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In Deutschland hat der Schallschutz im Hochbau eine große Bedeutung und wird normativ in DIN 4109 beschrieben. Diese Norm regelt den erforderlichen Schallschutz innerhalb des Gebäudes mit Anforderungen an die Luft- und Trittschalldämmung, den Schallschutz gegen Lärm aus gebäudetechnischen Anlagen sowie den Schallschutz gegen Außenlärm.
DIN 4109 ist 2016 in einer Neufassung erschienen; die Teile 1 und 2 wurden zwischenzeitlich aktualisiert und liegen nun in der Fassung 2018-01 vor. Im Vergleich zur Vorgängerfassung aus dem Jahr 1989 [1] wurde die Norm neu gegliedert – aus einem Hauptteil und zahlreichen Beiblättern wurde eine Norm mit mehreren Teilen:
- Teil 1 beinhaltet die Mindestanforderungen an den Schallschutz,
- Teil 2 beschreibt das Rechenverfahren zum Nachweis der Erfüllung der Anforderungen,
- die Teile 31 bis 36 enthalten Bauteilkataloge für verschiedene Konstruktionen zum Nachweis des Schallschutzes,
- Teil 4 enthält Regelungen zum Nachweis über bauakustische Messungen.
Weitere Änderungen in der Norm werden in den folgenden Abschnitten beschrieben.
Anforderungen
Als maßgebliche Kenngrößen werden in DIN 4109-1 folgende Kenngrößen und Anforderungen definiert, die für das Bauteil (z.B. Wand oder Decke) im ausgeführten Bau gelten:
- das bewertete Bau-Schalldämm-Maß R'w für die Luftschalldämmung,
- der bewertete Norm-Trittschallpegel L'n,w für die Trittschalldämmung und
- der Schalldruckpegel LAF,max,n für den Schallschutz gegen Geräusche aus gebäudetechnischen Anlagen.
Die Spektrum-Anpassungswerte nach EN ISO 717-1 und -2 sowie die Schalldämmung in einem erweiterten Frequenzbereich von 50 bis 5000 Hz werden im bauaufsichtlichen Nachweisverfahren in Deutschland nicht berücksichtigt. Das Anforderungsniveau wurde im Vergleich zur Vorgängerfassung 1989 im Wesentlichen gleich belassen. Allerdings hat man im Hinblick auf richterliche Entscheidungen des BGH in einzelnen Bereichen eine Erhöhung der Schallschutzanforderung vorgenommen, so z.B. beim Trittschallschutz von Decken und beim Schallschutz in Doppel- und Reihenhäusern.
Im privatrechtlichen Vertragsverhältnis können auch höhere Schalldämmanforderungen relevant werden, die allerdings separat zu vereinbaren sind. Richtwerte dazu geben z.B. VDI 4100 [8], Beiblatt 2 zu DIN 4109 [13] oder DIN SPEC 91314 [14].
Bei der Luftschalldämmung gegen Außenlärm wurde das Nachweisverfahren im Prinzip belassen, d.h. die Anforderung an die Schalldämmung der Außenhülle wird in Abhängigkeit von Außenlärmpegel und Raumnutzung vorgegeben. Allerdings wird in der Neufassung von DIN 4109-1 [3] die Anforderung an die Schalldämmung der Außenbauteile (erf. R’w) nicht mehr in 5 dB-Schritten vorgegeben, sondern dB-genau berechnet.
Auch wurden die Berechnungsregeln für den maßgeblichen Außenlärmpegel u.a. bei Schienenverkehr noch einmal modifiziert.
Die Anforderungen an Geräusche aus gebäudetechnischen Anlagen wurden im Wesentlichen beibehalten. Neu sind Tabellen mit Anforderungen an Geräusche aus raumlufttechnischen Anlagen im eigenen Wohnbereich und zu heiztechnischen Anlagen im eigenen Wohnbereich, letztere allerdings nur als Empfehlung in einem informativen Anhang.
Nachweis- und Rechenverfahren
Eingangsdaten für die Berechnungen entstammen entweder dem Bauteilkatalog der Norm (DIN 4109 Teile 31 bis 36) oder beruhen auf Messungen der Luft- und Trittschalldämmung in nebenwegfreien Prüfständen. Für den Nachweis des erforderlichen Schallschutzes wurde auch das Sicherheitskonzept neu geregelt. So wurde von einer bauteilspezifischen Betrachtung (Rechenwerte mit Vorhaltemaß) auf eine Betrachtung der Gesamtsituation mit einem Sicherheitsbeiwert uprog umgestellt.
Rechen- und Prognoseverfahren im Massivbau
Die Eingangskenngrößen der Schalldämmung wurden konsequent auf die internationalen Prüfnormen mit Schalldämmprüfungen in nebenwegfreien Prüfständen nach EN ISO 10140-5 umgestellt. Parallel dazu wurde das alte in Beiblatt 1 DIN 4109 beschriebene Nachweisverfahren für den Massivbau durch ein Rechenmodell auf Basis der europäischen Berechnungsvorschrift aus EN ISO 12354 [9] ersetzt.
Das Rechenmodell für den Luftschallschutz im Massivbau arbeitet mit dem bewerteten Schalldämm-Maß der Wand- und Deckenkonstruktionen als Laborprüfwert, das für den rechnerischen Nachweis üblicherweise auf Basis einer Massekurve ermittelt wird. Für die Flankenschalldämmung der flankierenden Bauteile wird zusätzlich ein Stoßstellendämm-Maß Kij eingerechnet, das die Dämmung des Schallenergieflusses an der Stoßstelle (Wand/Decke, Decke/Decke bzw. Wand/Wand) beschreibt. Für die Prognose des Schallschutzes zwischen Räumen müssen die Schalltransmissionen über alle beteiligten Schallübertragungswege bestimmt werden, um daraus in Summe die resultierende Schalldämmung als bewertetes Bau-Schalldämm-Maß R’w zu ermitteln. Diese Schallübertragungswege beinhalten den direkt und über flankierende Bauteile übertragenen Schall.
Für den Nachweis des Trittschallschutzes im Massivbau gibt es ähnliche Regelungen. Die Trittschalldämmung der Rohdecke wird über eine Massekurve bestimmt und die Trittschallminderung durch die Deckenauflage über eine bewertete Trittschallminderung DLw. Eine Übertragung auf die Bausituation erfolgt hier durch Korrektursummanden K oder KT, deren Zahlenwert sich aus der Flächenmasse bzw. der Lage der Prüfräume ergibt.
Rechen- und Prognoseverfahren im Holz-, Leicht- und Skelettbau
Für den Holz- und Skelettbau sind im Vergleich zum Massivbau nur die Flankenübertragungswege auf dem Weg Ff zu berücksichtigen [12]. Diese werden beschrieben über das Flankendämm-Maß RFf,w, welches aus der Bauteilkenngröße Dn,f,w ermittelt wird.
Für die Prognose der Trittschalldämmung von Holzdecken am Bau wurde ein neues Prognoseverfahren in die Norm aufgenommen. Während das alte Beiblatt 1 DIN 4109 nur einen Nachweis über Bauteiltabellen zuließ, kann in der neuen DIN 4109-2 eine Berechnung des bewerteten Norm-Trittschallpegels L’n,w in der Bausituation erfolgen indem zum bewerteten Norm-Trittschallpegel der Deckenkonstruktion Korrektursummanden K1 und K2 addiert werden.
Schallschutz gegen Außenlärm von Fenster/Wand-Kombinationen
Beim Berechnungsverfahren für die resultierende Schalldämmung von Fenster/Wand-Kombinationen gab es keine inhaltliche Änderung. Allerdings wurde Nachweistabelle 10 aus DIN 4109:1989 gestrichen, so dass hierfür nur noch ein rechnerischer Nachweis möglich ist. Weiterhin wurde die Möglichkeit geschaffen, schalltechnische Einflüsse durch die Fenster-Einbausituation als schalltechnisch kritisch oder unkritisch zu bewerten (Bild 1). Falls eine schalltechnisch kritische Situation vorliegt, ist diese rechnerisch über ein Fugenschalldämm-Maß der Einbausituation in der Bestimmungsgleichung für das resultierende Schalldämm-Maß zu berücksichtigen.
Sicherheitskonzept
Eine wesentliche Änderung in der neuen DIN 4109 betrifft das Sicherheitskonzept. Bislang erfolgte dies über ein Vorhaltemaß, das von den Prüfwerten des Bauteils abgezogen oder aufgeschlagen wurde. Daraus resultierte dann z.B. der Rechenwert des bewerteten Schalldämm-Maßes Rw,R.
Jetzt berücksichtigt man die Unsicherheiten beim Endresultat der Berechnung. Dazu erfolgt die Berechnung der schalltechnischen Kenngröße wie z.B. das bewertete Bau-Schalldämm-Maß zunächst mit den Laborprüfwerten bzw. mit Kennwerten aus dem Bauteilkatalog. Die Berücksichtigung der Unsicherheiten erfolgt nun durch einen Sicherheitsbeiwert uprog, der auf dieses Berechnungsergebnis aufgeschlagen oder von ihm abgezogen wird. Der Sicherheitsbeiwert beträgt 2 dB für die Luftschalldämmung von Bauteilen mit Ausnahme von Innen- und Laubengangtüren (dort uprog = 5 dB) und 3 dB bei der Trittschalldämmung.
Gleichung 1 Berücksichtigung Sicherheitsbeiwert uprog bei der Luft- und Trittschalldämmung einer Bausituation für die Anwendung der DIN 4109
R’w – uprog ≥ erf. R’w in dB L’n,w + uprog ≤ zul. L’n,w in dB |
Bauteilkatalog
Der noch aus dem Jahr 1989 stammende Bauteilkatalog nach Beiblatt 1 DIN 4109 [1] wurde aktualisiert und mit neueren Konstruktionen ergänzt. Wegen der großen Anzahl an Konstruktionen wurde der Bauteilkatalog in 5 Teile plus Rahmendokument (Teile 31 bis 36, thematisch gegliedert nach Massivbau, Holz- und Leichtbau, Vorsatzschalen, Bauelementen und gebäudetechnischen Anlagen) aufgeteilt (auszugsweise Auflistung):
- Teil 32 der DIN 4109 enthält die Regelungen für den Schallschutz im Massivbau.
- Teil 33 der DIN 4109 enthält Tabellen für den Holz-, Leicht- und Skelettbau (auf Grundlage von [12]).
- Teil 35 der DIN 4109 enthält die aus Beiblatt 1 bekannten Tabellen für Fenster und Rollladenkästen. Zusätzlich wurden auch Tabellen für Innentüren, Gläser und Fugen neu aufgenommen.
Alle im Bauteilkatalog dargestellten schalltechnischen Kenngrößen sind Laborprüfwerte entsprechend Laborprüfnormen [10, 11]. Es wurden keine Sicherheitsabschläge (wie z.B. ein Vorhaltemaß) berücksichtigt.
Literatur
- DIN 4109:1989-11 – Schallschutz im Hochbau; Anforderungen und Nachweise.
DIN 4109 Bbl. 1:1989-11 – Schallschutz im Hochbau, Ausführungsbeispiele und Rechenverfahren.
DIN 4109 Bbl. 1/A1:2003-09 – Schallschutz im Hochbau, Ausführungsbeispiele und Rechenverfahren; Änderung A1.
DIN 4109 Bbl.-3:1996-09 – Schallschutz im Hochbau, Berechnung von R’w,R für den Nachweis der Eignung nach DIN 4109 aus Werten des im Labor ermittelten Schalldämm-Maßes Rw.
DIN 4109-11:2010-05 – Schallschutz im Hochbau, Güte- und Eignungsprüfungen - DIN 4109-1:2016-07
Schallschutz im Hochbau – Teil 1: Mindestanforderungen - DIN 4109-1:2018-01
Schallschutz im Hochbau – Teil 1: Mindestanforderungen - DIN 4109-2:2016-07
Schallschutz im Hochbau – Teil 2: Rechnerische Nachweise der Erfüllung der Anforderungen - DIN 4109-2:2018-01
Schallschutz im Hochbau – Teil 2: Rechnerische Nachweise der Erfüllung der Anforderungen - DIN 4109-31 bis -36:2016-07
Schallschutz im Hochbau – Teil 31 bis 36: Daten für die rechnerischen Nachweise des Schallschutzes (Bauteilkatalog)
Teil 31: Rahmendokument
Teil 32: Massivbau
Teil 33: Holz-, Leicht- und Trockenbau
Teil 34: Vorsatzkonstruktionen vor massiven Bauteilen
Teil 35: Elemente, Fenster, Türen, Vorhangfassaden
Teil 36: Gebäudetechnische Anlagen - DIN 4109-4:2016-07
Schallschutz im Hochbau – Teil 4: Bauakustische Prüfungen - VDI 4100:2012-10
Schallschutz im Hochbau – Wohnungen – Beurteilung und Vorschläge für erhöhten Schallschutz - DIN EN ISO 12354
Bauakustik – Berechnung der akustischen Eigenschaften von Gebäuden aus den Bauteileigenschaften
Teil 1: 2017-11 Luftschalldämmung zwischen Räumen
Teil 2: 2017-11 Trittschalldämmung zwischen Räumen
Teil 3: 2017-11 Luftschalldämmung von Außenbauteilen gegen Außenlärm - Normenreihe DIN EN ISO 10140
Akustik – Messung der Schalldämmung von Bauteilen im Prüfstand
Teil 1: 2016-12: Anwendungsregeln für bestimmte Produkte
Teil 2: 2010-12: Messung der Luftschalldämmung
Teil 3: 2015-11: Messung der Trittschalldämmung
Teil 4: 2010-12: Messverfahren und Anforderungen
Teil 5: 2014-09: Anforderungen an Prüfstände und Prüfeinrichtungen - Normenreihe DIN EN ISO 10848
Messung der Flankenübertragung von Luftschall, Trittschall und Schall von gebäudetechnischen Anlagen zwischen benachbarten Räumen im Prüfstand und am Bau
Teil 1: 2018-02: Rahmendokument
Teil 2: 2018-02: Anwendung auf Typ-B-Bauteile, wenn die Verbindung geringen Einfluss hat
Teil 3: 2018-02: Anwendung auf Typ-B-Bauteile, wenn die Verbindung wesentlichen Einfluss hat - Scholl, W.; Bietz, H.:
Integration des Holz- und Skelettbaus in die neue DIN 4109. Abschlussbericht der PTB zum Forschungsvorhaben, gefördert durch DIBt und PTB, 2004 - DIN 4109 Beiblatt 2:1989-11
Schallschutz im Hochbau; Hinweise für Planung und Ausführung; Vorschläge für einen erhöhten Schallschutz; Empfehlungen für den Schallschutz im eigenen Wohn- oder Arbeitsbereich - DIN SPEC 91314
Schallschutz im Hochbau – Anforderungen für einen erhöhten Schallschutz im Wohnungsbau - Leitfaden zur Planung und Ausführung der Montage von Fenstern und Haustüren für Neubau und Renovierung.
RAL-Gütegemeinschaft Fenster und Haustüren e.V., 03/2014