Eine Vorschau von Druckentspanntem Mehrscheiben-Isolierglas

Untersuchungen zur Umsetzbarkeit von druckentspanntem Mehrsc

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Lichtdurchflutete Räume mit raumhohen Verglasungen und Fenstertüren, große Glasflä-chen und geringe Rahmenanteile, Integration von Sonnenschutz- und Lichtlenkungssys-temen, Verbesserung von Wärmedämmung und Schallschutz bei gleichzeitiger Gewichts-reduzierung, zusätzlich eine langfristige Garantie der zugesicherten Eigenschaften. So in etwa sieht das Anforderungsprofil an zukünftige Isolierverglasungen aus.

Ein aktuelles Forschungsvorhaben am ift Rosenheim untersucht, in wie weit druckentspannte Mehrscheiben-Isoliergläser diese Anforderungen erfüllen könnten. Dabei geht es gegenwärtig im Wesentlichen um die technische Umsetzbarkeit der Druckentspannung.

Das Forschungsvorhaben wird mit Mitteln der Forschungsinitiative Zukunft Bau des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung gefördert (Aktenzeichen: II 3-F20-11-1-001 /SWD-10.08.18.7-12.12) und durch die SANCO Isolierglasgruppe sowie die Finstral AG unterstützt.

Ausgangssituation

Konventionelles Mehrscheiben-Isolierglas ist über ein Randverbundsystem hermetisch verschlossen. Dies ist notwendig, um die Luftfeuchtigkeit im Scheibenzwischenraum (SZR) so gering wie möglich zu halten und somit die Entstehung von Tauwasser sowie eine Korrosion der aufgedampften metallischen low-e-Beschichtung zu verhindern. Außerdem soll ein Entweichen des Füllgases vermieden werden.

Dieses Konstruktionsprinzip hat auch Grenzen: Änderungen der Umgebungsbedingungen wie Temperatur und Luftdruck (durch barometrische Veränderungen oder die Höhenlage zwischen Herstell- und Einbauort) führen je nach Biegesteifigkeit der Glastafeln zu einem Ein- oder Ausbauchen der Glasscheiben und damit zu entsprechenden Belastungen der Glasscheiben sowie des Randverbundes (Bild 1). Ein Einbauchen der Scheiben kann dazu führen, dass bewegliche Systeme im SZR, wie z.B. Sonnenschutzsysteme, eingeklemmt und beschädigt werden. Die Belastungen nehmen mit der Größe des SZR zu (Bild 2).

Bei mehr als einem SZR ergibt sich der effektive SZR als Summe der einzelnen SZR (Bild 2). Damit ist die Bautiefe von Mehrscheiben-Isolierglas konstruktionsbedingt erheblich beschränkt. Für Dreifachglas wird z.B. der Aufbau 4-12-4-12-4 empfohlen.

Durch die Möglichkeit einen oder alle Zwischenräume eines Isolierglases an den äußeren Luftdruck anzuschließen, wären die Beschränkungen hinsichtlich des maximal möglichen Scheibenzwischenraumes aufgehoben. Durch größere SZR könnten folgende Effekte erzielt werden:

  • Verbesserung der Luftschalldämmung,
  • leichtere und vielfältigere Integration von Bauteilen jeglicher Art in den SZR (z.B. Sonnenschutzsysteme),
  • u.U. Reduzierung der Glasdicken, da keine Klimalasten mehr entstehen,
  • einfachere Realisierung von Isolierglas mit mehr als drei Scheiben,
  • größere Bautiefen und somit Verringerung der geometrischen Wärmebrücke am Baukörperanschluss.

Eine Untergruppe der druckentspannten Systeme sind Isoliergläser, bei denen nur eine einmalige Druckanpassung an die Ortshöhe des Einbauortes vorgenommen wird. Dies ist notwendig, wenn der Höhenunterschied zwischen Herstellungs- und Einbauort bestimmte, von Aufbau und Format des Isolierglases abhängige, Grenzwerte überschreitet.

Zeigt, dass sich das Isolierglas bei wärme ausdehnt und bei Kälte einzieht.
Bild 1: Verhalten von Isolierglas bei Klimalast
Zeigt, dass sich schmales SZR ein wenig, das breite SZR mehr und zwei schmale SZR am meisten einzieht.
Bild 2: Ein größerer effektiver SZR führt zu größeren Durchbiegungen und höheren Spannungen.

Zielsetzung

Bei druckentspanntem Isolierglas müssen die Scheibenzwischenräume mit dem Außenklima bzw. dem äußeren Luftdruck „verbunden“ werden. Diese Verbindung muss jedoch so ausgeführt sein, dass eine Anreicherung von Wasserdampf im SZR während der Lebensdauer vermieden wird, um eine Korrosion von vorhandenen low-e-Beschichtungen bzw. eine Tauwasserbildung im Inneren zu verhindern. Im Rahmen des Vorhabens muss daher untersucht werden, welche Techniken in der Lage sind, den Zwischenraum frei von Kondensat zu halten. Um dies zu erreichen sind folgende Konstruktionsprinzipien vorstellbar:

  • Druckausgleich über ein Kapillarrohr,
  • Druckausgleich über ein Ventil/Filter,
  • Druckausgleich über eine Membrane.
Eine Vorschau von Druckentspanntem Mehrscheiben-Isolierglas
Bild 3: Exponat von Sanco und Finstral zum Forschungsprojekt “Druckentspanntes Mehrscheiben-Isolierglas“ (Jalousie im SZR unten)

Zwischenstand

Während der ift-Sonderschau „lebendig forschen – besser leben“ auf der fensterbau/frontale 2014 veranschaulichte ein Exponat der beiden Projektpartner Sanco und Finstral die Thematik der Entwicklung von Mehrscheiben-Isolierglas mit deutlich größerem SZR (50 bis 100 mm) durch Ankopplung des Scheibenzwischenraums an den äußeren Luftdruck (Bild 3).

Eine Vorrichtung zum Druckausgleich sollte die Herstellung des Isolierglases nicht wesentlich behindern, das optische Erscheinungsbild nicht stören und idealer Weise in den Glasfalz integrierbar sein. Kapillarrohre erfüllen diese Anforderungen weitgehend und wurden deshalb als Schwerpunkt des Forschungsprojektes gewählt (Bild 4).

Ein neu entwickeltes Rechenmodel dient dazu, die Wirkung eines Kapillarrohres auf Innendruck und Feuchtigkeitsaufnahme eines Isolierglases abzuschätzen. In Labor- und Freilandversuchen werden zur Zeit das Rechenmodel und die praktische Umsetzbarkeit des Kapillarrohransatzes geprüft (Bild 5). Die experimentellen Arbeiten dauern noch bis Anfang 2015. Nach Abschluss des Projektes im Sommer 2015 können die Ergebnisse dem Abschlussbericht entnommen werden.

Prinzipskizze für druckentspanntes Mehrscheiben-Isolierglas
Bild 4: Prinzipskizze für druckentspanntes Mehrscheiben-Isolierglas
Versuchsaufbau für druckentspanntes Mehrscheiben-Isolierglas über ein Kapillarrohr
Bild 5: Versuchsaufbau für druckentspanntes Mehrscheiben-Isolierglas über ein Kapillarrohr

Norbert Sack

ift Rosenheim

Dipl.-Phys. Norbert Sack ist Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung und seit 1995 am ift Rosenheim tätig. Er arbeitet in verschiedenen nationalen und internationalen Normenausschüssen und Sachverständigengremien mit und ist Lehrbeauftragter an der Hochschule Rosenheim.

Dr. Ansgar Rose

ift Rosenheim

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