Das Foto zeigt mehrere Hochhäuser mit Glasfront.

Geklebte Glaskonstruktionen nach ETAG 002 und nach nationalem Verfahren

Die ETAG ist da und die ABZ geht – wird nun alles anders und wenn ja, auch einfacher?

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Wie wird es denn bei geklebten Glaskonstruktionen nun für den Fassadenhersteller laufen? ABZ vs. ETAG 002 – Fallen uns Nutzern nun die Fassaden auf den Kopf und dem Fassadenhersteller auf die Füße?! Die ETAG 002 bringt gravierende Änderungen für alle Beteiligten mit sich. Welche Änderungen ergeben sich im Vergleich zu bisherigen nationalen Verfahren? Wer ist nun für was verantwortlich? Diese Fragestellungen müssen von den Systemgebern und den Herstellern beantwortet werden.

Ausgangssituation

Zwischen 1999 und 2003 wurden die Teile eins bis drei der „Leitlinie für die europäische technische Zulassung für geklebte Glaskonstruktionen“ (ETAG 002) im Bundesanzeiger veröffentlicht; sie finden sich in der Bauregelliste B Teil 1 unter der lfd. Nr. 3.4.4.13 wieder. Damit sind die Vorgaben der ETAG 002 im deutschen Baurecht verankert und durch die Unternehmen umzusetzen.

Im Unterschied zum bisherigen nationalen Verfahren verändern sich daraus die Aufgabenstellungen für die beteiligten Hersteller und Lieferanten wesentlich. Konzentrierten sich bisher die Überwachungsmaßnahmen auf das Unternehmen, welches die Klebung selbst ausführte, steht nun der Hersteller der Fassade im Mittelpunkt und trägt somit die Verantwortung für Einhaltung der Regeln und Anforderungen.

Gänzlich neu ist, dass der Hersteller des Klebstoffes für die geklebte Glaskonstruktion nach der „Leitlinie für die europäische technische Zulassung für geklebte Glaskonstruktionen“ eine eigene ETA (europäische technische Zulassung) erwirken muss. Ohne eine solche Zulassung darf der Dichtstoff nicht verwendet werden.

Im Folgenden sind die einzelnen Beteiligten, ihre Aufgaben und das Verfahren beschrieben.

Beteiligte Unternehmen

Nachstehend sind die üblicherweise beteiligten Unternehmen und Stellen sowie Ihre Aufgaben zusammengefasst.

Klebstoffhersteller

Der Klebstoffhersteller ist im Rahmen der ETAG 002 als Hersteller identifiziert, welcher einen wesentlichen Bestandteil der geklebten Glaskonstruktion zur Verfügung stellt. Der Klebstoffhersteller muss in dem Verfahren eine eigene „europäische technische Zulassung“ (ETA) für seinen Klebstoff bei einer europäischen technischen Zulassungsstelle (EOTA-Stelle) erwirken. Diese ETA ist die „Eintrittskarte“ des Klebstoffs für die Verwendung in geklebten Glaskonstruktionen nach ETAG 002.

Neben seiner Tätigkeit als Lieferant des Klebstoffes muss der Klebstoffhersteller dem Fassadenhersteller alle notwendigen technischen Unterlagen, Vorgaben und Verarbeitungshinweise übergeben und entsprechende Schulungsmaßnahmen anbieten. Daneben sind dem Fassadenhersteller ebenfalls Vorgaben hinsichtlich der in der ETAG definierten werkseigenen Produktionskontrolle bezogen auf den Klebstoff zur Verfügung zu stellen.

Systemgeber Fassade

Der Systemgeber übernimmt in der Regel die Planungs- und Entwicklungstätigkeiten für das gesamte Fassadensystem. Im Zuge dieser Tätigkeiten wird für das Fassadensystem eine eigene europäische technische Zulassung erforderlich. Diese wird häufig durch den Systemgeber des Fassadensystems bei einer europäischen technischen Zulassungsstelle erwirkt.

Hinsichtlich der technischen Dokumentation, Schulungsmaßnahmen und Vorgaben für die werkseigene Produktionskontrolle bezogen auf das Fassadensystem gelten auch die unter 2.1 genannten Vorgaben. Weiterhin können spezifische Anforderungen und Vorgaben durch die jeweilige EOTA-Zulassungsstelle in der jeweiligen ETA für die geklebte Glaskonstruktion beschrieben und verpflichtend vorgegeben werden. Diese Vorgaben können seitens der EOTA-Zulassungsstelle bis zur Verpflichtung des Systemgebers gehen, die Ausführungsunterlagen des Fassadenherstellers zu prüfen und freizugeben.

Fassadenhersteller

Der Fassadenhersteller hat die volle Verantwortung für die Herstellung und die Konformität der gesamten Konstruktion und Ausführung der geklebten Fassadenkonstruktion. Er bleibt auch in der Verantwortung, wenn für die eigentliche Ausführung der Verklebearbeiten ein Subunternehmen durch ihn beauftragt wird (= klebende Stelle). Dies bedeutet, dass der Fassadenhersteller alle notwendigen technischen Informationen, die Vorgaben für die werkseigene Produktionskontrolle und die Qualifikationsanforderungen weiterzugeben und für die Umsetzung aller Maßnahmen durch den Subauftragnehmer Sorge zu tragen hat. Weiterhin muss der Fassadenhersteller die ETA dahin gehend inhaltlich prüfen, welche weitergehenden Verpflichtungen beschrieben sind. Wie oben erwähnt kann dies bis zur Vorlage der Ausführungsunterlagen beim Inhaber der ETA gehen.

Klebende Stelle

Dieses Unternehmen führt im Auftrag des Fassadenherstellers und nach seinen Vorgaben die Verklebung aus. Dies kann in eigenen Räumen des Unternehmens, in den Räumen des Fassadenherstellers oder sogar auf der Baustelle geschehen.

Europäische technische Zulassungsstelle

In jedem Mitgliedsstaat ist mindestens eine Institution vorhanden, welche die vorgenannten jeweiligen ETAs auf Basis von Prüfnachweisen von notifizierten Laboren erstellt. In Deutschland ist diese Institution das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) in Berlin. Die Prüfungen werden in der Regel vom jeweiligen späteren Inhaber der ETA beauftragt. Die erstellten ETAs sind in jedem Mitgliedsstaat der europäischen Union gültig und bilden somit die Grundlage für die Konformität der geklebten Glaskonstruktion innerhalb der europäischen Union. Der Hersteller kann nur mit einer ETA ein EG-Konformitätszertifikat erhalten und somit die Konformität der geklebten Glaskonstruktion innerhalb der Mitgliedsstaaten der europäischen Union erklären.

Notifizierte Stelle

Unter dem Begriff „notifizierte Stelle“ aus der ETAG 002 wird eine notifizierte Überwachungs- und Zertifizierungsstelle verstanden. Diese Stelle führt auf Basis eines Vertrages mit dem Fassadenhersteller alle notwendigen Überwachungs- und Zertifizierungstätigkeiten aus und erteilt bei positiven Ergebnissen ein EG-Konformitätszertifikat für den Fassadenhersteller; damit bestätigt sie die Konformität der geklebten Glasfassade für den Fassadenhersteller. Die Überwachungs- und Zertifizierungsstelle des ift Rosenheim ist die notifizierte Stelle in Deutschland. Erst mit der Erteilung dieses Zertifikates kann die CE-Kennzeichnung der geklebten Glaskonstruktion durch den Fassadenhersteller erfolgen und in Verkehrgebracht werden.

Das Verfahren

Wie bereits beschrieben sind einige „Spieler“ an dem gesamten Verfahren von der ETA bis zur fertig eingebauten geklebten Glaskonstruktion beteiligt. Wie stellt sich nun dies aus der Sicht eines Fassadenherstellers dar?

Es wird vorausgesetzt, dass ein entsprechender Auftrag für eine bekannte Konstruktion beim Fassadenhersteller ohne objektbezogene Änderungen vorliegt.

Schritt 1 – Dokumentation und Nachweise

Der Fassadenhersteller setzt sich mit dem Systemgeber der geklebten Glaskonstruktion in Verbindung und stattet sich mit allen notwendigen technischen Unterlagen, Verarbeitungsrichtlinien und Vorgaben für die werkseigene Produktionskontrolle aus. Weiterhin ist die ETA der geklebten Glaskonstruktion mindestens als Kopie beim Fassadenhersteller zu hinterlegen. Oftmals werden diese Verfahren in einem Lizenzvertrag zwischen Systemgeber und Fassadenhersteller geregelt. Diese Vorgehensweise ist auch zwingend notwendig, da dieses Verfahren und die zugrunde liegenden Bedingungen dokumentiert sein müssen, und die Nutzung der ETA des Systemgebers durch den Fassadenhersteller ausdrücklich geregelt sein muss. Bezogen auf die jeweilige grundsätzliche Ausführung der geklebten Glaskonstruktion muss der Systemgeber entsprechende Ausführungsunterlagen bzw. -zeichnungen zur Verfügung stellen bzw. die Unterlagen des Fassadenherstellers freigeben.

Nicht zu vergessen sind auch die ggf. notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen seitens des Systemgebers, insbesondere wenn die Konstruktion erstmals durch den Fassadenhersteller verarbeitet wird.

Wie oben beschrieben verfährt der Fassadenhersteller auch mit dem Klebstoffhersteller.

Schritt 2 – der Vertrag

Der Fassadenhersteller setzt sich nun mit einer notifizierten Stelle in Verbindung und schließt einen Überwachungs- und Zertifizierungsvertrag mit dieser Stelle ab. Basis für diesen Vertrag bilden die ETAG 002, die vom Fassadenhersteller vorgelegten ETAs des Systemgebers der geklebten  Glaskonstruktion und des Klebstoffherstellers und die getroffenen Vereinbarungen zwischen dem Systemgeber und dem Fassadenhersteller.

Schritt 3 – die klebende Stelle

Wenn der Fassadenhersteller die Klebung nicht selbst ausführt, muss er sich nun ein Unternehmen suchen, das diese Arbeiten im Subauftrag für ihn ausführt. Dies sind oftmals der Lieferant des Glases oder mobile Unternehmen, welche auf diese Arbeiten spezialisiert sind. Diese mobilen Unternehmen kommen mit dem gesamten notwendigen Equipment zum Fassadenhersteller und führen die Klebearbeiten vor Ort aus.

In jedem Falle ist der Fassadenhersteller für diese Tätigkeiten im gleichen Maße verantwortlich, wie er z. B. für die Ausführung der Tragkonstruktion verantwortlich ist. Dies kann bis zur Überprüfung der Tätigkeiten und der werkseigenen Produktionskontrolle der klebenden Stelle durch den Fassadenhersteller führen. Die Klebung wird weiterhin durch die notifizierteStelle fremdüberwacht.

Schritt 4 – die Überwachung

Die notifizierte Stelle führt nun auf Basis der ETAs, der technischen Dokumentation und der ETAG 002 die Fremdüberwachung beim Fassadenhersteller durch. Wichtig ist dabei, dass auch nationale Vorgaben durch den Fassadenhersteller berücksichtigt werden müssen. Dies ist in Deutschland in den jeweiligen Landesbauordnungen festgelegt (z. B. Verwendung von ESG-H nach Bauregelliste ab 4 Meter Einbauhöhe). Im Rahmen dieser Überwachung muss auch die Ausführung der Klebung selbst durch die notifizierte Stelle bewertet werden. Wenn dies nicht in der Produktionsstätte des Fassadenherstellers erfolgen kann, muss die notifizierte Stelle zusätzlich am Standort der klebenden Stelle einen weiteren Überwachungsbesuch durchführen. Zusätzlich werden Laborproben durch die notifizierte Stelle entnommen und einer entsprechenden Prüfung in einem autorisierten Labor unterzogen. Art und Umfang regelt die jeweilige Zulassung im Abschnitt 3.

Der Fassadenhersteller erhält über diese Tätigkeiten der notifizierten Stelle einen Bericht.

Schritt 5 – die Zertifizierung

Wenn sowohl die Überwachung vor Ort als auch die Ergebnisse der Laborprüfung durch die notifizierte Stelle positiv bewertet sind, dann kann das EG-Konformitätszertifikat durch die notifizierte Stelle für den Fassadenhersteller erstellt werden. Nun kann die CE-Kennzeichnung der geklebten Glaskonstruktion durch den Fassadenhersteller erfolgen. Dieses Zertifikat gilt nun auch für alle folgenden Aufträge, die der Fassadenhersteller für die in den Geltungsbereich der betreffenden ETA fallenden geklebten Glaskonstruktionen des Systemgebers ausführt – vorausgesetzt, die Fremdüberwachung wird entsprechend dem bestehenden Überwachungs- und Zertifizierungsvertrag aufrechterhalten.

Schritt 6 – Montage

Die Montage der geklebten Glaskonstruktion ist nicht durch die ETAG 002 geregelt und fällt somit nicht in den Geltungsbereich der Zertifizierung. Für die Montage gelten die jeweils nationalen Regeln und Richtlinien. In Deutschland ist dies hinsichtlich der Planung und Ausführung in den jeweiligen Landesbauordnungen festgelegt. Detailregelungen der Ausführung der Montage sind beispielsweise im „Leitfaden zur Montage“ der RAL Gütegemeinschaft Fenster und Haustüren e.V. als allgemeinverbindliche Richtlinie beschrieben.

Das Ü-Zeichen für geklebte Glaskonstruktionen

Das Verfahren für die Ü-Kennzeichnung unterscheidet sich von dem beschriebenen Verfahren nach ETAG. Das Ü-Zeichen steht für ein nationales Verfahren in Deutschland.

Im Folgenden wird auf die wesentlichen Unterschiede im Vergleich zu den Inhalten des Verfahrens nach ETAG 002 eingegangen.

Dokumentation und Nachweise

Grundlage bildet eine sogenannte „Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung“ (ABZ) oder für Sonder- oder objektbezogene Konstruktionen eine „Zustimmung im Einzelfall“ (ZIE). Die „ABZ“ wird in der Regel vom Institut für Bautechnik für den Systemgeber der geklebten Glaskonstruktion ausgestellt. Die „ZIE“ wird wiederum in der Regel durch die obersten Baubehörden der Länder erteilt.

Für beide Arten von Zulassungen gilt, dass sie sich im Wesentlichen auf die Aus- und Durchführung der Verklebung und die davon unmittelbar betroffenen Substrate beschränken. Weiterhin werden Vorgaben hinsichtlich von maximalen Elementgrößen, Glasarten und –beschichtungen gemacht. Ebenfalls enthalten sind die Regeln für die Eigen- und Fremdüberwachung sowie die Ü-Kennzeichnung der geklebten Elemente.

Diese Zulassungen zielen auf die klebenden Stellen ab, da der Focus auf die Verklebung gerichtet ist. Die klebende Stelle erhält auch im Unterschied zum Verfahren nach ETAG 002 das Ü-Zeichen für die geklebte Glaskonstruktion.

Weiterhin wird im Unterschied zur ETAG 002 keine Klassifizierung der Gesamtfassadenkonstruktion in einer „ABZ“ oder „ZIE“ geregelt. Da aber in Deutschland durch rechtliche Festlegungen Anforderungen gestellt werden (z. B. Energieeinsparverordnung), sind weitere Nachweise für die Gesamtkonstruktion erforderlich. Daher ist für die Verwendung einer geklebten Glaskonstruktion innerhalb einer Vorhangfassade das Ü-Zeichen auf Basis einer „ABZ“/„ZIE“ nicht ausreichend, um die erforderliche Feststellung der Konformität der gesamten Fassadenkonstruktion durch den Fassadenhersteller zu ermöglichen.

Die Überwachung/Zertifizierung

Die notwendigen Verfahren hinsichtlich der Fremdüberwachung und der Zertifizierung sind vergleichbar zu den Verfahren nach ETAG 002. Allerdings steht hier die klebende Stelle als Vertragspartner der notifizierten Stelle im Focus des Interesses und nicht der Fassadenhersteller.

Rolle und Aufgaben des Fassadenherstellers

Der Fassadenhersteller hat in diesem Verfahren keine direkten Aufgaben, wenn er die Verklebung nicht selbst ausführt. Allerdings kann er mit dem Ü-Zeichen alleine, wie bereits erwähnt, die Konformität der „Gesamtkonstruktion“ Vorhangfassade mit den europäischen und in Deutschland baurechtlich umgesetzten Vorgaben und Kennzeichnungspflichten (sprich: CE-Kennzeichnung)nicht erfüllen.

Daher sind zusätzliche Prüfungen, Tests und Berechnungen nach den geltenden Vorgaben für die Vorhangfassade mit geklebten Glaskonstruktionen notwendig. Diese sind in der Produktnorm EN 13830 für Fassadenkonstruktionen beschrieben, welche nicht in den Geltungsbereich der ETAG 002 fällt. In der ETAG 002 sind in Anlehnung an die Inhalte der EN 13830 entsprechende Prüfverfahren und -inhalte beschrieben.

Fazit

Das Ü-Zeichen ist also selbst in Deutschland nur die „halbe Miete“ und in den anderen Mitgliedsstaaten gänzlich unbrauchbar als Nachweisverfahren bzw. als Zeichen für die Konformität der gesamten Konstruktion. Daher sollten alle Beteiligten die europäischen Regeln anwenden, um ein einheitliches Verfahren in Europa zu etablieren und zu festigen. Damit reduziert sich der Aufwand für jeden und die Verwirrung durch nationale Regeln und „Spielarten“ verschwindet.

David Hepp

ift Rosenheim

David Hepp ist seit 1992 Mitarbeiter am ift Rosenheim. Er ist stellvertretender Leiter der Überwachungs- und Inspektionsstelle der Produktzertifizierungsstelle der ift Rosenheim GmbH. Herr Hepp ist in dieser Funktion verantwortlich für die ift-Auditoren und steht auch in diesem Zusammenhang in engem Kontakt mit den ift-zertifizierten Herstellern, wenn es um technische Fragen und um Ergebnisse aus den Audits geht. Daneben ist er auch der Ansprechpartner für die RAL-Gütegemeinschaften und Firmenverbände bezüglich technischer und organisatorischen Fragestellungen und betreut Verarbeiterseminare.