Das Schaubild zeigt die Entwicklung von Mehrscheiben-Isolierglas seit 1986 bis heute und in die Zukunft. Nähere Informationen zur Darstellung erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.

Mehrscheiben-Isolierglas

Neues aus der Überarbeitung der EN 1279

Lesezeit: 13 Minuten

Die erste Version eines Entwurfs einer EN 1279 erschien im Jahre 1994. Es waren die Prüfnormen prEN 1279 Teil 2, 3 und 4, die damals die nationalen Regeln – in Deutschland DIN 1286 Teil 1 und Teil 2 – ablösten.

Die ersten veröffentlichten Entwürfe der Teile 1 bis 4 sowie 6 waren 1994/1995 erhältlich, bis dann im Jahre 2001 die erste Entwurfsversion der eigentlichen Produktnorm EN 1279-5 verfügbar war. Es dauerte aber noch eine Zeit lang bis zur Veröffentlichung der harmonisierten Produktnorm DIN EN 1279-5 (Glas im Bauwesen – Mehrscheiben-Isolierglas – Teil 5: Konformitätsbewertung) 2005. Ab dem Zeitpunkt  war die CE-Kennzeichnung für Mehrscheiben-Isolierglas (MIG) möglich. Die Koexistenzphase begann im März 2006 nach Veröffentlichung der Produktnorm im August 2005, so dass ab 2007 Isolierglas final CE-kennzeichnungspflichtig war. Da die Prüfnormen bereits in den Jahren davor veröffentlicht wurden, war eine Prüfung nach neuer Norm bereits möglich und erforderlich. Eine Vergleichbarkeit mit den vorhergehenden nationalen Regeln war nicht gegeben.

Da Normen (vor allem harmonisierte Produktnormen) turnusmäßig alle 5 Jahre überarbeitet werden müssen, begann die Bearbeitung der ersten Versionen der Prüfnormen 2007. Schnell stellte sich heraus, dass die bisherigen Versionen hinsichtlich der Zuordnungen und Inhalte verbesserungsfähig waren und eine langwierige Phase der Überarbeitung bevorstand. Um nicht erneut einen zeitlichen Versatz zwischen Prüf- und Produktnormen zu erhalten, wurde auch gleich die Überarbeitung der EN 1279-5, die 2010 zur Überarbeitung anstand, mit ins Arbeitsprogramm aufgenommen. Nicht zuletzt durch die Anforderungen der neuen Bauproduktenverordnung an die Gestaltung und Inhalte von Produktnormen ab Juli 2013 zog sich der Zeitraum in die Länge. Das Normungsgremium hofft, dass die neuen Versionen aller 6 Teile im Jahre 2017 veröffentlicht werden können.

Aus diesem Grund wird im Folgenden dargestellt, was für die die Fenster- und Fassadenhersteller an Neuigkeiten zum derzeitigen Zeitpunkt (Stand der Papiere Anfang 2016) zu erwarten ist.

Das Schaubild zeigt die Entwicklung von Mehrscheiben-Isolierglas seit 1986 bis heute und in die Zukunft. Nähere Informationen zur Darstellung erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.
Bild 1: Historie von Mehrscheiben-Isolierglas seit 1986

Änderungen in der europäischen Produktnorm für Mehrscheiben-Isolierglas

In den Teilen der EN 1279, die die Prüfungen und Vorgaben für Systembeschreibung, Austauschregeln und Audits beschreiben, wurden einige Änderungen und Neuordnungen vorgenommen, auf die dieser Beitrag nicht näher eingeht, weil sich dadurch keine Auswirkungen auf die Schnittstellen zum Fenster- und Fassadenhersteller ergeben.

Folgende Eigenschaften, die für die weitere Verwendung von MIG zu beachten sein werden und für die es Änderungen in der Produktnorm geben wird, sind:

  • Mechanische Festigkeit des Glases, Anforderungen an den Randverbund, Toleranzen der Abmessungen
  • Einteilung der Randverbundsysteme von MIG für einen nichttragenden, nicht UV-beständigen Randverbund, einen UV-beständigen Randverbund ohne Anforderungen an das Tragverhalten und an den tragenden, UV-beständigen Randverbund
  • Angabe des g-Werts einer Verglasung zusätzlich zu den strahlungsphysikalischen Eigenschaften der eingesetzten Beschichtung
  • Angaben in der Leistungserklärung (DoP) und im CE-Zeichen
Die Tabelle zeigt die charakteristische Biegefestigkeit für die verschiedenen Glasarten. Nähere Informationen zur Darstellung erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.
Tabelle 1: Charakteristische Biegefestigkeit für die verschiedenen Glasarten, prEN 1279-5 [1], Tabelle A.1

Mechanische Festigkeit

Im Gegensatz zur bisherigen Information im CE-Zeichen wird zukünftig nicht mehr die Glasdicke und Glasart angegeben, sondern die charakteristische Biegefestigkeit gemäß der folgenden Tabelle 1.

Der Verarbeiter verwendet die Werte zukünftig zur Bemessung des Widerstands gegen die jeweiligen Einwirkungen nach den Vorgaben der prEN 16612 [2]. Da diese Norm bisher ebenfalls in einem Entwurfsstadium vorliegt, werden bis zur finalen Umsetzung die nationalen Regeln herangezogen. Dies ist in Deutschland die Normenreihe DIN 18008, die hier bauaufsichtlich eingeführt ist. Ein weiterer Hinweis in prEN 1279-5 wird die Information sein, dass die Randlasten von Mehrscheiben-Isolierglas in folgenden Fällen gesondert zu betrachten sind:

  • Wenn stark asymmetrische Aufbauten vorliegen,
  • wenn sehr dicke (= biegesteife) Einzelscheiben oder gebogenes Glas eingesetzt werden,
  • wenn die Seitenlänge der Isolierglaseinheit  < 60 cm beträgt,
  • wenn bei 3fach Glas der Scheibenzwischenräumen > 16 mm beträgt,
  • wenn kleine Formatscheiben (hohe Biegesteifigkeit der Einzelscheiben) eingesetzt werden.

Dann sollte die ermittelte Randlast 1,3 MPa nicht überschreiten, um die Dauerhaftigkeit des Isolierglases über die Nutzungsdauer sicherzustellen. Die Berechnung erfolgt nach den Vorgaben der prEN 16612 (Glas im Bauwesen – Bestimmung des Belastungswiderstandes von Glasscheiben durch Berechnung und Prüfung), Anhang B. Einfache Lösungen, um diese Fälle zu überprüfen, bieten dabei die Bemessungsdiagramme von Prof. Dr. Franz Feldmeier, dargestellt in einem Bericht für den Bundesverband Flachglas [3].

Auch die zulässigen Dickentoleranzen, vor allem von 3-fach Aufbauten unter Verwendung von VSG und ESG Gläsern, können zu Situationen führen, in denen eine gesonderte Vereinbarung zwischen Isolierglashersteller und Fensterbauer erforderlich wird, um die Dichtigkeit einer Verglasung sicher zu stellen.

Bei den Toleranzen hinsichtlich der Abmessungen ist zu beachten, dass neben den zulässigen Abweichungen in Breite und Höhe auch ein Versatz der Einzelscheiben von 2 mm bis 5 mm als zulässig betrachtet wird. Inwieweit dies gerade bei großen und schweren Scheiben zu Einflüssen auf die Dauerhaftigkeit und Glasbruch durch Überschreitung der Kantenfestigkeit führen kann, sollte im Einzelfall abgeschätzt und durch Vereinbarungen korrigiert werden.

UV- Beständigkeit des Randverbunds

Das Isolierglassystem, das in Bild 2 als Typ C (rechts) dargestellt ist, muss nach weiteren technischen Regeln bemessen werden (EN 13022-1 [4]) und darf nur mit Klebstoffen hergestellt werden, die den Anforderungen der EN 15434 [5] genügen. Solche geklebten Systeme, die im geschlossenen Zustand nicht linienförmig gelagert sind, bedürfen zusätzlich einer nationalen oder europäischen Zulassung. Die Systeme im Typ B (Mitte) sind als normales Isolierglas zu bemessen. Die Klebung des Stufenglases zum Rahmen unterliegt den Vorgaben der ETAG 002 [6].

Das Bild zeigt drei verschiedene Randverbundsysteme. Nähere Informationen zur Darstellung erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.
Bild 2: Randverbundsysteme der Typen A, B und C

Angabe des g-Wertes

Neben den solarenergetischen Werten nach EN 410 [7] für die Einzelscheiben ist zukünftig auch der Gesamtenergiedurchlassgrad g für das gesamte Paket anzugeben. Sobald Einbauten im Scheibenzwischenraum verwendet werden, sind die Werte des Einbaus nach EN 13362-2 [8] zu bestimmen und mit anzugeben. Diese Regelung erlaubt dem Planer eine genauere Beurteilung des Bauteils hinsichtlich des Energieeintrags ins Gebäude bei unterschiedlicher Ausrichtung

Schlussfolgerungen

Aufgrund der Definition von Mehrscheiben-Isolierglas, die in der neuen Version deutlicher formuliert wird:

„Anordnung, die aus mindestens 2 Scheiben besteht, die durch einen oder mehrere Abstandhalter getrennt werden, die im Umfang hermetisch abgedichtet, mechanisch stabil und dauerhaft ist, gemäß den Vorgeben im Abschnitt 6.1“

können Systeme, deren Dichtigkeit nach den Vorgaben der prEN 1279-2 und -3 nachgewiesen sind, als Mehrscheiben-Isolierglas definiert werden. Dies gilt auch für Durchbrüche im Randverbund, z. B. durch Kabel, wenn der Prüfzyklus positiv durchlaufen wurde.

Vakuum-Isolierglas wird im Normenwerk explizit ausgenommen. Es bleibt somit ein ungeregeltes Bauprodukt und ist in Deutschland bisher nur im Rahmen von Zustimmungen im Einzelfall (ZiE) einsetzbar. 

Literatur

  1. prEN 1279-5:2016
    Glas im Bauwesen – Mehrscheiben-Isolierglas – Teil 5: Konformitätsbewertung
    Arbeitspapier unveröffentlicht zum Zeitpunkt der Manuskripterstellung
  2. prEN 16612:2013-06
    Glas im Bauwesen - Bestimmung des Belastungswiderstandes von Glasscheiben durch Berechnung und Prüfung
    Beuth Verlag GmbH, Berlin
  3. Feldmeier, F.
    Bericht G1109-3: Beanspruchung des Isolierglasrandverbundes durch interne Lasten, September 2011
    im Auftrag des Bundesverbandes Flachglas e.V.
  4. DIN EN 13022-1:2014-08
    Glas im Bauwesen – Geklebte Verglasungen – Teil 1: Glasprodukte für Structural-Sealant-Glazing (SSG-) Glaskonstruktionen für Einfachverglasungen und Mehrfachverglasungen mit oder ohne Abtragung des Eigengewichtes
    Beuth Verlag GmbH, Berlin
  5. DIN EN 15434:2010-07
    Glas im Bauwesen – Produktnorm für lastübertragende und/oder UV-beständige Dichtstoffe (für geklebte Verglasungen und/oder Isolierverglasungen mit exponierten Dichtungen)
    Beuth Verlag GmbH, Berlin
  6. ETAG 002-1: 2012
    Gestützte und ungestützte Systeme
    Leitlinie für die Europäische Technische Zulassung für Geklebte Glaskonstruktionen (Structural Sealant Glazing Systems – SSGS)
  7. EN 410:2011-04
    Glas im Bauwesen - Bestimmung der lichttechnischen und strahlungsphysikalischen Kenngrößen von Verglasungen
    Beuth Verlag GmbH, Berlin
  8. DIN EN 13363-2:2005-06
    Sonnenschutzeinrichtungen in Kombination mit Verglasungen – Berechnung der Solarstrahlung und des Lichttransmissionsgrades – Teil 2: Detailliertes Berechnungsverfahren
    Beuth Verlag GmbH, Berlin

Karin Lieb

ift Rosenheim

Nach Abitur, Ausbildung im Schreinerhandwerk und Abschluss an der Hochschule Rosenheim als Diplomingenieur (FH) Bereich Holztechnik ist Karin Lieb seit 1989 im Geschäftsbereich Prüfung des ift Rosenheim tätig. Seit der Zeit beschäftigt sie sich mit Materialprüfung, was beim ift Rosenheim bedeutet, man befasst sich mit allen Einzelteilen, die in Bauteilen vorkommen können. Diese Tätigkeit hat sich im Lauf der Zeit aufgebaut von der Tätigkeit als Prüfingenieurin, über die Prüfstellenleitung bis ins Produktmanagement. Dort steht sie heute den Kunden für Anfragen aller Art zu den Dienstleistungen des ift Rosenheim zur Verfügung. Sie ist auch als Gutachterin für das ift Sachverständigenzentrum tätig.

Die Tätigkeiten waren immer begleitet durch technische Mitarbeit in nationalen und europäischen Normenausschüssen sowie Arbeitskreisen für verschiedene Verbände.

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