Objektprüfungen bei innovativen Fassaden

Herausforderung Prüfnachweis bei bizarren Formen

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Bei der Neuentwicklung von Fassadensystemen sollte neben der technischen Weiterent-wicklung auch eine optisch ansprechende Variantenvielfalt gegeben sein. Allerdings stößt jede Systemfassade schon allein wegen der Lagerkosten irgendwann an ihre Grenzen.

Nun unterliegt jede Systemfassade zwecks CE-Kennzeichnung der Pflicht zur Erstprüfung, im Fachgebrauch „Typprüfung“ genannt. Natürlich versucht der Systemhersteller, über einen (oder mehrere) für ein System repräsentativen Probekörper die gesamte Produktpalette abzudecken.

Notwendigkeit Objektprüfung

Wünscht der Architekt objektbezogene Systemabwandlungen, stellt sich die Frage, ob die geprüften Leistungseigenschaften dadurch beeinflusst werden. Beispiele sind veränderte Profilkonturen, neue Beschläge bzw. Öffnungsvarianten oder Durchdringungen der Entwässerungsebenen aufgrund äußerer Lisenen. Gleiches gilt auch, wenn Fassaden zwar ausschließlich mit geprüften Systemkomponenten gebaut, aber in Geometrien überführt werden, die in der Typprüfung nicht berücksichtigt wurden, wie Schrägen, Überhänge, polygonale oder gebogene Bereiche.

 

Meist verlassen sich Architekten/Fachberater in solchen Fällen nicht auf Prüfzeugnisse, sondern schreiben über das Leistungsverzeichnis eine objektbezogene Prüfung vor. Ist dies nicht der Fall, entscheidet der Hersteller, ob die technischen Änderungen die mit dem Basissystem erreichten Klassifizierungen erreichen, oder ob eine Neuprüfung erforderlich wird. Diese Bewertung ist Voraussetzung zur pflichtgemäßen Ausstellung einer Leistungserklärung. Die Verantwortung zu deren Richtigkeit liegt beim Hersteller.

Als Hilfestellung für die Hersteller geben die Produktnormen über die Regeln zur direkten Anwendung vor, welche Änderungen eine Übertragung der geprüften Leistungseigenschaften zulassen. Die Produktnorm für Fassaden EN 13830:2015 (noch nicht harmonisiert) beschreibt dies in Anlage F, Tabelle F1. Das ift Rosenheim bietet durch gutachtliche Stellungnahmen die Alternative, fallbezogene, unabhängige Aussagen zu treffen.

Ist dies nicht möglich, sollte eine Gebrauchstauglichkeitsprüfung durch eine akkreditierte und notifizierte Prüfstelle erfolgen. Nur so kann der sich daraus ergebende Prüfbericht zur CE-Kennzeichnung der Objektfassade herangezogen werden.

Bild 1: Schlagregendichtheit im Feldversuch nach EN 13051:2001 (Bild: ift Rosenheim)

Prüfungen am Objekt

Bei Fassadenprüfungen nach EN 13830:2015 „Vorhangfassaden – Produktnorm“ wird zwar die Dichtheit eines Prototyps geprüft, jedoch nicht die Dichtheit im eingebauten Projekt oder die Dichtheit der Anschlüsse. Eine ergänzende Möglichkeit zur Typprüfung im Labor bietet eine direkt am Objekt durchgeführte weitere Form der Fassadenprüfung.

Es stehen Normen zur Verfügung, die einen reproduzierbaren Prüfablauf beschreiben. So kann z.B. die Überprüfung der Schlagregendichtheit für eine bereits montierte Fassade nach EN 13051:2001 „Vorhangfassaden – Schlagregendichtheit – Feldversuch“ (Bild 1) erfolgen. Dazu wird ein Wassersprühbalken vor die Fassade montiert. Die Beaufschlagung mit Wasser kann sowohl mit als auch ohne Druck-/Sogbelastung erfolgen.

Ein weiteres ähnliches Verfahren (Bild 2) bietet die AAMA 501.2-03 „Quality Assurance and Diagnostic Water Leakage Field Check of Installed Store Fronts, Curtain Walls and Sloped Glazing Systems“ (AAMA: American Architectural Manufacturers Association). Obwohl es sich um eine amerikanische Norm handelt, wird das Verfahren wegen der einfachen Handhabung auch gern in Europa angewandt.

Mann spritz mit einem Schlauch bei einer Schlauchprüfung ein Fenster nass
Bild 2: Schlauchtest nach AAMA 501.2-03 (Bild: ift Rosenheim)

Fazit

Innovative und optisch beeindruckende Fassadenformen bedürfen hinsichtlich der Prüfung zur Gebrauchstauglichkeit sicherlich eines höheren Aufwands. Wichtig ist, dass alle am Projekt beteiligten Parteien das Thema frühzeitig angehen und mögliche Schwachstellen offen kommunizieren. Erfahrungsgemäß lassen sich so die anfallenden Kosten für die Überprüfung der Gebrauchstauglichkeit der Fassade am besten steuern.

Kann der Hersteller die geforderten Leistungseigenschaften nicht eigenverantwortlich garantieren, besteht neben der Typprüfung evtl. noch die Möglichkeit zur Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme durch einen Gutachter oder ein Prüfinstitut.

Je gravierender die technischen und objektbezogenen Abwandlungen einer Systemfassade allerdings sind, umso weniger lässt sich eine ordnungsgemäße Neuprüfung zur CE-Kennzeichnung umgehen.

Rolf Schnitzler

ift Rosenheim

Dipl.-Ing. (FH) Rolf Schnitzler ist seit 2011 Mitarbeiter am ift Rosenheim. Er ist als Standortleiter des ift-West in Rheda-Wiedenbrück tätig und betreut von dort die Kunden in der Region West- und Norddeutschland sowie das ift-LAB in Arnsberg.

Außerdem vertritt er das ift Rosenheim in Normen- und Fachausschüssen.

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