Digitales 3D-Modell eines Bauvorhabens aus 2017

Vakuumglas

Praxistaugliche Nachweise

Lesezeit: 5 Minuten

Am Anfang des Jahrtausends sah es ein paar Jahre lang so aus, als ob Vakuum-Isolierglas (VIG) das kommende Produkt werden könnte. Nach intensiven Bemühungen der Maschinenhersteller zusammen mit einigen Forschungsstellen in den Jahren von ca. 2005 bis 2014 wurde das Thema in Europa ein wenig an den Rand gedrängt.

Historie

Wie aus Bild 1 ersichtlich, hat sich die Weiterentwicklung des Isolierglases in den letzten 20 Jahren auf eine Modifikation des Produkts Dreifach-Isolierglas beschränkt. An welchen Stellschrauben wurde gedreht?

  • Die Beschichtungen wurden hinsichtlich ihrer lichttechnischen Daten verbessert.
  • Es wurden 2- anstatt 1-Low-E-Beschichtungen eingesetzt.
  • Die Randverbundsysteme, vor allem die Abstandhalter, wurden thermisch optimiert.
  • Schwergase wurden durch den Einsatz von Einfachscheiben mit Verbundfolien ersetzt, um den Schalldämmwert und die Umweltverträglichkeit zu verbessern.
Grafische Darstellung mit Zeitstrahl über die historische Entwicklung Mehrscheiben-Isolierglas und Fensterkonstruktionen
Bild 1: Entwicklung von Mehrscheiben-Isolierglas und Fensterkonstruktionen der letzten 30 Jahre

Da hier ein physikalisch gesetztes Ende der Optimierungsmöglichkeiten absehbar ist, erinnerte man sich an die Möglichkeit, die schon in alten Patenten beschrieben ist:
den Luft-/Gaszwischenraum durch ein Vakuum zu ersetzen.

Anlässlich der Rosenheimer Fenstertage 2009 berichtete Dr.-Ing. Siegfried Glaser unter dem Titel „Vakuumisolierglas – Eine Alternative zum Dreifachglas? Stand der Entwicklung und der Verfügbarkeit“ [1] zu den öffentlich geförderten Forschungsberichten (BMWi) zur Entwicklung der Maschinentechnik [2] und zur für das Produkt VIG erforderlichen Modifikation von Fensterkonstruktionen [3]. Damals war eine Produkteinführung in Europa für 2011 geplant.

In den Jahren 2010, 2012 und 2014 wurden auf der Messe Glasstec in Düsseldorf immer wieder Produkte gezeigt, zuletzt maximal im Format einer Fenstertür. Zu einer planmäßigen Verfügbarkeit in größerem Umfang in Europa ist es bis heute nicht gekommen. Da keine Anforderungen von Seiten der Glashersteller bestanden, wurden auch Regeln zur Bewertung als Bauprodukt nicht weiter verfolgt oder forciert.

2014/2015 befasste sich die TU Wien zusammen mit der Holzforschung Austria mit der Aufgabenstellung „Implikationen des Einsatzes von Vakuumgläsern in der (speziell erhaltungsfokussierten) Gebäudesanierung“ im Projekt VIG-SYS-reno [4] und nachfolgend im Projekt MOTIVE [5] mit der Konstruktion von geeigneten Fenstersystemen für VIG. Die Dauerhaftigkeit des Produkts VIG wurde auch hier nicht systematisch untersucht.

Regelsetzung

Die bekannten europäischen Regelwerke zur Beurteilung der Dauerhaftigkeit von Mehrscheiben-Isolierglas (MIG) in der Normenreihe EN 1279 schließen das Produkt Vakuum-Isolierglas in ihren neuen Fassungen explizit aus. Dies ist aufgrund der Tatsache, dass die Randlasten in MIG hauptsächlich durch das eingeschlossene Gasvolumen bestimmt werden, sicher sinnvoll. Allerdings ist das Produkt VIG später zur Verwendung in Fenstern und Fassaden denselben Einwirkungen ausgesetzt und soll eine Verwendbarkeit über die Nutzungsdauer des Bauteils aufweisen.

Da die Produktion der VIG derzeit fast nur noch in Asien stattfindet (China, Südkorea, Taiwan), hat sich im Rahmen der ISO-Normung unter dem Sekretariat Chinas ein Normenausschuss gebildet, der einen Schlussentwurf der ISO/FDIS 19916-1 „Glass in building – Vacuum insulating glass – Part 1: Basic specification of products and evaluation methods for thermal and sound insulating performance“ [6] erarbeitet hat.

Da die thermischen und schalldämmenden Eigenschaften ursächlich mit dem Erhalt des Vakuums und der Beständigkeit der Glasbeschichtung zwischen den beiden Einzelscheiben zusammen hängen, soll mit diesem Entwurf die Dauerhaftigkeit nachzuweisen sein.

Die Lasteinwirkung unter Laborbedingungen besteht aus drei verschiedenen Belastungsarten, die immer die Parameter hohe und niedrige Temperaturen, Feuchtigkeit und teilweise UV-Bestrahlung beinhalten. Anders als bei MIG soll hier die Belastung des relativ starren Randverbundsystems durch thermische Längenänderung bewirkt werden. UV-Strahlung und Feuchte kommen erschwerend dazu.

Nicht berücksichtigt wird hingegen eine einseitig wirkende Klimalast und somit eine Temperaturdifferenz zwischen Innen- und Außenscheibe, die durch Winddruck und Soglasten noch überlagert werden kann.

Bei Versuchen am ift Rosenheim kam es zu großen Durchbiegungen bereits bei Ein-Quadratmeter-Scheiben und somit zu entsprechend großen Scherlasten im Randverbund. Aus dem Wissen der Einflüsse beim Einsatz in Fenster und Fassade hat das ift Rosenheim daher – bereits vor Veröffentlichung des finalen ISO-Normenentwurfs – ein Hausverfahren entwickelt, um einen Nachweis der Dauerhaftigkeit für den Einsatzzweck zu erhalten.

Prüfungen nach dem ift-Hausverfahren

Bei der Prüfung nach dem ift-Hausverfahren werden zunächst die Wärmedurchgangskoeffizienten Ug von Vakuum-Isoliergläsern im Plattengerät bzw. durch Prüfung in der Hot-Box ermittelt. Die VIG werden anschließend in eine Musterfassade eingebaut und sowohl einer klimatischen als auch einer mechanischen Belastung ausgesetzt. Nach den einzelnen Belastungszyklen werden die Ug-Werte der Vakuum-Isoliergläser noch einmal gemessen und die Abweichungen zu den Ug-Werten der Eingangsprüfung bestimmt. Zusätzlich werden die kleinformatigen Vakuum-Isoliergläser einer kombinierten Feuchte- und UV-Belastung ausgesetzt, um die Dauerhaftigkeit des Randverbundsystems unter einer Klimawechsellast zu prüfen. Abschließend wird wiederum eine Ug-Wert-Prüfung durchgeführt, um die Veränderung des Wärmedurchgangskoeffizienten beurteilen zu können.

Neben den Laborprüfungen sind nach dem ift-Hausverfahren auch die Ug-Werte nach einer In-situ-Belastung zu ermitteln, um die Dauerhaftigkeit der VIG unter realen Bedingungen beurteilen zu können. Dazu werden sie in die ift-Musterfassade eingebaut. Jeweils nach einem Jahr, nach zwei und nach drei Jahren werden die Verglasungen ausgebaut; ihr Wärmedurchgangskoeffizient wird im Labor geprüft und die Veränderung gegenüber dem Anfangszustand beurteilt.

Leistungseigenschaften

Bei der Entwicklung von Vakuum-Isoliergläsern stehen in der Entwicklungsphase die Eigenschaften Dauerhaftigkeit und Wärmedurchgang im Vordergrund. Die Ug-Werte von VIG haben sich in den letzten Jahren stetig verbessert. Mit Vakuum-Isoliergläsern können Ug-Werte von 0,5 W/(m2 K) oder besser erreicht werden. In Kombination mit einer beschichteten Gegenscheibe und einem Gaszwischenraum könnten sogar Ug-Werte von 0,4 W/(m2 K) oder besser erreicht werden.

Darüber hinaus sind natürlich weitere Leistungseigenschaften wie z. B. Schallschutz, Sonnenschutz, Brandschutz und Nutzungssicherheit von Interesse. Dazu liegt aber zum Teil noch keine ausreichende Anzahl an Prüfungen vor

Digitales 3D-Modell eines Bauvorhabens aus 2017
Bild 2: Bauvorhaben aus dem Jahr 2017 in der Hohlstraße in Zürich mit Vakuum-Isolierglasschei¬ben (Quelle: Schwarz Architekten/GlassX)

Die Integration der Vakuum-Isoliergläser in eine Fensterrahmen- oder Fassadenkonstruktion erfordert jedoch eine Überarbeitung der bisherigen Fenster- bzw. Fassadenkonstruktionen, insbesondere um auch die Tauwasserbildung im Glasrandbereich zu verringern.

 

Fazit und Ausblick

Die Entwicklung im Bereich der Vakuum-Isoliergläser zeigt, dass mit ihnen Wärmedurchgangskoeffizienten erreicht werden können, die gleich oder besser sind als die Ug-Werte von heute üblichen 3fach-Mehrscheiben-Isoliergläsern. In ausgewählten Bauvorhaben in Europa sind bereits VIG eingebaut worden. Damit ist ein weiterer Schritt in Richtung praktischer Umsetzung erfolgt. Die Erfahrungen, die mit VIG in diesen Bauvorhaben erzielt werden, werden sicherlich maßgeblich die weitere Entwicklung beeinflussen.

Literatur

  1. Glaser, Siegfried:
    Vakuumisolierglas – Eine Alternative zum Dreifachglas? Stand der Entwicklung und der Verfügbarkeit.
    Vortrag anlässlich der Rosenheimer Fenstertage 2009
  2. Produktionstechniken von Glas.
    (ProVIG)_IWM/ISE-2012_BMWi
  3. Hochwärmedämmende Fenster- und Fassadensysteme.
    (HWFF)_ZAE/SKZ_2011_BMWi
  4. Sondierung von Fenstersystemen mit innovativen Gläsern, speziell Vakuum-Isoliergläsern, zur Gebäudesanierung.
    (VIG-SYS-reno) _TU Wien/HFA_2016_Stadt der Zukunft
  5. Modellierung, Optimierung und technische Integration von Vakuum-Elementen: Sondierung über die Detaillierung von Vakuumgläsern in neuen Holz(Alu)-Fenster-Konstruktionen – Detaillierung, Bau und Simulation.
    TU Wien/HFA_2017_BMVIT
  6. ISO/FDIS 19916-1:2018-07
    Glass in building – Vacuum insulating glass – Part 1: Basic specification of products and evaluation methods for thermal and sound insulating performance

Konrad Huber

ift Rosenheim

Dipl.-Ing. (FH) Konrad Huber ist im ift Rosenheim als Prüfstellenleiter im Labor Bauphysik für den Bereich Messung und Berechnung von U-Werten, Klimaprüfung von Innen- und Außentüren sowie kalorimetrischen Messungen an transparenten Bauteilen tätig.

Karin Lieb

ift Rosenheim

Nach Abitur, Ausbildung im Schreinerhandwerk und Abschluss an der Hochschule Rosenheim als Diplomingenieur (FH) Bereich Holztechnik ist Karin Lieb seit 1989 im Geschäftsbereich Prüfung des ift Rosenheim tätig. Seit der Zeit beschäftigt sie sich mit Materialprüfung, was beim ift Rosenheim bedeutet, man befasst sich mit allen Einzelteilen, die in Bauteilen vorkommen können. Diese Tätigkeit hat sich im Lauf der Zeit aufgebaut von der Tätigkeit als Prüfingenieurin, über die Prüfstellenleitung bis ins Produktmanagement. Dort steht sie heute den Kunden für Anfragen aller Art zu den Dienstleistungen des ift Rosenheim zur Verfügung. Sie ist auch als Gutachterin für das ift Sachverständigenzentrum tätig.

Die Tätigkeiten waren immer begleitet durch technische Mitarbeit in nationalen und europäischen Normenausschüssen sowie Arbeitskreisen für verschiedene Verbände.

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