Das Schaubild zeigt wo und wie innen Sicherheitsglas VSG 1(B)1, innen und außen Sicherheitsglas und innen Sicherheitsglas angebracht werden soll. Nähere Informationen zur Darstellung erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.

Umgang mit Sicherheitsglas in der Fassade

Was machen unsere Nachbarn?

Lesezeit: 5 Minuten

Eigentlich kann das Thema Einsatz von Sicherheitsglas in bodentiefen Verglasungen schon keiner mehr hören. Seit mindestens zwei Jahren wird durch die Diskussion die Ver-abschiedung der neuen DIN 18008-1 [1] und -2 [2] hinausgeschoben.

Letztendlich hat die Politik ein Machtwort gesprochen und postuliert, dass das Bauen nicht unnötig verteuert werden darf. Daher ist nur dort für die gesetzlich vorgegebene Sicherheit zu sorgen, wo es unumgänglich nötig ist.

Diese Formulierung lässt nun natürlich wieder die Anwender im Regen stehen, die nun die Risikobewertung übernehmen müssen. Die an den relevanten Bauteilen interessierten Verbände geben dazu Interpretationshilfen, die aber auch keine absoluten Handlungsanweisungen sein können.

Dieser für alle Beteiligten etwas unbefriedigende Zustand war Anlass genug, zu recher­chieren, was denn eine Auswahl europäischer Länder in ihren Regelwerken zu bieten hat und wie die Regeln umgesetzt werden.

Europa

Allgemein ist in Europa sicher gültig, dass die Handelbarkeit von Glasprodukten mit dem CE-Zeichen nach harmonisierten Produktnormen überall durch die Umsetzung der Bauproduktenverordnung geregelt ist. Aber – allein die CE Kennzeichnung besagt ja noch nicht, welche Glasart wo einzusetzen ist. Sie regelt nicht die nationale Anwendung.

Österreich

Unsere österreichischen Nachbarn werden in der Umsetzung ihrer technischen Vorgaben ziemlich deutlich. Das Regelwerk wird bestimmt durch die OIB-Richtlinie 4, „Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit“ [3] und die dazugehörigen erläuternden Bemerkungen. In diesen erläuternden Bemerkungen ist im Punkt 5.1.1 explizit dargestellt, dass die Regel auch in Wohnungen und Einfamilienhäusern anzuwenden ist, unabhängig von der Anzahl der Bewohner. Ebenfalls anzuwenden ist die Normenreihe ÖNORM B 3716, für den Bereich Verglasung speziell der Teil 7 „Glasanwendungen“ [4].

Da auch Österreich föderal strukturiert ist, gibt es die landesrechtliche Möglichkeit des „gleichwertigen Abweichens“. Hier muss allerdings von einer technisch versierten Stelle, z.B. Ziviltechnikern, eine Begründung erstellt werden, warum die Abweichung zulässig ist.

Wenn sich der Bauherr und Planer jedoch an die Vorgaben der OIB 4 Kapitel 5 hält, so kann er ganz klar ablesen, für welchen Einsatzbereich er welche Glasart einsetzen muss.

Die Tabelle zeigt bei welchem Glas das Float-, Ornamentglas; Drahtglas; ESG und VSG geeignet sind oder nicht. Nähere Informationen zur Darstellung erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.
Bild 1: Auszug aus der Broschüre „Glas in der Architektur“ [7]

Schweiz

Hinsichtlich baurechtlicher Vorschriften könnte man die Schweiz als die „Insel der Seligen“ beschreiben. Solange die bekannten Normen und Richtlinien nicht in einer Baugenehmi­gung oder in einem Arbeitsgesetz explizit genannt sind, sind alle Regelungen freiwillig. Sie haben einen Hinweischarakter, dessen sich die Sachverständigen aber durchaus im Zweifelsfall bedienen.

Als die wichtigsten Regelwerke sind zu nennen die Schweizer Norm SIA 331 „Fenster und Fenstertüren“ [5] sowie die Richtlinie 002 des SIGAB „Sicherheit mit Glas – Anforderun­gen an Glasbauteile“ [6]. Auch die Fachbroschüre des SIGAB „Glas in der Architektur“ [7] (Bild 1) gibt hilfreiche Verwendungsvorschläge; das Mittel der Risikoanalyse ist nicht bekannt.

Frankreich

Eine Nachfrage beim französischen Verband der Bauindustrie FFB ergab die Information, dass in Frankreich für alle Arten von Verglasungen in Fenstern, Türen und Innentrennwänden eine französische Norm zu beachten ist. Es handelt sich für die Verwendung von Sicherheitsglas um die „NF DTU 39 – Travaux de bâtiment – Choix des vitrages en fonction de l'exposition aux risques de blessures – Partie 5 : mémento pour les maîtres d'oeuvre“, in grober Übersetzung: „Bauleistungen – Auswahl der Verglasung hinsichtlich des Sicherheitsrisikos bei der Art der Verwendung – Teil P5: Memorandum für Planer/Bauausführende“ [8].

Die Norm ist zwar zu verwenden für alle Arten vor Gebäuden, grenzt aber genau ab, für welche Teile innerhalb der Gebäude und der Gebäudehülle welche Glasarten einzusetzen sind. Sie beschreibt auch detailliert, wie Glasflächen  zu kennzeichnen sind und gibt sogar Regelungen für die Art der Kantenbearbeitung. Allerdings endet der Geltungsbereich an der Wohnungseingangstür, solange eine bestimmte Personenzahl hinsichtlich der planmäßigen Nutzung der Räume nicht überschritten wird.

Wie der Titel schon sagt, ist das Papier für den Planer und Bauausführenden gedacht. Wenn man sich an die dort gegebenen Regeln hält, ist man hinsichtlich bauaufsichtlicher Anforderungen wohl auf der sicheren Seite.

Belgien

Die gültige Anwendungsregel in Belgien ist zu finden in der belgischen Norm NBN S 23-002, immer zu verwenden zusammen mit dem Amendment A1:2010 und dem dazu gehörigen Corrigendum [9]. Es wird hinsichtlich des Einsatzbereichs klar getrennt zwischen Woh­nungen/Büros, Schulen/Theater/Restaurants und ähnlichen öffentlichen Gebäuden sowie Einkaufspassagen/Malls. Allen gemein ist die Forderung nach Sicherheitsglas in mehr oder weniger hohen Klassifizierungen der Bruchart nach EN 12600 [10].

Italien

Das Gesetz, das das Bauen in Italien regelt, ist die NTC (NORME TECNICHE PER LE COSTRUZIONI) vom 17. Januar 2018. Dort sind allerdings eher die zu beachtenden Einwirkungen definiert. Wenn man Informationen zum Einsatz von Glas im Bauwesen sucht, wird man in der UNI 7697 fündig (Sicherheitskriterien für Glasanwendungen) [11].

Dort ist schon seit vielen Jahren klar geregelt, in welchen Anwendungsbereichen welche Glasart zu verwenden ist. Als deutschsprachiges Hinweispapier kann hier eine Veröffentlichung der Fa. Finstral genannt werden, die ein Rundschreiben verfasst hat, in dem die wichtigsten Regeln der UNI 7697 in deutscher Sprache [12] zusammengestellt sind. Es ist ähnlich wie die österreichische OIB-Richtlinie 4 mit Zeichnungen gestaltet, die die Anwendungsbereiche für Sicherheitsglas mit Mindestklassifizierung der Brucharten aufzeigen.

 

Das Schaubild zeigt wo und wie innen Sicherheitsglas VSG 1(B)1, innen und außen Sicherheitsglas und innen Sicherheitsglas angebracht werden soll. Nähere Informationen zur Darstellung erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.
Bild 2: Auszug aus der Broschüre der Fa. Finstral zur UNI 7697 [12]

Fazit

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Deutschland im Gesetz eine Anforderung an die Sicherheit von Verglasungen definiert, deren Umsetzung aber dem Sachverstand der am Bau Beteiligten überlassen bleibt. Die oben betrachteten Nachbarländer trauen sich hier wesentlich detailliertere Anforderungen zu, an denen sich die Beteiligten auch im Streitfall messen lassen müssen.

Literatur

  1. DIN 18008-1
    Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln – Teil 1: Begriffe und allgemeine Grundlagen, Entwurf Juni 2019
  2. DIN 18008- 2
    Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln – Teil 2: Linienförmig gelagerte Verglasungen, Entwurf Juni 2019
  3. OIB-Richtlinie 4
    Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit OIB-330.4-020/15, April 2019 und Erläuterungen Bemerkungen OIB-RL 4, April 2019
  4. ÖNORM B 3716-7
    Glas im Bauwesen – Konstruktiver Glasbau; Teil 7: Glasanwendungen
  5. SIA 331:2012; Fenster und Fenstertüren
  6. SIGAB Richtlinie 002; Sicherheit mit Glas; Anforderungen an Glasbauteile
  7. Fachbroschüre „Glas in der Architektur“; Beratungsstelle für Unfallverhütung; bfu 2017
  8. NF DTU 39 – Travaux de bâtiment – Choix des vitrages en fonction de l'exposition aux risques de blessures – Partie 5 : mémento pour les maîtres d'oeuvre; CSTB/AFNOR:2017
  9. Norme Belge NBN S 23-002/A1/AC:2010
  10. EN 12600:2002
    Glas im Bauwesen – Pendelschlagversuch – Verfahren für die Stoßprüfung und die Klassifizierung von Flachglas
  11. UNI 7697:2014-05; Criteri di sicurezza nelle appllcazioni vetrarie
  12. Rundschreiben 3/14, Fa. Finstral
    Neu überarbeitete Norm zur gesetzlich vorgeschriebenen Anwendung von verletzungshemmenden Verglasungen in Italien (D.lgs n. 206/2005)

Karin Lieb

ift Rosenheim

Nach Abitur, Ausbildung im Schreinerhandwerk und Abschluss an der Hochschule Rosenheim als Diplomingenieur (FH) Bereich Holztechnik ist Karin Lieb seit 1989 im Geschäftsbereich Prüfung des ift Rosenheim tätig. Seit der Zeit beschäftigt sie sich mit Materialprüfung, was beim ift Rosenheim bedeutet, man befasst sich mit allen Einzelteilen, die in Bauteilen vorkommen können. Diese Tätigkeit hat sich im Lauf der Zeit aufgebaut von der Tätigkeit als Prüfingenieurin, über die Prüfstellenleitung bis ins Produktmanagement. Dort steht sie heute den Kunden für Anfragen aller Art zu den Dienstleistungen des ift Rosenheim zur Verfügung. Sie ist auch als Gutachterin für das ift Sachverständigenzentrum tätig.

Die Tätigkeiten waren immer begleitet durch technische Mitarbeit in nationalen und europäischen Normenausschüssen sowie Arbeitskreisen für verschiedene Verbände.

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