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ift-Experten-Workshop entwirrt komplexes Regelgeflecht
Erstmals in der Geschichte der EXAPs trafen sich Interes-senten aus der „Community“ des Tür-, Tor-, Fenster- und Beschlagbereichs zu einem vom ift Rosenheim angebotenen Workshop am 6. Februar in Nürnberg, um die Geheimnisse rund um Klassifizierungsbericht und EXAPs im Brand-schutzsektor zu lüften. Aufgrund des überwältigenden Zu-spruchs wurde der Workshop am 7. Februar wiederholt. Im Vordergrund stand die aktuelle Wissensvermittlung im Um-gang mit den komplexen Regelwerken sowie deren Umset-zung in die Praxis. Dies erfolgte anhand von Fallbeispielen, die durch die ca. 90 Teilnehmer bearbeitet und mit den Ex-perten ausführlich diskutiert wurden.
Der „ift-Expertentag Workshop EXAP“ startete mit Grundlagen zu EXAP, Klassifizierungsbericht und HPS. Die Referenten (Mitarbeiter der Notifizierten Produktzertifizierungsstelle (NPZ) Brandschutz des ift Rosenheim) informierten über Neues aus der Normung, die komplexen Zusammenhänge der betreffenden Regelwerke, notwendige Prüfungen und Dokumentationen sowie die anspruchsvolle Umsetzung in die Praxis. Dabei wurde deutlich, dass es kein Patentrezept auf dem Weg zur Klassifizierung von Bauelementen im Brandschutzbereich gibt. Allein die derzeit gültigen EXAP-Normen umfassen 686 Seiten und belegen die Vielschichtigkeit der Anforderungen.
Am Nachmittag erarbeiteten die Teilnehmer in Gruppen anhand konkreter Fallbeispiele auf Basis der EXAP-Regeln unter anderem die Bewertung von Schlössern an Holztüren sowie die Bewertungen zum Austausch von Gläsern und Bändern.
Grund für die Neuorientierung beim Nachweis der Leistungsbeständigkeit von Türen, Toren und Fenstern mit Feuer- und/oder Rauchschutzeigenschaften ist die Produktnorm EN 16034. Das bisherige System der bauaufsichtlichen Zulassungen entfällt. Die EN 16034 legt genau fest, wer was zu tun hat. Das heißt, wesentliche Verantwortungen mit weitreichenden Aufgaben liegen zukünftig bei den Notifizierten Produktzertifizierungsstellen (NPZ). Dies beginnt bei Festlegungen von Produktfamilien, Prüfprogrammen auf Basis der vom Hersteller definierten Produktfamilie, Probekörperauswahl und -entnahme über die Prüfung und Erstellung der Nachweise bis hin zu Überwachung und Zertifizierung der Hersteller. Die Prüfung der Feuerschutzabschlüsse (FSA) erfolgt durch eine Prüfstelle, die nicht mit der NPZ identisch sein muss.
Bereits zu Beginn des Klassifizierungsprozesses sollte die Prüferfahrung der NPZ genutzt werden, um für jeden Einsatzzweck eines Bauteils zu einer guten Prüfplanung zu kommen. Der Grund ist, dass die Basis-Prüfnormen nur den engen direkten Anwendungsbereich abdecken, wobei neben dem Brandschutz auch weitere Funktionen zu berücksichtigen sind. Das heißt, dass die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Produkte nur in sehr eingeschränktem Maß funktioniert.
Und hier kommt die Besonderheit im Brandschutzbereich zum Tragen: Zusätzlich zu den grundlegenden Prüfnormen gibt es die Möglichkeit, die sog. EXAP-Normen beim Prüfprogramm zu berücksichtigen (EXAP = EXtended APplication = erweiterter Anwendungsbereich). Sie beschreiben produktbezogen, welche Änderungs- und Erweiterungsmöglichkeiten es für eine bestimmte Leistungsart gibt. So können Prüfergebnisse auf ähnliche Varianten des gleichen Produkts übertragen werden. Der Leiter der NPZ Nürnberg, Dr. Gerhard Wackerbauer, formulierte es so: „EXAP-Regeln sind Leitplanken, zwischen denen wir uns bewegen dürfen.“ Eine Interpretation der zugrundeliegenden Normen der Reihe EN 15269 mit fast 700 Seiten kann jedoch nur durch eine kompetente und erfahrene Stelle – die NPZ – erfolgen. Die NPZ des ift Rosenheim blickt beispielsweise auf mehr als 17 Jahre Prüferfahrung, auf über 2000 Brandschutzprüfungen sowie eine große Zahl gutachtlicher Stellungnahmen und bereits jetzt auf über 50 EXAP-Berichte zurück.
Bereits bei der Festlegung des Prüfprogramms wird demnach der Grundstein dafür gelegt, dass mit minimaler Prüfanzahl eine optimale Variantenvielfalt des Produkts generiert werden kann. Die Prüfergebnisse finden sich wieder im Klassifizierungsbericht (KB), der deklarierbare Eigenschaften und Klassen festlegt, sowie im EXAP-Bericht, der alle Details der Konstruktion beinhaltet. Diese Dokumente bilden im Wesentlichen – zusammen mit der Systemdokumentation für die Herstellung der FSA – die Grundlagen für deren Überwachung und Zertifizierung. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang auch das Hardware performance sheet (HPS), die Leistungsbeschreibung der verwendeten Baubeschläge. Das HPS ist im Prinzip eine Art Inhaltsverzeichnis, das die Prüfdaten der Beschlagteile sammelt und aufbereitet. Es ist kein „Muss“, dient aber als unterstützendes Dokument sowie zur Vorlage bei der NPZ und erleichtert die Dokumentation der Produktfamilie.
Liegt ein gültiger Klassifizierungsbericht vor, kann zwischen Hersteller und NPZ ein Überwachungs- und Zertifizierungsvertrag geschlossen werden. Nun gilt es alle Voraussetzungen wie den Aufbau einer werkseigenen Produktionskontrolle, eine Auditierung im Herstellwerk usw. zu erfüllen. Liegt eine positive Gesamtbewertung (= Konformitätsbewertung) durch die NPZ vor, wird von der NPZ das „Zertifikat zur Bestätigung der Leistungsbeständigkeit“ für den Hersteller mit einer dreijährigen Gültigkeit ausgestellt. Ab diesem Zeitpunkt kann der Hersteller seine FSA mit einer Leistungserklärung und dem CE-Kennzeichen ausstatten und in Verkehr bringen.
Für Systemgeber/Systemnehmer stellt die ift-Zertifizierungsstelle fertige Konzepte mit Rahmenvertrag und flexiblen Überwachungsangeboten zur Verfügung.