Foto des Versuchs auf einer Baustelle auf Schlagregendichtheit

Fassaden – bizarre Formen, modernste Technik

Herausforderung Prüfnachweis

Lesezeit: 9 Minuten

Vorhangfassaden sollen in erster Linie ihrer Funktion als Gebäudehülle gewachsen sein. Die Anforderungen an Dichtigkeit, Wärmeschutz, Schallschutz usw. müssen erfüllt sein.

Trotzdem stellen natürlich vor allem Bauherrn und Architekten auch den optischen Eindruck einer Fassade in den Mittelpunkt der Planungen. Lässt man dem Architekten dann auch noch genügend Gestaltungsfreiraum, kommen oft eindrucksvolle Fassadenformen zur Ausführung.

Auch wenn bizarre, komplizierte Formen bei den ausführenden Firmen anfangs oft ein Stirnrunzeln herbeiführen, sind diese Fassaden für die Hersteller oft ein willkommenes Referenzobjekt. Je innovativer allerdings solche Fassaden sind und umso weniger, Erfahrungen mit der Konstruktion bestehen, desto mehr ist der Hersteller davon abhängig, dass die gewählte Fassadenkonstruktion auch gut durchdacht ist. Deshalb liegt in solchen Fällen  ein großer Teil der Verantwortung bei den Fachplanern und Entwicklungsingenieuren.

Sind Objektprüfungen wirklich notwendig?

Vor der Einführung eines neuen Produktes steht die Aufgabe einer Kosten-/Nutzenanalyse. Sind Produkte innovativ, bringen sie dem Kunden einen Mehrwert und stimmt der Preis, dann lassen sich diese i.d.R. auch gut verkaufen. Dies gilt für Kaffeemaschinen genauso wie für Fassaden. Jedoch mit dem Unterschied, dass Kaffeemaschinen nicht immer wieder die „Architektenhürde“ nehmen müssen. Deshalb gilt es bei der Entwicklung von neuen Fassadensystemen darauf zu achten, dass neben der technischen Weiterentwicklung auch optisch ansprechende Variantenvielfalt gegeben ist. Ein Punkt, an dem irgendwann jede Systemfassade schon allein wegen der Lagerkosten an ihre Grenzen stößt.

Nun unterliegt jede Systemfassade zwecks CE-Kennzeichnung der Pflicht zur Erstprüfung, im Fachgebrauch „Typprüfung“ genannt. Und natürlich ist der Systemhersteller bemüht, über einen (oder mehrere) für ein System repräsentativen Probekörper die gesamte Produktpalette abzudecken. Sobald der Architekt aber objektbezogene Systemabwandlungen wünscht, stellt sich die Frage, ob die geprüften Leistungseigenschaften durch diese Abwandlungen beeinflusst werden. Veränderte Profilkonturen, neue Beschläge bzw. Öffnungsvarianten oder Durchdringungen der Entwässerungsebenen aufgrund äußerer Lisenen sind nur ein paar der gravierendsten Veränderungen, welche Einfluss auf die Leistungseigenschaften haben können. Das gleiche gilt aber auch dann, wenn Fassaden zwar ausschließlich mit geprüften Systemkomponenten gebaut, aber in Geometrien überführt werden, die in der Typprüfung nicht berücksichtigt wurden. Dies können Schrägen sein, Überhänge, polygonale oder gebogene Bereiche.

Meist verlassen sich Architekten und Fachberater in solchen Fällen nicht auf vorliegende Prüfzeugnisse, sondern schreiben über das Leistungsverzeichnis eine objektbezogene Prüfung vor. Ist dies nicht der Fall, liegt es beim Hersteller zu entscheiden, ob die technischen Änderungen im System die mit dem Basissystem erreichten Klassifizierungen erreichen, oder ob eine Neuprüfung erforderlich wird. Diese Bewertung ist Voraussetzung zur pflichtgemäßen Ausstellung einer Leistungserklärung. Die Verantwortung zur Richtigkeit der Leistungserklärung liegt beim Hersteller.

Hilfestellung für die Hersteller geben hier die Produktnormen, die über die Regeln zur direkten Anwendung vorgeben, welche Änderungen eine Übertragung der geprüften Leistungseigenschaften zulassen. Die neue Produktnorm für Fassaden EN 13830:2015 (noch nicht harmonisiert) beschreibt dies in Anlage F, Tabelle F1. Alternativ bietet das ift-Rosenheim hier die Möglichkeit, über die Erstellung von gutachtlichen Stellungnahmen eine fallbezogene, unabhängige Aussage zu treffen.

Lässt sich keine eindeutige Aussage zur Übertragbarkeit der Leistungseigenschaften treffen, sollte eine Gebrauchstauglichkeitsprüfung durch eine akkreditierte und notifizierte Prüfstelle erfolgen. Nur so kann der sich daraus ergebende Prüfbericht zur CE-Kennzeichnung der Objektfassade herangezogen werden.

Prüfungen am Objekt

Bei Fassadenprüfungen nach EN 13830 wird zwar die Dichtigkeit an einem Prototyp geprüft, jedoch nicht die Dichtigkeit im eingebauten Projekt oder die Dichtigkeit der  Anschlüsse. Eine Möglichkeit, um ergänzend zur Typprüfung im Labor mehr Sicherheit am Objekt zu erlangen, bietet eine weitere Form der Fassadenprüfung, die direkt am Objekt durchgeführt werden kann.

Es stehen Normen zur Verfügung, die dazu einen reproduzierbaren Prüfablauf beschreiben. So kann z.B. die Überprüfung der Schlagregendichtheit für eine bereits montierte Fassade nach EN 13051 (Bild 1) erfolgen. Hierzu wird ein Wassersprühbalken vor die Fassade montiert. Die Beaufschlagung mit Wasser kann sowohl mit als auch ohne Druck-/Sogbelastung erfolgen.

Foto des Versuchs auf einer Baustelle auf Schlagregendichtheit
Bild 1: Schlagregendichtheit im Feldversuch nach EN 13051:2001 (Bild: ift Rosenheim)
Foto bei einem Schlauchtest
Bild 2: Schlauchtest nach AAMA 501.2-03, Quality Assurance and Diagnostic Water Leakage Field Check of Installed Store Fronts, Curtain Walls and Sloped Glazing Systems (Bild: ift Rosenheim)

Ein weiteres, ähnliches Verfahren bietet die AAMA 501.2-03 (Bild 2) mit dem Titel „Quality Assurance and Diagnostic Water Leakage Field Check of Installed Store Fronts, Curtain Walls and Sloped Glazing Systems“ (AAMA: American Architectural Manufacturers Association). Obwohl es sich um eine amerikanische Norm handelt, wird dieses Verfahren vor allem wegen der einfachen Handhabung auch gerne in Europa angewandt.

Fazit

Innovative und optisch beeindruckende Fassadenformen bedürfen hinsichtlich der Prüfung zur Gebrauchstauglichkeit sicherlich eines höheren Aufwandes. Wichtig ist, dieses Thema frühzeitig anzugehen und dass alle am Projekt beteiligten Parteien mögliche Schwachstellen offen kommunizieren. Erfahrungsgemäß bekommt man so die anfallenden Kosten für die Überprüfung der Gebrauchstauglichkeit der Fassade am besten in den Griff.

Kann der Hersteller die geforderten Leistungseigenschaften nicht eigenverantwortlich garantieren, besteht neben der Typprüfung eventuell noch die Möglichkeit zur Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme durch einen Gutachter oder ein Prüfinstitut.

Allerdings gilt: Je gravierender die technischen und objektbezogenen Abwandlungen einer Systemfassade sind, desto weniger besteht die Möglichkeit, um eine ordnungsgemäße Neuprüfung zur CE-Kennzeichnung herumzukommen.

Literatur

  1. EN 13830:2015
    Produktnorm für Fassade
    Beuth Verlag GmbH
  2. DIN EN 13051:2001
    Vorhangfassaden Schlagregendichtheit Feldversuch
    Beuth Verlag GmbH
  3. AAMA 501.2-03
    Quality Assurance and Diagnostic Water Leakage Field Check of Installed Store Fronts, Curtain Walls and Sloped Glazing Systems“

Rolf Schnitzler

ift Rosenheim

Dipl.-Ing. (FH) Rolf Schnitzler ist seit 2011 Mitarbeiter am ift Rosenheim. Er ist als Standortleiter des ift-West in Rheda-Wiedenbrück tätig und betreut von dort die Kunden in der Region West- und Norddeutschland sowie das ift-LAB in Arnsberg.

Außerdem vertritt er das ift Rosenheim in Normen- und Fachausschüssen.

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