisch kritisch sind.
Schematische Darstellung von Fenstereinbausituationen im Hinblick auf deren schall-technische Eignung (Auszug aus dem Leitfaden zur Montage [8]). Die rot umrandeten Si-tuationen repräsentieren schalltechnisch kritische Anschlüsse im Sinne der DIN 4109-2 (Details siehe [5])

Gleichung 1   Berechnung der resultierenden Schalldämmung res. R’w,ges für eine Außenwand bestehend aus Einzelkomponenten

 

Die Schalldämmung einer Außenwand wird allgemein berechnet durch Gleichung 1; die Größe Re,i,w ist das bewertete Schalldämm-Maß einer Einzelkomponente (Wand, Fenster, Tür,…) , hochgerechnet auf die Gesamtfläche der Außenwand.

Liegt kein Einfluss durch die Einbausituation vor (schalltechnisch unkritische Situation nach Bild 1), so ergibt sich für den einfachen Fall einer Wand mit einem Fenster folgende Gleichung, wenn die Schalldämmung von Wand und Fenster (Rw,Wand, Rw,Fenster) sowie deren Flächenanteile (SWand, SFenster) eingesetzt werden:

Gleichung 2   Resultierende Schalldämmung res. R’w,ges für Außenwand mit einem Fenster

 

Wenn beim Fenster bei einer schalltechnisch kritischen Einbausituation die Einflüsse über ein Fugenschalldämm-Maß Rs,w berücksichtigt werden müssen, kann Gleichung 3 angewendet werden.

Gleichung 3    Schalldämmung eines Fensters mit Berücksichtigung der Schallübertragung über Einbaufuge

 

Dabei sind:

  • Rw,Fenster       bewertetes Schalldämm-Maß des Fensters ohne Einbaufuge
  • RS,w,Einbaufuge bewertetes Fugenschalldämm-Maß der Einbaufuge des Fensters
  • l                                Gesamtlänge der Fuge in m
  • l0 = 1 m       Bezugslänge
  • SFenster         Fensterfläche

 

Sicherheitskonzept (ehemals Vorhaltemaß)

Eine der wesentlichen Änderungen in DIN 4109 betrifft das Sicherheitskonzept, für das in der Vorgängernorm ein sogenanntes Vorhaltemaß von dem Schalldämm-Maß des Bauteils abgezogen wurde. Daraus resultierte dann z.B. der Rechenwert des bewerteten Schalldämm-Maßes Rw,R.

Jetzt berücksichtigt man die Unsicherheiten beim Endresultat der Berechnung. Dazu erfolgt die Berechnung der schalltechnischen Kenngrößen (bewertetes Bau-Schalldämm-Maß der gesamten Außenwand) zunächst mit den Laborprüfwerten bzw. mit Kennwerten aus dem Bauteilkatalog. Die Berücksichtigung der Unsicherheiten erfolgt dann durch einen Sicherheitsbeiwert uprog, der von diesem Berechnungsergebnis abgezogen wird. Für die Luftschalldämmung von Außenbauteilen (ausgenommen Laubengangtüren) wird ein uprog von 2 dB angesetzt.

Gleichung 4    Sicherheitsbeiwert uprog bei Luftschalldämmung Außenfassade

R’w – uprog ≥ erf.R’w,ges + KAL in dB

Berücksichtigung des Sicherheitsbeiwerts uprog bei der Luftschalldämmung der Außenfassade. Der Korrektursummand KAL berücksichtigt die Fassadenfläche und die Grundfläche des schutzbedürftigen Raums in der Bausituation.

Bauteilkatalog

Ein Überarbeitungsschwerpunkt bei DIN 4109 war die Aktualisierung des Bauteilkatalogs aus dem Jahr 1989. Dieser umfasst 5 Teile plus Rahmendokument (Teile 31 bis 36, gegliedert nach Massivbau, Holz- und Leichtbau, Vorsatzschalen, Elementen und gebäudetechnischen Anlagen).

Alle dargestellten schalltechnischen Kenngrößen der Bauteile basieren auf Prüfwerten entsprechend aktueller Laborprüfnormen [9], d.h. ohne Sicherheitsabschläge.

Die Tabelle ist bei den Spalten beschriftet mit "dB", "Konstruktionsmerkmale", "Einfachfenster mit MIG" und "Korrekturen".
Konstruktionstabelle für Einfachfenster mit Mehrscheiben-Isolierglas (Auszug aus Tabelle 6 des ift-Forschungsberichts „Überarbeitung von DIN 4109, Beiblatt 1, Tabelle 40“ [12])

Bauteilkatalog Fenster

Der Bauteilkatalog Fenster findet sich in DIN 4109-35. Für die Prognose und Planung der Schalldämmung von Einfachfenstern kann die Tabelle 1 aus DIN 4109-35 angewendet werden. Der Nachweis der Schalldämmung wird dann nach dem entsprechend Produktnorm [10] ermittelten Schalldämmwert geführt. Tabelle 1 basiert auf der Vorgängernorm (Tabelle 40 aus Beiblatt 1 DIN 4109 [1], siehe nachfolgende Tabelle 1) und zeigt heute noch aktuelle Einfachfensterkonstruktionen. Die in Tabelle 2 der DIN 4109-35 beschriebenen Verbund- und Kastenfensterkonstruktionen stützen sich noch auf Analysen für Beiblatt 1 der DIN 4109:1989.

Bei den Angaben für Einfachfenster ergeben sich folgende Änderungen:

  1. Es werden nur noch Prüfstandwerte und keine Rechenwerte angegeben.
  2. Die Verglasung wird alternativ über die Schalldämmung der Verglasung Rw,Glas oder einen konkreten Glasaufbau beschrieben, wobei auch die Möglichkeit eines Nachweises für 3-fach-MIG berücksichtigt wurde (SZR = Summe der Scheibenzwischenräume).
  3. Die Schalldämmung von Verglasungen kann der neuen Tabelle 3 in DIN 4109-35 entnommen werden.

Berücksichtigung der Einbaufuge

Tabelle 8 der DIN 4109-35 gibt Zahlenwerte des bewerteten Fugenschalldämm-Maßes RS,w, die für die Berücksichtigung der Fugenschalldämmung der Einbaufuge eingesetzt werden können (Gleichung 3).

Die Tabelle ist bei den Spalten beschriftet mit "Ausbildung der Fuiuge2 und "Fugenschalldämm-Maß Rsw in dB bei Fugenbreiten von 10mm, 20mm und 30mm".
Fugenschalldämmung von Bauanschlussfugen von Fenstern;
Fugentiefe 50 mm bis 100 mm (Auszug aus Tabelle 4.11 des Leitfadens zur Montage [8]; analoge Angaben siehe DIN 4109-35 [6])

Berücksichtigung von Rollladenkästen

Wird das Fensterelement mit einem Rollladenkasten kombiniert, können prinzipiell die Beispiele aus Tabelle 6 der DIN 4109-35 zur Prognoseberechnung verwendet werden. Die hier dargestellten Konstruktionen wurden dem Beiblatt 1 der DIN 4109 aus dem Jahr 1989 entnommen und entsprechen damit nicht mehr dem heutigen Stand der Technik.

Dr. Joachim Hessinger

ift Rosenheim

Dr. Joachim Hessinger hat an der Universität Mainz Physik studiert und arbeitet seit 1996 im Bereich Bauakustik am ift Rosenheim. Seit 2005 ist er Prüfstellenleiter im ift Labor Bauakustik, in dem Prüfungen von Fenstern, Fassaden, Verglasungen, Deckenelementen und Holzbauwänden durchgeführt werden, sowie Forschungsprojekte und Gutachten bearbeitet werden. Als Lehrbeauftragter, Referent und Fachautor gibt er seine Erfahrungen weiter. Er ist Mitglied in verschiedenen Normen und Fachausschüssen, beispielsweise NA 005-55-74 AA (Anforderungen an den Schallschutz) des DIN.

Bernd Saß

ift Rosenheim

Dipl.-Ing. (FH) Bernd Saß ist seit 1993 Mitarbeiter am ift Rosenheim. 2001 wurde er Prüfstellenleiter für den Bereich Bauakustik; seit 2004 ist er stellvertretender Prüfstellenleiter des ift-Labors Bauakustik. Er ist „Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern für Schallschutz von Fenstern, Türen, Toren und Verglasungen“. Er ist Referent, Fachautor und Mitglied in verschiedenen Norm- und Fachausschüssen.

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