Zeigt die Verformung von Decklagen an

ift Rosenheim – 50 Jahre im Dienst der Branche

Teil 8 (Zeitfenster 2001 bis 2005): Hochwärmedämmende und energieeffiziente Bauelemente

Lesezeit: 15 Minuten

Die erste Ölkrise 1973 ist ursächlich für die Wärmeschutzverordnung 95 [1], die durch die erste Energieeinsparverordnung EnEV 2002 [2] abgelöst wird.

Hochwärmedämmende Fensterkonstruktionen

Aktuelle Situation um 2000

Die Messung der wärmetechnischen Eigenschaften von Rahmen, Gläsern und Fenstern wird immer mehr durch Berechnungen ersetzt. Europäische Regelwerke lösen die deutschen Normen zur Ermittlung der Wärmedurchgangskoeffizienten ab. Der U-Wert ersetzt den k-Wert. Zeitgleich zur Einführung der EnEV 2002 lösen bei der Überarbeitung der DIN 4108-4 [3] detaillierte Uf-Werte die Rahmenmaterialgruppen ab.

Das Passivhausinstitut in Darmstadt entwickelt Mitte der 1990er den Standard des Passivhauses, was die Entwicklung hochwärmedämmender Fensterkonstruktionen vorantreibt. Diese bestehen aus wärmegedämmten Rahmenprofilen und 3-fach-Wärme­dämmglas mit wärmetechnisch verbesserten Abstandhaltern mit erhöhtem Glaseinstand.

Forschungsvorhaben Hochwärmedämmende Fenstersysteme [4]

eingesetzt. In Verbindung mit Dreischeiben-Isolierverglasungen sind Wärmedurchgangskoeffizienten für das Fenster von deutlich unter 1 W/(m2 K) machbar.

Durch die verbesserte Dämmung von Glas und Rahmen treten weniger beachtete Wärmebrücken deutlicher zum Vorschein. Sie führen zum einen zu erhöhten Wärmeverlusten, zum anderen auch bei den hochgedämmten Konstruktionen zu Tauwasser.

Folgende wärmetechnisch kritischen Bereiche hochdämmender Fensterkonstruktionen sollten untersucht werden, wobei auch die Gebrauchstauglichkeit des Fensters im Fokus stand:

● Isolierglasrandverbund: Einsatz thermisch verbesserter Abstandhalter;

● Isolierglasrandverbund: Erhöhter Glaseinstand im Fensterrahmen; Auswirkungen auf die Gebrauchstauglichkeit;

● Anschluss zum Baukörper: Heutige Bewertungsregeln für den Wärmedurchgang sowie Montagerichtlinien sind auf neue Fensterkonstruktionen und hochgedämmte Wandaufbauten nur bedingt anwendbar.

Ergebnisse des Forschungsvorhabens

Wärmetechnische Analyse

Die UW-Werte wurden rechnerisch und messtechnisch ermittelt. Die Berechnung liegt im Regelfall auf der sicheren Seite. Auch wenn die numerischen Berechnungen der Rahmenprofile durch unterschiedlich „rechnende Stellen“ (PHI und ift Rosenheim) eine gute Übereinstimmung liefern, müssen viele Dinge besser definiert werden. Schwierig ist die Ermittlung der Eingangskennwerte für die numerische Berechnung. Für die Ermittlung der Psi-Werte wird schon damals ein Ersatzmodell vorgeschlagen.

Tiefer Glaseinstand

Die Untersuchungen zeigen, dass die thermisch induzierten Spannungen, bedingt durch einen tiefen Glaseinstand in Verbindung mit hochwärmedämmenden Rahmen, zu keinem signifikant höheren Glasbruchrisiko führen als ein „normaler“ Glaseinstand von ca. 15 mm.

Gebrauchstauglichkeit

Verschiedene Untersuchungen an den Holz-Dämmstoffverbundkanteln und an dem Kunststofffenstersystem ermöglichten Aussagen zur Gebrauchstauglichkeit der Fenster bei realen Belastungssituationen.

Prinzipiell ließen sich die Fenstersysteme als gebrauchstauglich einstufen. Trotzdem bedurften einige Bereiche einer Optimierung, um eine Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit dauerhaft zu minimieren.

Zeigt die Verformung von Decklagen an
Bild 1. Verformung von Decklagen (links: radiale Jahrringlage; rechts: weitgehend tangentiale Jahrringlage raumseitig) [4]
Muster der ift-Richtlinie WA-08/3
Bild 2: ift-Richtlinie WA-08/3 „Wärmetechnisch verbesserte Abstandhalter, Teil 1“ [9] (links) und „Datenblatt Psi-Werte Fenster“ des Arbeitskreises „Warme Kante“ im BF

Weitere Entwicklung

Bis zu den 90er-Jahren reichen vereinfachte pragmatische Ansätze (Verwendung von Rahmenmaterialgruppen) aus. Zur Jahrtausendwende verstärken die europäischen Berechnungsnormen jedoch die U-Wert-Olympiade. Die EN ISO 10077-2 [5] ermöglicht die Ermittlung des U-Werts von Rahmenprofilen durch numerische Simulation. Während europaweit nur wenige Stellen den U-Wert (bzw. k-Wert) ermitteln konnten, erhöhte sich durch teilweise kostenlose Verfügbarkeit von Software zur Berechnung wärmetechnischer Eigenschaften von Fenstern schnell die Anzahl von „Simulanten“. Es gab starke Abweichungen bei den Resultaten.

In Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Warme Kante des Bundesverbands Flachglas (BF) wurden mehrere Forschungsvorhaben zur Ermittlung des linearen Wärmedurchgangskoeffizienten Psi durchgeführt [6, 7, 8]. Ziel war es, Psi-Werte für einen „fairen“ Vergleich der Leistungseigenschaften zu ermitteln. Zum anderen sollten Berechnungs- und Anwendungsregeln eine Verwendbarkeit der berechneten Psi-Werte für einen großen Produktbereich ermöglichen. Letztendlich entstanden hieraus mehrere ift-Richtlinien, die die Ermittlung von repräsentativen Psi-Werten sowohl für Fenster als auch für Fassaden erlauben [9, 10, 11]. Die Werte werden in zugehörigen Datenblättern des BF publiziert.

Aktueller Sachstand

Dreifach-Wärmedämmgläser haben sich in Deutschland mehr und mehr durchgesetzt. Der Anteil von Dreifach-Glas liegt in 2015 bei fast 60 % [12]. Ebenso hat sich der Einsatz von wärmetechnisch verbesserten Abstandhaltern 2015 mit einer Quote am Gesamtmarkt von leicht über 60 % etabliert.

Die wärmetechnisch verbesserten Fensterrahmenprofile ermöglichen schon seit langem Gesamt-U-Werte von deutlich unter 1,0 W/(m2 K). Jedoch beschränkt sich die Energieeffizienz eines Fensters nicht auf die reinen Wärmeverluste, ausgedrückt durch den U-Wert, sondern wird bestimmt durch die Bilanzierung von Wärmeverlusten (Wärmedurchgang U und Luftdichtheit) und Wärmegewinne (g-Wert). Dies wird auch in einer Studie der europäischen Kommission im Rahmen von Analysen zur Ökodesign-Richtlinie dargestellt.

Zur Erinnerung: Im Rahmen der Wärmeschutzverordnung existierte bereits eine identische Bilanzierungskenngröße, der sog. äquivalente k-Wert – eine sinnvolle Kenngröße, die leider den Einzug in die EnEV nicht geschafft hat.

Neben der Darstellung der Energieeffizienz in Bilanzkennwerten wurde auch verstärkt die Einführung eines Energy-Labels für Fenster diskutiert. Freiwillige nationale Label schossen in Europa wie die Pilze aus dem Boden. Im Jahr 2015 waren es immerhin 13 unterschiedliche Systeme. Eine Vereinheitlichung wäre unter dem Motto „Eine Prüfung für Europa“ sinnvoll. Das ift Rosenheim hat hierzu einen Vorschlag für ein kostenloses Label erarbeitet: http://www.ift-service.de/energy/index.faces.

Neben der Energieeffizienz für den Winter (Heizfall) wird auf dem Label auch der Sommer (Kühlfall) dargestellt. Dies ist für einen europäischen Ansatz essenziell, da insbesondere in Südeuropa der Energieverbrauch für das Kühlen von Gebäuden deutlich höher sein kann als der für die Beheizung.

Durch die Steigerung der Energieeffizienz von Fenstern sowie anderer Komponenten der Gebäudehülle treten aber auch neue Fragestellungen auf. Zur Verringerung der Transmissionswärmeverluste über Außenwände wurden Ziegel mit hochwärmedämmenden Eigenschaften entwickelt. Die Reduzierung der Wärmeleitfähigkeit der Mauersteine erfolgt zum einen durch eine Erhöhung der Lochreihenzahl, geringere Stegdicken und geringere Scherbenrohdichten; zum anderen wurde die Wärmeleitfähigkeit durch Füllung der Lochungen mit Dämmstoffen reduziert. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Fenster bezüglich Wärmeschutz, Sicherheitstechnik und Bauakustik. Die Befestigung von Fenstern und Fenstertüren in hochwärmedämmendem Mauerwerk wird durch die gleichzeitige Verringerung der mechanischen Festigkeiten der Steine zunehmend schwieriger. Aktuell führt das ift Rosenheim hierzu zwei Forschungsvorhaben durch [13, 14].

Musterbeispiel eines Energy Labels
Bild 3: Energy-Label des ift Rosenheim

Zusammenfassung

Die Energieeinsparung hat die Entwicklung der Fenster sicher mit am stärksten geprägt. Von den Ursprüngen bis zu heutigen Dreifachverglasungen und verbesserten Rahmenprofilen sind die neuen Techniken dynamisch gewachsen. Verordnungen von Seiten des Gesetzgebers haben entsprechenden Druck aufgebaut. Eine reine U-Wert-Betrachtung ist allerdings zu kurzsichtig. Das multifunktionale Fenster darf nicht nur anhand seiner Energiegewinne und -verluste beurteilt werden, sondern ist im Kontext zu sehen mit dem Gebäude, der Haustechnik und dem gesamten Energiemanagement.

Literatur

  1. Verordnung über einen energiesparenden Wärmeschutz bei Gebäuden (Wärmeschutzverordnung – WärmeschutzV) vom 16. August 1994
  2. Verordnung über einen energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung – EnEV) vom 16. November 2001
  3. DIN V 4108-4:2002
    Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 4 Wärme- und feuchtschutztechnische Bemessungswerte.
    Beuth Verlag GmbH
  4. Häusler, T.; Pfluger, R.; Sack, N.:
    Hochwärmedämmende Fenstersysteme. Untersuchungen und Optimierungen im eingebauten Zustand (HIWIN).
    Teilprojekt A: Wärmetechnische Untersuchungen.
    Anhang zum Teilbericht A: Bauphysikalische Untersuchungen und Optimierung des Baukörperanschlusses.
    Teilprojekt B: Untersuchungen zur Glasbruchgefahr durch erhöhten Glaseinstand.
    Teilprojekt C: Untersuchungen zur allgemeinen Gebrauchstauglichkeit.
    ift Rosenheim, 2003
  5. EN ISO 10077-2
    Wärmetechnisches Verhalten von Fenstern, Türen und Abschlüssen – Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten – Teil 2: Numerisches Verfahren für Rahmen.
    Beuth Verlag GmbH
  6. Forschungsvorhaben Warm Edge, Abschlussbericht.
    ift Rosenheim, Juli 1999
  7. Psi-Wert Fenster – Qualitätskriterien für die Berechnung des längenbezogenen Wärmedurchgangskoeffi­zienten Ψ (Psi-Wert) des Übergangs Rahmen-Glasrand-Glas und Vergleich mit experimentellen Daten.
    Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin, April 2003.
    Fraunhofer IRB Verlag, 2003, ISBN 3-8167-6526-2
  8. Ermittlung der äquivalenten Wärmeleitfähigkeit von wärmetechnisch verbesserten Abstandhaltern.
    Forschungsbericht des ift Rosenheim, Dezember 2012, ISBN 978-3-86791-339-3
  9. ift-Richtlinie WA-08/3
    Wärmetechnisch verbesserte Abstandhalter – Teil 1 Ermittlung des repräsentativen Y-Wertes für Fensterrahmenprofile.
    ift Rosenheim, ISBN 978-3-38791-371-3
  10. ift-Richtlinie WA-17/1
    Wärmetechnisch verbesserte Abstandhalter – Teil 2 Ermittlung der äquivalenten Wärmeleitfähigkeit durch Messung.
    ift Rosenheim, ISBN 978-3-38791-324-9
  11. ift-Richtlinie WA-22/2
    Wärmetechnisch verbesserte Abstandhalter – Teil 3 Ermittlung des repräsentativen Y-Wertes für Fassadenprofile.
    ift Rosenheim, ISBN 978-3-86791-398-0
  12. Flachglasmarkt Deutschland.
    Produktion/Import/Export/Absatz 2013-2015 – Prognose 2016.
    Bundesverband Flachglas
  13. Erarbeitung eines Leitfadens zur Befestigung von Fenstern in hochwärmedämmendem Mauerwerk.
    Gefördert durch die Forschungsinitiative Zukunft Bau; Aktenzeichen SWD 10.08.18.7-13.27.
    ift Rosenheim
  14. Einbruchhemmung mit hochwärmedämmendem Ziegelmauerwerk – Analyse des Ist-Zustandes, Erarbeitung von Konstruktions- sowie Nachweiskriterien.
    Gefördert durch die Forschungsinitiative Zukunft Bau; Aktenzeichen SWD 10.08.18.7-16.14.
    ift Rosenheim

Gabriele Tengler

ift Rosenheim

Dipl.-Ing. (FH) Gabriele Tengler war stellvertretende Leiterin der Abteilung PR & Kommunikation und seit 1978 bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2021 als Mitarbeiterin am ift Rosenheim tätig. Viele Jahre war sie zuständig für die Technische Auskunft und organisierte über 20 Jahre auch die Rosenheimer Fenstertage. Über 40 Jahre betreute sie die Pressearbeit des ift, um das erarbeitete Wissen zielgruppenorientiert und mediengerecht aufzubereiten und der Branche zur Verfügung zu stellen.

Norbert Sack

ift Rosenheim

Dipl.-Phys. Norbert Sack ist Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung und seit 1995 am ift Rosenheim tätig. Er arbeitet in verschiedenen nationalen und internationalen Normenausschüssen und Sachverständigengremien mit und ist Lehrbeauftragter an der Hochschule Rosenheim.

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