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Mein Berufsweg begann früh, denn ich habe schon als Kind die Fensterwerkstatt meines Vaters besucht. Ich war begeistert von den technischen Geräten und wie aus Holzstücken auf wunderbare Weise ein Fenster entsteht.
Nach der Schreinerausbildung hat mir mein Vater geraten im fernen Rosenheim bei Professor Seifert die Fensterbaukunst ingenieurmäßig zu vertiefen. Nach einem Praxissemester im Institut für Fenstertechnik war klar, dass ich als Ingenieur die Fenstertechnik weiter entwickeln wollte. Dieses Motiv hat mich dann die nächsten 37 Jahre im ift Rosenheim begeistert. Das lag sicher daran, dass meine Vorbilder Prof. Seifert und Prof. Schmid immer genau wussten, wann man „dem Sieberath“ neue Aufgaben geben musste. Gleich zu Beginn waren es Forschungsprojekte wie „Wohnungsabschlusstüren“, „Einbruchhemmende Türen oder Fenster“ sowie „Lüftung im Wohnungsbau“.
Ich selber durfte dann 1982, gleich nach meinem Eintritt ins ift Rosenheim, das Normenwerk zur Einbruchhemmung bearbeiten. Eine Besonderheit war, dass eine statische mechanische Prüfung den Erfindungsreichtum der Einbrecher nicht abdecken kann. Deshalb wurde gemeinsam mit der Kriminalpolizei das Täterverhalten analysiert. Darauf aufbauend entstand die Idee des „Normeinbrechers“ und der Angriffszeit als maßgebendem Bewertungskriterium. Die Durchsetzung dieses unkonventionellen Konzepts war nicht einfach, hat sich aber schließlich doch etabliert und gilt bis heute. Die Erfahrungen aus dieser Zeit haben mein gesamtes Arbeiten im ift Rosenheim geprägt. Mit einer Kombination aus Pragmatismus, Kreativität und fundiertem Ingenieur-Wissen lassen sich technische Probleme erfolgreich lösen.
Mit diesen „Erfahrungen“ begann dann 1989 die spannende Aufgabe der europäischen Normungsarbeit, mit der Entwicklung von harmonisierten und EU weit gültigen Produktnormen. So konnte ich das große Werk der DIN EN 14351-1, als europäische Produktnorm für Fenster und Außentüren beginnen. Dies hat über 20 Jahre gedauert, aber Maßstäbe für die objektive Ermittlung der Produkteigenschaften gesetzt. Als Ingenieur möchte ich gerne Lösungen umsetzen, die sachlich sinnvoll und in der Praxis leicht anwendbar sind. Leider fallen diese wirtschaftlich notwendigen Kompromisse öfter zu Gunsten von Lobbyinteressen aus Politik, Verbänden und Industrie aus.
Viele Betriebe und Handwerker stöhnen über zu viele Regeln. Ich habe dafür viel Verständnis. Da gibt es ja nicht nur die Technik, sondern weitere Themen wie Arbeits- und Steuerrecht. Aber die Normung ist die Sprache der Technik und vereinfacht die Konstruktion, das Angebotswesen und die Ausführung erheblich – das wird oft vergessen. Zudem haben Vorschriften zu neuen Technologien geführt, die deutschen Betrieben einen technischen Vorsprung verschafft haben – man denke nur an energieeffizentes Bauen, das im Wesentlichen durch die Wärmeschutzverordnung angeschoben wurde. Die Vielfalt der Normen lässt sich aber gut durch digitale Medien in den Griff bekommen. Das ift Rosenheim steckt deshalb viel Zeit in Serviceleistungen wie das Normenportal, den Montageplaner oder den CE-Generator. Quasi nebenbei konnte ich von erfahrenen Kollegen und Mentoren die Kunst der „Normungsdiplomatie“ erlernen. Dies hat mir sehr gut bei meiner späteren Arbeit als Institutsleiter geholfen, weil ich ja oft zwischen den Interessen von Fensterherstellern, Zubehörlieferanten, Systemgebern, Verbänden und Behörden vermitteln muss.
Neben der Normungsarbeit und als Leiter der Türenabteilung kamen neue Aufgaben auf mich zu, beispielsweise 1994 der Aufbau der ift-Zertifizierungsstelle. Die jahrelangen Erfahrungen in allen Aufgabenfeldern des ift Rosenheim führten dann 2002 zur Ernennung zum stellvertretenden Institutsleiter. 2001 erfolgte der Aufbau der Fassadenprüfung in Deggendorf und der Brandprüfeinrichtungen in Nürnberg sowie 2003 die Übernahme der Schallprüfeinrichtungen von Prof Fritz Holtz in Kragling.
Als logischer Schritt begann dann 2004 die Institutsleitung und Geschäftsführung zusammen mit Dr. Jochen Peichl. Ziemlich neu war für mich die Mitverantwortung als Geschäftsführer auch für die Finanzen des ift Rosenheim. Hier hat sich die „Doppelspitze“ mit der Aufgabenteilung zwischen Dr. Jochen Peichl und mir als optimale Lösung erwiesen. Denn ohne seine Erfahrung und Kompetenz in finanziellen Fragen und seine strukturierte Arbeitsweise hätte ich das alleine nicht geschafft. So konnten wir das Institut von damals ca. 7 Mio. Euro Umsatz auf heute knapp 23 Mio. Euro mit ca. 230 Mitarbeitern entwickeln. Auch die Professur 2012 war eine Auszeichnung für meine Lehrtätigkeiten seit 1984 und das innovative Weiterbildungsangebot EDPRO, dass ich gemeinsam mit Prof. Heinrich Köster, als Präsident der Hochschule Rosenheim entwickelt habe. In idealer Weise konnten wir Theorie und Praxis für den Masterstudiengang „Fenster und Fassade“ kombinieren.
Nun liegt der sogenannte Ruhestand vor mir. Ich bin froh, dass ich neben den umfangreichen Aufgaben als Institutsleiter immer genug Zeit gefunden habe, um private Kontakte, Freundschaften und Hobbys zu pflegen sowie Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Als Institutsleiter durfte ich viele Länder bereisen. Leider blieb meistens zu wenig Zeit für ein intensiveres Kennenlernen der Kulturen. Das werde ich nun mit meiner Frau nachholen. Dank der heutigen Kommunikationsmöglichkeiten kann ich das gut mit meiner Begeisterung für Fenster, Fassaden, Türen, Tore und Glas verbinden. Denn ich möchte mein Wissen gerne an die nächste Generation Ingenieure weiter geben. Das bin ich dem Institut und der Branche schuldig, denen ich 37 wunderbare und erfüllte Berufsjahre zu verdanken habe.