Das Foto zeigt mehrere Sonnenschutzelemente auf der fensterbau/frontale 2004.

Wärme-, Feuchte-, Sonnen- und Brandschutz bei Pfosten-Riegel- Fassaden

Lesezeit: 12 Minuten

Großzügige Glasfassaden sind die Königsdisziplin des modernen Bauens geworden.

In Europa besteht der Anspruch für Architekten und Fachplaner darin, ein angenehmes Nutzungsklima auch ohne energiefressende Klimaanlagen zu gewährleisten. Deshalb kommt den bauphysikalischen Belangen bei der Planung und Realisierung der Fassaden eine zentrale Bedeutung zu. Bei kommunalen und gewerblichen Bauten kommen dann noch hohe Brandschutzanforderungen hinzu. Nur wenn Planer, ausführende Firmen, und in speziellen Fällen Prüfinstitute, von Beginn an kompetent und kooperativ zusammen arbeiten, können Fassaden und Gebäude diesen Anspruch erfüllen.

Zu sehen ist eine 3D Grafik, die mit verschiedenen SYmbolen, wie beispielsweise Flammen, die Anforderungen an Fassaden zeigt.
Anforderungen an Fassaden

Anforderungen

In den technischen Regelwerken

  • DIN 4108 „Wärme-, Feuchteschutz und Energieeinsparung im Hochbau“,
  • Energieeinsparverordnung EnEV

werden Anforderungen an die Ausführung von Bauteilen formuliert, um den Wärme-, Energie und Feuchtehaushalt des Bauwerks zu regeln. Grundsätze, die aus diesen Regelwerken abgeleitet werden können sind:

  • Mindestwärmeschutzanforderungen einzelner Bauteile,
  • sommerlicher Wärmeschutz („Sonnenschutz“),
  • (weitgehend) luftdichte Ausführung der Gebäudehülle,
  • Vermeidung von Wärmebrücken,
  • Vermeidung von Schimmelpilzbildung.

Wärme- und Feuchteschutz

Zur Vermeidung von Tauwasser- und Schimmelpilzbildung werden in der aktuellen Fassung von DIN 4108-2 auch Mindestanforderungen an den Wärmeschutz im Bereich von Wärmebrücken gestellt, die auch für den Bereich der Sanierung gelten. Um das Risiko der Schimmelpilzbildung zu verringern, sind die folgende Anforderungen einzuhalten:

  • Ecken von Außenbauteilen nach DIN 4108-2, die den aufgeführten Mindestwärmeschutz erfüllen, bedürfen keines weiteren Nachweises.
  • Soweit die Anschlussausbildungen entsprechend dem Beiblatt 2 zu DIN 4108 ausgeführt werden, ist ein gesonderter Nachweis nicht gefordert;
  • für alle davon abweichenden Konstruktionen muss der Mindestwärmeschutz nachgewiesen werden.

Zum Nachweis der Mindestanforderung wurde der Temperaturfaktur fRsi eingeführt, der nach DIN EN ISO 10211-2 ermittelt wird. Der Index Rsi steht für den der Berechnung zugrunde gelegten raumseitigen Wärmeübergangswiderstand Rsi.

Der Temperaturfaktor ergibt sich zu:

 

Dabei ist:

qsi    = die raumseitige Oberflächentemperatur

qi     = die Innenlufttemperatur

qe    = die Außenlufttemperatur

Das Diagramm ist auf den Achsen beschriftet mit "rel. Innenluft-Feuchte in %" und "Minimale Innenoberflächentemperatur in Grad Celsius". Die beiden Kurven geben die Tautemperatur und die Schimmellpilztemperatur an.
Taupunkttemperatur und schimmelpilzkritische Temperatur

Der Temperaturfaktor muss an der ungünstigsten Stelle des Baukörperanschlusses die Mindestanforderung fRsi,min ≥ 0,70 erfüllen, d. h., unter den o.g. Randbedingungen muss die Oberflächentemperatur qsi,min ³ 12,6 °C betragen. Diese, von der bisher bekannten Taupunkttemperatur von 9,3 °C (für ein Raumklima von 20 °C / 50 % r. F.) abweichende Temperatur berücksichtigt die Erkenntnis, dass die Voraussetzungen für Schimmelpilzbildung durch Kapillarkondensation bereits bei länger anhaltenden relativen Luftfeuchten im oberflächennahen Bereich von ca. 80 % in Verbindung mit einem geeigneten Nährboden gegeben sind.

Die Ermittlung der Oberflächentemperatur kann durch eine  Isothermenberechnung oder Messungen erfolgen.

 

    Forderung erfüllt

Zu sehen ist eine beschriftete Grafik zum Thema Wärmeübergangswiederstand.
Wärmeübergangswiderstände an raum- und außenseitigen
Oberflächen und Ermittlung des Temperaturfaktors fRsi
Zu sehen zwei bunte Querschnitte, die zwei verschieden Fälle der thermischen Trennung an Fensterbänken zeigen.
Temperaturfaktor f bei unterschiedlichen Brüstungsanschlüssen

Komplexe Formen wie z. B. Fassadenkonstruktionen und deren Anschlüsse können mit den einfachen Rechenmethoden von flächigen Bauteilen wie z. B. monolithische Außenwände nicht beschrieben werden. Die Berechnung der Isothermen mit geeigneten Computerprogrammen ist bislang der einfachste Weg die wärmetechnischen Eigenschaften zu überprüfen. In Zukunft wird diesen Berechnungen noch wesentlich größere Bedeutung zukommen.

Da in Beiblatt 2 keine Fassadenkonstruktion abgebildet sind, bedeutet dies, dass für alle Anschlusssituationen der geplanten Fassade eine Isothermenberechnung und damit der Nachweis des Temperaturfaktors fRsi erforderlich wird. Die Anforderungen des Temperaturfaktors fRsi erfordern eine wärmetechnische Verbesserung vieler gängiger Baukörperanschlüsse. Hierbei dürfen selbstvertändlich die anderen Belange, beispielsweise Statik oder die Ableitung der Feuchtigkeit, nicht außer Acht gelassen werden.

Durch eine konsequente (geometrische und stoffliche) thermische Trennung und dem Einsatz geeigneter Materialien können Problembereiche optimiert werden. Die U-Werte der Profile und Ausfachungen, die auch für den Nachweis des Temperaturfaktors f erforderlich sind, können nach drei Methoden ermittelt werden:

  • Tabellenwert aus Normen
  • Berechnung durch anerkannte und notifizierte Prüfstelle
  • Messung durch anerkannte und notifizierte Prüfstelle

Bei der Berechnung der Profilsysteme mit Pressleisten ergeben sich lokale wärmetechnische Schwachstelle durch die Verschraubung der Pressleiste in den Schraubkanal des Profils. Der Einfluss der Verschraubung auf den Wärmedurchgangskoeffizienten der Pfosten-/Riegelprofile kann durch eine Messung nach EN 12412-2 ermittelt werden und auf den nach EN ISO 10077-2 (zweidimensionale Berechnung) berechneten Wert addiert werden. Zur wärmetechnischen Beurteilung von Fassadenprofilen hat das ift eine entsprechende Richtlinie erarbeitet, die auch in der Überarbeitung von DIN V 4108-4 als Möglichkeit zur Bestimmung der U-Werte zitiert ist.

Neben dem Baukörperanschluss können Tauwasser- und Schimmelpilzbildung bei Fassadenkonstruktionen durch Undichtheiten, bei denen die Raumluft nach außen strömt und an Stellen mit niedrigen Oberflächentemperaturen, wie z.B. dem Glasrandbereich, auftreten.. Die Tauwassersituation am Glasrand ist durch verschiedene Faktoren bestimmt:

  • Das Material der Grundkonstruktion,
  • die Ausbildung des Randverbundes der Verglasung,
  • die Strömung der Raumluft in diesem Bereich,
  • spezielle Belastungssituationen (z. B. Hallenbad) und klimatische Randbedingungen.

Vergleicht man Fassaden mit Grundkonstruktionen aus Stahl, Aluminium und Holz ist festzustellen, dass der Isothermenverlauf ähnlich ist. Durch die besseren Dämmeigenschaften des Holzes wird dem Verglasungsbereich in der Regel weniger Wärme zugeführt und somit die Oberflächentemperatur im Bereich des Glasrandes reduziert Hier ist zu erkennen dass eine Verbesserung des reinen U-Wertes unter Umständen zu einer höheren Wahrscheinlichkeit des Tauwasserausfalls führen kann.

Zu sehen sind sind drei Grafiken, die den Isothermverlauf bei den Materialien Stahl, Aluminium und Holz zeigen.
Isothermenverlauf bei unterschiedlichen Materialien
Zu sehen sind fünf Grafiken mit Pfeilen, die die Luftströmungen im Verglasungsbereich zeigen.
Luftströmungen und Erwärmung des Verglasungsbereiches

Durch sogenannte „Warm-Edge“-Systeme, also Abstandshalterrahmen mit verbesserter Wärmedämmung kann der Scheibenrand in Bezug auf die Tauwasserbildung verbessert werden. Eine Tauwasserfreiheit bei allen Einsatzbereichen und Randbedingungen kann bislang nicht garantiert werden.

Die Luftströmung am unteren Scheibenrand wird erheblich von der Geometrie des Riegels bestimmt. Durch eine Verminderung des Warmluftstromes kühlen hier die raumseitigen Oberflächen deutlich stärker ab. Mit Heizbändern kann zur Sanierung bei übermäßiger Tauwasserbildung eine gezielte Erwärmung des betroffenen Bereiches vorgenommen werden. Dabei ist aber eine zu starke Erwärmung auszuschließen, um Glasbrüche zu vermeiden.

Grundsätze zur Anschlussausbildung

Bauteile, die in Außenwandsysteme integriert sind, werden verschiedenen bauphysikalischen Einflüssen ausgesetzt. Das Ebenenmodell zeigt anschaulich die Aufteilung der bauphysikalischen Funktionen gemäß den unterschiedlichen Anforderungen.

Zu sehen ist eine mit mehreren Symbolen markierte Grafik, die eine Pfosten-Riegel-Fassade zeigt.
Ebenen und Funktionsbereich als Modell zur Beurteilung einer
Einbausituation bei Pfosten-Riegel-Fassaden
Das 3-D Modell zeigt die unterschiedlichen Ebenen bei Fassadenklonstruktionen.
Ebenenmodell bei Fassadenkonstruktion

Die Aufgliederung der Ebene 3 –  Wetterschutz ist den bewährten Grundelementen der Dacheindeckung nachempfunden. Die konstruktive Umsetzung der Ebenen bei der Einbausituation erfordert eine detaillierte Planung und Abstimmung mit den angrenzenden Gewerken.

Anschlusssituationen und Einwirkungen

Bei der Anbindung von Fassaden an Gebäude müssen die speziellen Eigenschaften, Aufgaben und Anforderungen der Fassadenkonstruktion mit dem Baukörper abgeglichen werden. Folgende Faktoren müssen für einen gebrauchstauglichen Baukörperanschluss berücksichtigt werden:

Allgemeine Anforderungen

  • die Bauphysik (Wärmeschutz, Feuchteschutz und Schallschutz)
  • die Statik (Lastabtragung, Verformungen)
  • die Beanspruchung (Abmessungen, Bewitterung)
  • Technische Aspekte (Werkstoffe, Bauablauf, Toleranzen)
  • Gesetzliche Auflagen (Brandschutzanforderungen, Schwellenhöhen)
  • Gestalterische, ökologische und finanzielle Aspekte

Bauliche Gegebenheiten

  • große Abmessungen und Toleranzen des Baukörpers und der Fassade
  • verschiedene Anschlusssituationen an einem Bauvorhaben (Fußpunkt, Decken-, Wand- und Trennwandanschlüsse, Anschluss an die Dachkonstruktion ...)
  • erhöhte Anforderungen an den Schall- und Brandschutz
  • unterschiedlich starke Einwirkungen sowohl von der Raum- als auch von der Außenseite
  • Zwänge aus dem Bauablauf
  • spezielle Konstruktionen, die projektbezogen einmalig angewendet werden

Bauliche Belastungen

  • Feuchtigkeit von innen
  • Regen und Oberflächenwasser
  • Bewegung von Fassade und Baukörper
  • zum Teil von Schmelz- und Spritzwasser
  • Brandlasten/Rauch

Sommerlicher Wärmeschutz

Beim Einsatz großflächiger Verglasungen im Fassadenbereich mit entsprechender Orientierung müssen erhebliche Energiemengen eingesetzt werden, um die Gebäude zu kühlen.

Unter bauklimatischen Gesichtspunkten ist der Hauptzweck des sommerlichen Wärmeschutzes der Schutz vor Überhitzung des Gebäudes. Das Temperaturverhalten des Gebäudes wird von vielen Faktoren beeinflusst. In DIN 4108-2 wird eine Empfehlung für den sommerlichen Wärmeschutz für Gebäude ausgesprochen. Ebenso wird in der Energieeinsparverordnung (EnEV) der Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes ab einem Glasflächenanteil von 30 % verbindlich vorgeschrieben. Durch die Novellierung der europäischen Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden wird dem Energieeinsatz zur Kühlung von Gebäuden in naher Zukunft noch mehr Bedeutung beigemessen. Eine entsprechende Novellierung der EnEV ist für Anfang 2006 zu erwarten.

Durch den Einsatz von Sonnenschutz-Systemen kann der Sonnenenergie-Eintrag reduziert werden. Zusätzlich sind drei Anordnungsebenen für Sonnenschutzmaßnahmen möglich:

  • Außen vor der Verglasungsebene. Im Regelfall ist eine ausreichende Belüftung sichergestellt. Die konstruktive Integration der Jalousien, Markisen usw. in die Fassade ist zu berücksichtigen.
  • Im Scheibenzwischenraum (SZR) bei Mehrscheiben-Isolierglas werden Sonnenschutzfolien bzw. auch Jalousien im SZR als Sonnenschutzmaßnahmen angeordnet.
  • innen hinter der Verglasungsebene auf der Rauminnenseite.

Außenliegende Sonnenschutzsysteme bieten einen besseren sommerlichen Wärmeschutz als innenliegende, da die solare Einstrahlung nicht in das Rauminnere gelangt. Bei außenliegenden Sonnenschutzsystemen werden somit niedrigere Gesamtenergiedurchlassgrade (g-Werte) als bei innenliegenden Systemen erreicht. Nachteilig bei der Anordnung eines Sonnenschutzsystems auf der Außenseite wirkt sich jedoch die Belastung durch Wind und Wetter aus. Durch Witterungseinflüsse werden außenliegende Systeme verschmutzt und mitunter auch beschädigt. Die häufig vorhandene Durchdringung der Fassadenprofile durch die tragenden Konsolen der Sonnenschutzeinrichtungen muss als weitere Problemstelle angesprochen werden.

Die drei Grafiken zeigen drei unterschiedliche Varianten für Sonnenschutzmkaßnahmen: außen, intergriert und innen.
Grundsätzliche Anordnungsebenen für Sonnenschutzmaßnahmen
Das Foto zeigt eine arbeitende Person in einem Astronauten-ähnlichen Anzug bei der Bilanzmessung der Sonnenschutzeinrichtung.
Kalimetrische Bilanzmessung zur Bewertung von komplexen Sonnenschutzeinrichtung

Der in den SZR integrierte Sonnenschutz bietet eine Alternative. Damit können ähnliche g-Werte wie bei einem außenliegenden System erzielt werden. Durch die Integration im Scheibenzwischenraum ist die Konstruktion jedoch vor Wind und Wetter geschützt.

Bei der Planung von integrierten Sonnenschutzsystemen sollte beachtet werden, dass sich durch eine ungünstige Auswahl der Komponenten das Glasbruchrisiko durch Wärmeentwicklung erhöhen kann. Werden Mehrscheiben-Isoliergläser mit einem integrierten Sonnenschutzsystem gasgefüllt, so sind die entsprechenden Nachweise zu erbringen. Problematisch kann die schwierige Wartung im Reparaturfall sein.

Das Foto zeigt mehrere Sonnenschutzelemente auf der fensterbau/frontale 2004.
Präsentation moderner Sonnenschutzelemente auf der ift Sonderschau Licht & Schatten auf der fensterbau/frontale 2004

Tageslichtlenkung bei Fassaden

Tageslicht in Innenräume zu leiten, ist eine unmittelbare Form der Solarenergienutzung. Neben Energieeinsparung und visuellem Komfort sprechen vor allem die physiologischen und psychologischen Vorteile einer gezielten Tageslichtnutzung. Die einfachste Art und Weise ist die Verwendung eines gewöhnlichen Fensters. Allerdings ist es damit nicht möglich, einen Raum in der Tiefe gleichmäßig auszuleuchten. Die Aufgabe eines Lichtlenkelementes ist die gleichmäßige Verteilung des vorhandenen Tageslichtes im Raum.

Die vier Grafiken zeigen mithilfe verschiedener Pfeile die Lichtlenkung unterschiedlicher Systeme.
Schematische Darstellung von Systemen zur Lichtlenkung

Je nach geographischer Ausrichtung, Klimaregion, Jahres- und Tageszeit ergeben sich unterschiedliche Formen der Solarstrahlung. Nach diesem Angebot richtet sich auch das zu verwendende System. Tageslichtsysteme lassen sich prinzipiell in drei unterschiedliche Verwendungsarten unterteilen:

  • Diffuslichtumlenkung
  • Sonnenschutz mit Diffuslichtdurchlass
  • Sonnenlichtlenkung (Umlenkung ohne Sonnenschutz)

Zur Realisierung der Tageslichtlenkung nutzt man optische Effekte wie Reflexion, Totalreflexion, Beugung, Lichtstreuung usw. Die Systeme können dabei wie Verschattungssysteme vor und hinter der Fassade angeordnet sein. Auch die vollständige Integration in die Verglasung ist möglich. Die Nutzung dieser Effekte erfolgt beispielsweise durch Lamellensysteme. Typische Vertreter von Lamellensystemen sind:

  • Hochreflektierende Lamellensysteme
  • prismatische Systeme aus Glas oder Kunststoffen
  • lichtbeugende Systeme wie z. B. holographische Elemente
  • transluzente (lichtstreuende) Systeme
Die Grafik zeigt einen Raum und Sonneneinstrahlung. Mithilfe lichtlenkender Elemente gelangt mehr Licht in den Raum und wird an der Decke reflektiert.
Funktion der Raumausleuchtung durch den Einsatz von lichtlenkenden Elementen (ift Sonderschau Licht & Schatten)

Hinweise zum Brandschutz

Über das Baurecht trifft der Staat Vorsorge, um Brände durch vorbeugende bauliche Maßnahmen zu verhindern und gleichzeitig die Ausdehnung im Brandfall zu begrenzen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Schutz von Personen. In der Musterbauordnung der Bundesrepublik Deutschland (MBO), an der sich die Landesbauordnungen (LBO) orientieren, sind die allgemeinen baurechtlichen Schutzziele für den vorbeugenden baulichen Brandschutz definiert.

Eine Vorhangfassade aus Pfosten und Riegeln, deren Segmente mit Glas ausgefacht werden, ist im Sinne des Baurechts eine nichttragende Außenwand, da sie unter Normalbedingungen nur den Raumabschluss zur Umgebung gewährleistet. Nach § 26 „Außenwände“ der Musterbauordnung (MBO) sind nichttragende Außenwände, außer bei Gebäuden geringer Höhe, aus nichtbrennbaren Baustoffen (z. B. Aluminium, Stahl) oder mindestens feuerhemmend herzustellen. Die brandschutztechnische Klassifizierung von nichttragenden Außenwänden erfolgt durch Brandprüfungen nach DIN 4102-3.

Die Ermittlung der Feuerwiderstandsfähigkeit wird durch Prüfnormen geregelt. Die Prüfberichte treffen lediglich eine Aussage bezüglich eines bestimmten Leistungskriteriums, beispielsweise „E“ für Raumabschluss. Die Klassifizierungsberichte werden dann auf Basis der Klassifizierungsnormen erstellt und fassen unterschiedliche Leistungskriterien und mehrere Prüfungen zusammen. Auf Grundlage der zukünftigen Produktnorm werden dann die CE-Konformitätszertifikate erstellt.

Neben den Prüfbedingungen wird auch der direkte Anwendungsbereich beschrieben sowie Angaben welche Änderungen ohne zusätzliche Beurteilung, Berechnungen oder Abnahme vorgenommen werden können. Hierdurch werden Prüfkosten minimiert. Zulässige Abweichungen sind geregelt für:

  • Werkstoffe und Konstruktionen
  • Dekorative Oberflächenbehandlungen
  • Beschläge
  • Größenveränderungen
  • Asymmetrische Einbauteile wie Fenster und Türen
  • Tragkonstruktionen (Wandbauarten)

Aus den bauaufsichtlichen Regelwerken den spezifischen Brandeigenschaften von Glasfassaden indirekt abzuleitende Anforderungen der Fassadenanschlüsse an den tragenden Baukörper (Decken und Wände) ergeben sich folgende Forderungen für Pfosten-Riegel-Fassaden:

  • Der Anschluss der Glasfassaden an die angrenzenden Bauteile (Decken und Wände) muss bis zu Temperaturen von 200 °C rauchdicht sein. Die Anschlüsse müssen bis zur Glasebene der Fassade aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen, deren Schmelzpunkt oberhalb von 600 °C liegt, oder sie müssen mindestens über eine Dauer von 30 Minuten den Durchtritt des Brandes verhindern. Vor dem Versagen der Verglasung der Fassade darf Rauch und Feuer nicht in darüberliegende bzw. angrenzende Räume dringen.
  • Ein Schadensfeuer darf vom Brandraum nicht durch Eigenbrennen von Teilen der Fassade bzw. durch deren Konstruktion in die zweite Etage oberhalb des Brandgeschosses oder in angrenzende Räume weitergeleitet werden. (Kein Zündschnureffekt an der Oberfläche der Pfosten bzw. Riegel; keine Flammenweiterleitung in Spalten, Hohlräumen bzw. Fugen).
  • Die Fassade darf nicht großflächig abstürzen bzw. abfallen, d. h. die Verankerung der Fassade muss brandschutztechnisch geschossweise ausreichend für Vertikal- und Horizontallast dimensioniert sein.
Das Foto zeigt einen Brandofen bei der Glasprüfung.
Brandprüfung von Glaselementen

Aus diesen Anforderungen wird deutlich, dass in Bezug auf den Brandschutz nur Gesamtsysteme bewertet werden können. Werden aufgrund von spezieller Anforderungen Komponenten oder Materialien aus einem System verändert, so kann dies Auswirkungen auf das Brandschutz-Verhalten der Konstruktion haben. Die Sicherheitseigenschaften von Bauteilen dürfen nicht isoliert betrachtet werden, sondern die Zusammenhänge mit Eigenschaften wie Schall- oder Wärmeschutz sind zu berücksichtigen. Gleichzeitig muss eine definierte Gebrauchstauglichkeit sichergestellt werden. Notifizierte Prüfstellen wie das ift Rosenheim prüfen deshalb alle Bauteil- und Baustoffeigenschaften von Fenstern, Türen und Fassaden, um die Hersteller bei der Entwicklung praxistauglicher Produkte zu unterstützen.

Neue Brandschutznormen

Planer, Architekten und Hersteller von Brandschutzprodukten werden momentan mit neuen europäischen Brandschutz-Klassen und deren Anwendung auf das nationale Baurecht konfrontiert. Bauteile für den Brandschutz müssen geprüft, zugelassen und überwacht werden. Das Normungspaket kann in drei Kategorien eingeteilt werden:

  • Prüfnormen
    Sie regeln die Anwendung einheitlicher Prüfverfahren
  • Klassifizierungsnormen
    Sie regeln Klassengrenzen für einzelne Anforderungen
  • Produktnormen
    Sie enthalten eine Zusammenfassung der für ein Produkt anzuwendenden Prüf- und Klassifizierungsnormen sowie die anzuwendenden Maßnahmen zur Konformitätsbewertung

EI2 30 C5 S200 – alles klar?

Das Klassifizierungssystem im Brandschutzbereich ergibt sich aus den Leistungskriterien, die in den jeweiligen Produktnormen und ergänzenden Brandschutznormen beschrieben werden. Die Hauptleistungskriterien zur Ermittlung des Feuerwiderstandes sind

  • E für Raumabschluss
    der Raumabschluss ist die Fähigkeit, einer einseitigen Brandeinwirkung so standzuhalten, dass wesentliche Mengen an Flammen oder heißen Gasen nicht zur Ausbreitung des Brandes oder angrenzender Materialien auf der vom Feuer abgewandten Seite beitragen.
  • R für Tragfähigkeit
    die Tragfähigkeit ist die Fähigkeit des Bauteils, unter Brandlast von einer oder mehreren Seiten und unter mechanischer Beanspruchung die Standsicherheit ohne Verlust nachzuweisen.
  • I für Wärmedämmung
    die Wärmedämmung ist die Fähigkeit des Bauteils, einer einseitigen Brandbelastung so standzuhalten, dass auch bei einer wesentlichen Wärmeübertragung auf die vom Feuer abgewandte Seite eine Übertragung des Feuers ausgeschlossen wird.

Für Bauteile wie Fenster, Fassaden und Türen gelten nach Erscheinen der Produktnorm nicht mehr die Kennbuchstaben wie beispielsweise T 30 oder F 30, sondern die Kriterien werden aufgegliedert. So kann ein selbstschließender Feuerschutzabschluss gemäß prEN 14600 bzw. E DIN EN 13501-2 die Europäische Klassifizierung EI2 30 C5 S200 (entspricht T 30/RS) erhalten.

  • EI2 30 – Feuerschutzabschluss mit 30 Minuten Widerstandszeit
  • C5 – raumabschließende Funktion nach 200.000 Schließzyklen
  • S200 – Rauchschutz/Leckrate bei einer Druckdifferenz bis zu 50 Pa und erhöhter Temperatur (200 °C)

Fazit

Bei der Planung und Ausführung von Fassaden ist immer das Zusammenspiel aller Einflüsse zu berücksichtigen. Die Optimierung einzelner Eigenschaften kann zum Versagen in anderen Teilbereichen führen. Der Bau von Fassaden stellt daher im Einzelfall eine komplexe Planungsaufgabe dar, die mit Sachverstand und Sorgfalt gelöst werden muss.

Norbert Sack

ift Rosenheim

Dipl.-Phys. Norbert Sack ist Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung und seit 1995 am ift Rosenheim tätig. Er arbeitet in verschiedenen nationalen und internationalen Normenausschüssen und Sachverständigengremien mit und ist Lehrbeauftragter an der Hochschule Rosenheim.

Prof. Jörn P. Lass

ift Rosenheim

Prof. Jörn P. Lass ist der Institutsleiter des ift Rosenheim und seit über 39 Jahren in der Fenster- und Fassadenbranche tätig. Als gelernter Glaser und Fensterbauer absolvierte er ein Studium der Holztechnik und war in leitenden Funktionen bei einem Systemgeber, Fenster- und Fassadenherstellern sowie 14 Jahre im ift Rosenheim in den Bereichen Forschung, Prüfung, Güteüberwachung, Normung und Zertifizierung tätig. Die letzten sechs Jahre leitete er als Professor an der Technischen Hochschule Rosenheim die Studienrichtung „Gebäudehülle“ und ist seit Januar 2020 als Institutsleiter wieder im ift Rosenheim.

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