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Brandschutz bei Vorhangfassaden

Im Spannungsfeld zwischen Produktnorm und Bauordnung

Lesezeit: 4 Minuten

Vorhangfassaden sind in der modernen Architektur weit verbreitet und bieten zahlreiche gestalterische Möglichkeiten. Als wandersetzende Bauteile müssen sie spezifische Anforde-rungen an die Brennbarkeit und den Brandschutz erfüllen, die sich aus der nationalen Bau-ordnung ergeben.

Vorhangfassaden sind nichttragende Sekundärstrukturen, die vor der eigentlichen Gebäudestruktur angebracht werden. Sie bestehen aus transparenten oder undurchsichtigen Materialien wie Glas, Metall, Holz oder Kunststoff und dienen sowohl der ästhetischen Gestaltung als auch dem Gebäudeabschluss zum Außenklima. Vorhangfassaden sind europäisch geregelt in der Produktnorm EN 13830, die Prüf- und Klassifizierungsverfahren zur Produktdeklaration festlegt. Unter anderem definiert die Norm Prüfverfahren für die Ermittlung des Feuerwiderstands, des Brandverhaltens und der Brandausbreitung sowie deren Klassifizierungen. Diese Norm in der Fassung von 2003 ist seit Dezember 2006 bauaufsichtlich eingeführt. Es gibt mehrere aktualisierte Fassungen der Produktnorm. Diese sind jedoch alle nicht bauaufsichtlich eingeführt und somit nicht heranziehbar. Daneben gibt es mehrere europäisch technische Bewertungsdokumente (EAD) für spezielle Konstruktionen, wie punktgehaltene oder geklebte Verglasungen, die alle in einer CE-Kennzeichnung der Produkte münden.

Die Anforderungen an Vorhangfassaden werden in Deutschland über die in den einzelnen Bundesländern geltenden Bauordnungen definiert. Die Bauordnungen regeln den Brandschutz von Außenwänden (§ 28 MBO) und Trennwänden (§ 29 MBO). Sie enthalten Vorschriften zur Brandausbreitung, zum Brandverhalten und zur Brennbarkeit der Konstruktionen. Für Flucht- und Rettungswege werden auch Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit der Bauteile gestellt. Um den Brandschutz bei Vorhangfassaden zu gewährleisten, müssen Materialien eingesetzt werden, deren Brandverhalten abhängig von der Gefährdung festgelegt wird. Das Risiko wird durch die Gebäudeklassen (GK 1-5) definiert, die von der Größe der Nutzungseinheiten und dem Niveau des obersten zum Aufenthalt von Personen bestimmten Geschosses über Grund definiert sind. Bei Vorhangfassaden wird das Risiko minimiert, indem ein geringer oder gar kein Beitrag zur Brandlast gegeben ist. An Geschossübergängen und Brandwänden ist der Brandüberschlag durch geeignete Maßnahmen zu begrenzen. Und auch die Brandweiterleitung innerhalb der Konstruktion von Vorhangfassaden ist ab GK 3 zu verhindern.

Die Grafik zeigt drei Querschnitte von Häusern im Bezug auf Entflammbarkeit.
Bild 1: Erleichterung zur Brennbarkeit von Fassadenmaterialien bei GK 1 – 3 (MBO §28 Abs. 5 – Außenwände) (Quelle: ift Rosenheim)
Die Grafik zeigt diesselben drei Häuser wie bei Bild 1.
Bild 2: Erleichterung zu Brandsperren (MBO §28 Abs. 5 – Außenwände) (Quelle: ift Rosenheim)

Bei Fassaden stellt § 28 Absatz 2 der Musterbauordnung (MBO) die Anforderung, dass diese aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen bzw. aus brennbaren Baustoffen, wenn diese als raumabschließendes Bauteil feuerhemmend sind. Von dieser Forderung ausgenommen sind Fenster und Türen, Fugendichtungen und brennbare Dämmstoffe in nicht brennbaren, geschlossenen Profilen der Außenwandkonstruktion. Bei diesen Produkten ist es ausreichend, wenn diese normal entflammbar sind. Weiter wird in Absatz 4 gefordert, dass in Außenwandkonstruktionen mit geschossübergreifenden Hol- und Lufträumen, wie z.B. vorgehängten, hinterlüfteten Fassaden (VHF), Vorkehrungen gegen die Brandausbreitung getroffen werden müssen. Bei VHF-Fassaden wird dies in der Regel durch Brandsperren realisiert, die aus Stahlblechen oder nichtbrennbaren Dämmstoffen mit einem Schmelzpunkt > 1000 °C bestehen. Unter diese Forderung fallen auch sogenannte Doppelfassaden. Hier sind ebenfalls Brandsperren erforderlich, oder es sind alternative Schutzmaßnahmen, wie z.B. eine Feuerlöschanlage, vorzusehen. Erleichterung gibt es für die Gebäudeklassen (GK) 1 bis 3. Dort sind normal entflammbare Materialien bei Außenwänden zulässig. Bei VHF-Fassaden sind bei diesen Gebäudeklassen keine Brandsperren erforderlich (Bild 1).

Besondere Bedeutung hat die Erleichterung der Brennbarkeit bis zur GK 3 für Holz-Metall-Vorhangfassaden. Da der Werkstoff Holz nach DIN EN 13501-1 der Baustoffklasse D-s2, d0 zugeordnet werden kann, ist bis zur GK 3 die Verwendung von Holz-Metall-Fassaden problemlos möglich. Werden in den GK 4 und 5 Holz-Metall-Fassaden verbaut, so ergibt sich eine materielle Abweichung von der Landesbauordnung (LBO) oder von der Sonderbauverordnung. Hier ist eine Zustimmung der untersten Bauaufsichtsbehörde erforderlich oder ein Gutachten eines Prüfsachverständigen für den vorbeugenden Brandschutz, um Holz-Metall-Fassaden in diesen Gebäudeklasse zu errichten.

Sonderregelungen gibt es für geschossüberbrückende Solaranlagen in der Fassade. Hier ist in § 28 Absatz 3 Satz 2 (MBO) geregelt, dass diese bis zur GK 3 normal entflammbar sein dürfen, wenn sie maximal ein Geschoss überbrücken. Darüberhinausgehende Solaranlagen müssen schwerentflammbar sein.

Zu sehen ist eine 2D-Grafik zum Thema Branduasbrietung sowie erklärenden Stichpunkte daneben.
Bild 3: Verhinderung der Brandausbreitung (Quelle: ift Rosenheim)

Außerdem wird auf die Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB) verwiesen, die in § 85a detaillierte Regelungen zu VHF-Fassaden enthält, bei deren Einhaltung normalentflammbare Werkstoffe mit Ausnahme der Dämmstoffe bei Außenwänden verwendet werden dürfen. Die Dämmstoffe müssen allerdings nichtbrennbar sein. Die VV TB beinhaltet auch Regelungen zu Abschlüssen in Trenn- und Außenwänden und definiert Anforderungen an Wände. Die Anforderungen dienen der Brandvermeidung und dem Schutz von Flucht- und Rettungswegen, die die Sicherheit von Personen im Brandfall gewährleisten. Die Anforderungen zur Feuerwiderstandsfähigkeit einschließlich Brandverhalten bei Verwendung von Bauprodukten nach harmonisierten technischen Spezifikationen für nichttragende Wände, nichttragende Trennwände oder Wände notwendiger Flure und Wände offener Gänge werden in Tabelle 4.3.2 aufgeführt, nichttragende Außenwände (mit Raumabschluss) werden in Tabelle 4.3.3 aufgeführt.

Zusammenfassung

Brandschutz bei Vorhangfassaden ist ein wichtiges Thema, das sowohl durch Produktnormen als auch durch die Bauordnungen geregelt wird. Die Kombination aus brandschutztechnisch geprüften Materialien und konstruktivem Brandschutz, teilweise ergänzt durch technische Vorkehrungen wie Brandmelde- und Löschanlagen, gewährleistet die Nutzungssicherheit von Gebäuden. Die Brandopferzahlen belegen den Erfolg der Brandprävention in Deutschland. Dank strenger Bauvorschriften und -standards sowie regelmäßiger Überprüfungen und Zertifizierungen von Gebäuden konnte die Brandgefahr deutlich reduziert werden. Insgesamt haben diese Maßnahmen zu einem Rückgang der Brandopferzahlen geführt und das Schadensausmaß bei Bränden verringert. Dennoch bleibt die kontinuierliche Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Brandprävention eine wichtige Herausforderung, um weitere Erfolge in der Zukunft zu erzielen.

Prof. Jörn P. Lass

ift Rosenheim

Prof. Jörn P. Lass ist der Institutsleiter des ift Rosenheim und seit über 39 Jahren in der Fenster- und Fassadenbranche tätig. Als gelernter Glaser und Fensterbauer absolvierte er ein Studium der Holztechnik und war in leitenden Funktionen bei einem Systemgeber, Fenster- und Fassadenherstellern sowie 14 Jahre im ift Rosenheim in den Bereichen Forschung, Prüfung, Güteüberwachung, Normung und Zertifizierung tätig. Die letzten sechs Jahre leitete er als Professor an der Technischen Hochschule Rosenheim die Studienrichtung „Gebäudehülle“ und ist seit Januar 2020 als Institutsleiter wieder im ift Rosenheim.

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