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Die Gebäudeenergierichtlinie 2010 der EU fordert für Neubauten bis Ende 2018 den Niedrigstenergiegebäudestandard (nearly zero energy buildings), der national durch die 2016 verschärften Anforderungen der EnEV umgesetzt wird.

Verbundfenster sind eine optimale Möglichkeit die verschärften Anforderungen für den sommerlichen und winterlichen Wärmeschutz gleichermaßen zu erfüllen. Verbundfenster bestehen aus zwei Flügelrahmen, die einen Zwischenraum bilden, indem die Verschattung witterungsgeschützt integriert werden kann. Der Vorteil gegenüber Einbauten im Scheibenzwischenraum ist, dass man die beiden Fensterflügel leicht trennen kann, um die Sonnen- oder Blendschutzelemente zu reinigen, zu warten oder auszutauschen. Darüber hinaus können auch Systeme zur regenerativen Energienutzung integriert werden z.B. Photovoltaik-Elemente. Verbundfenster eignen sich auch gut zum Erhalt historischer Stadtbilder, da der innere Flügel Wärme- und Schallschutz erfüllt und der äußere Flügel nach gestalterischen Vorgaben ausgeführt werden kann. Deshalb werden Verbundfenster von den meisten Systemgebern angeboten und sind für Metallbauer eine gute Möglichkeit leistungsfähige Systeme inkl. Sonnen-/Blendschutz für hochwertige öffentliche Bauten oder Gewerbeimmobilien anzubieten.
Allerdings kann es im Zwischenraum der beiden Fensterflügel zur Tauwasserbildung kommen, der von den Bauherren als Mangel empfunden wird und oft zu Reklamationen und gerichtlichen Auseinandersetzungen führt. Nachfolgender Beitrag zeigt die bauphysikalischen Zusammenhänge sowie konstruktive Lösungen auf.
Die „natürliche“ Bauphysik der Tauwasserbildung
Die Kondensatbildung ist ein natürliches bauphysikalisches Phänomen, das von Wetterlage, Verschattung, Anströmung, Feuchteaufkommen, Reinigung, Klimatisierung der Räume, Orientierung, Gebäudehöhe sowie natürlich von der Fensterkonstruktion beeinflusst wird. Jeder kennt Kondensat an Autoscheiben oder als Reif bei Pflanzen. Dieses entsteht durch die Abkühlung der Oberfläche unter die Taupunktemperatur, die durch die große Temperaturdifferenz bei klarem, kaltem Nachthimmel zwischen Weltall und den Oberflächen in Bodennähe entsteht. So kommt es auch zur Abkühlung der Glasflächen unter die Umgebungs-Lufttemperatur. Wird die Taupunkttemperatur dabei unterschritten, fällt Tauwasser an der Oberfläche aus. Flache Autoscheiben „sehen“ viel Himmel und kühlen besonders stark ab – gleiches gilt für Dachflächenfenster. Senkrechte Scheiben sind nicht so stark betroffen, aber dennoch kann es bei hochwärmedämmenden Konstruktionen zu Kondensat und sogar zur Eisbildung auf der Außenseite der äußeren Scheibe kommen. Kondensat im Zwischenraum von Verbundfenstern tritt dann auf, wenn der Luftaustausch mit der Außenluft langsamer erfolgt, besonders in Kombinationen mit Zwei- oder Dreischeibenverglasungen.
Im normativen Sinne ist Tauwasser selbst kein Mangel, denn die DIN 4108-2 [3] beschreibt in Abs. 6.1 folgendes: „Die Tauwasserbildung ist vorübergehend und in kleinen Mengen an Fenstern sowie Pfosten-Riegel-Konstruktionen zulässig, falls die Oberfläche die Feuchtigkeit nicht absorbiert und entsprechende Vorkehrungen zur Vermeidung eines Kontaktes mit angrenzenden empfindlichen Materialien getroffen werden.“
Kurzfristiges Tauwasser (z. B. Reifbildung am Morgen) aber auch längeres Auftreten infolge ungünstigen Außenklimas (z.B. Windstille, hohe Luftfeuchten, keine Sonneneinstrahlung“) ist zu akzeptieren, sofern die betroffenen Oberflächen und Werkstoffe unempfindlich gegenüber Feuchtigkeit sind, beispielsweise bei Metallprofilen. Das gilt aber nicht unbedingt für die angrenzenden Wandaufbauten mit Dämm- oder Holzbaustoffen.


Konstruktionsprinzipien zur Reduzierung der Tauwassergefahr
Die kritische Jahreszeit für Verbundfenster ist die Übergangszeit, wenn Luftfeuchtigkeit und Temperatur des Außenklimas einem relativ schnellen Wechsel unterliegen. Tauwasser innerhalb der Konstruktion ist dann nicht zu vermeiden. Es kann aber durch konstruktive Maßnahmen minimiert werden, die den notwendigen Dampfdruckausgleich von Flügelzwischenraum zum Außenklima ermöglichen. Der Ausgleich erfolgt immer vom Ort des höheren Dampfdruckes zum niedrigeren und damit in der Regel zur Außenseite.
Die einfachste Öffnung ist der umlaufende Spalt zwischen beiden Flügeln am äußeren Anschlag. Empfehlungen für die Belüftung des Flügelzwischenraumes sind in Tabelle 1 gegenübergestellt. Die DIN EN 6946 gibt für belüftete Luftschichten umgerechnet einem umlaufenden Spalt von ≥ 1,5 mm an. In der Berechnungsnorm EN ISO 10077-1 ist der umlaufende Spalt auf ≤ 3 mm begrenzt, um einen unnötigen Luftaustausch mit der Außenluft zu vermeiden, der den Wärmeschutz verschlechtert.
Bei integrierten Sonnenschutzelementen erwärmt sich der Zwischenraum durch die Absorption der Sonnenstrahlung. Die Wärme muss nach außen abgeführt werden, damit der Gesamtenergiedurchlass (g-Wert) sich nicht durch hohe raumseitige Oberflächentemperaturen verschlechtert und die Metallfenster sich nicht zu stark ausdehnen, verformen und Schäden verursachen. Hier sind gegebenenfalls größere Öffnungsflächen notwendig. Die Funktion und Gebrauchstauglichkeit der Konstruktion kann gut durch eine kalorimetrische Messung überprüft werden, bei der alle Energie- und Wärmeströme erfasst werden und auch die Oberflächentemperaturen an beliebiger Stelle gemessen werden können.
Ein umlaufender Spalt ist schwierig zu realisieren, wenn zusätzliche Anforderungen wie ein erhöhter Schallschutz an das Bauteil gestellt werden. Der Spalt kann dann durch versetzte Bohrungen ersetzt werden oder durch ein Labyrinth zwischen Flügelzwischenraum und Außenluft. Das führt aber dazu, dass die Konstruktionsregeln für die notwendige Öffnungsfläche einer umlaufenden Fuge nicht angewandt werden können. Die Funktionsfähigkeit des Dampfdruckausgleichssystems kann nur durch eine Prüfung des Tauwasserverhaltens durch Messung der Temperaturen und Bestimmung der Dampfteildrücke überprüft werden.

Die Verbindung zur Raumseite muss hingegen unbedingt vermieden werden. Um eine funktionsfähige raumseitige Abdichtung sicherzustellen, sind verdeckt liegende Beschläge gut geeignet, die die Dichtebene nicht unterbrechen. Selbst kleinste Undichtigkeiten führen zum Versagen der Konstruktion; daher ist die Funktion der Dichtung bei der Fertigung und der Montage zu überprüfen. Hierfür eignen sich Prüfeinrichtungen zur Bestimmung der Luftdurchlässigkeit nach EN 1026.
Die Messung erfolgt mit einem Klimaprüfstand im 2-Kammer-Prinzip, bei der die Funktion des Dampfdruckausgleichssystems nachgewiesen wird. Über die Messung der Lufttemperaturen und Luftfeuchten im Flügelzwischenraum können die Wasserdampfpartialdrücke bestimmt werden. Sobald die Taupunkttemperatur unterschritten wurde, ist mit Tauwasser zu rechen. Dies wird zusätzlich durch eine visuelle Beurteilung festgestellt und dokumentiert.
Literatur
- Böttcher, W.; Hartmann, H.-J.; Schmid, J.
Untersuchung an Verbundfenstern zur Verbesserung des Wärme- und Schallschutzes bei gleichzeitiger Sicherstellung der übrigen Funktionen, wie Tauwasser usw..
Forschungsbericht des ift Rosenheim, Juli 1981 - ift Hausverfahren (WÄR11)
Prüfung des Tauwasserverhaltens von Elementen.
ift Rosenheim GmbH, 2016 - DIN 4108-2:2013-02
Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz.
DIN Media GmbH - DIN EN ISO 6946:2008-04
Bauteile – Wärmedurchlasswiderstand und Wärmedurchgangskoeffizient – Berechnungsverfahren.
DIN Media GmbH - DIN EN ISO 10077-1:2010-05
Wärmetechnisches Verhalten von Fenstern, Türen und Abschlüssen – Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten – Teil 1: Allgemeines.