Das Foto zeigt einen Rollstuhlfahrer auf einem Bootssteg als Symbolbild für DIN 18040.

Neuer Entwurf DIN 18040 – „Barrierefreiheit“

Konsequenzen für Fenster und Türen

Lesezeit: 7 Minuten

Die Barrierefreiheit von Gebäuden ist eine wichtige Eigenschaft, die im Kontext einer alternden Bevölkerung, Inklusion und Gleichberechtigung stark in der Diskussion steht.

Mit Ausgabedatum Februar 2023 wurde der Entwurf der E DIN 18040 Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude und Teil 2: Wohnungen veröffentlicht. Beide Teile gelten verpflichtend zwar nur für den Neubau von Gebäuden, aber werden natürlich auch als Basis für die Gebäudemodernisierung genutzt.

Der dritte Teil der Normreihe mit dem Titel „Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum“ wurde bereits im Januar der Öffentlichkeit vorgestellt.

Diese Entwürfe sollen zusammen, mit der im August 2021 veröffentlichten europäischen Norm DIN EN 17210, die jeweiligen nationalen Vorgängernormen ersetzen. Grundsätzliche Änderungen für die Bauteile Fenster und Tür sind dabei nicht zu erkennen. Es gibt allerdings wichtige Änderungen im Detail, die Planer, Hersteller, Händler und Montagebetriebe kennen sollten.

Hintergrund der Überarbeitung

Mit Erscheinen der übergeordneten DIN EN 17210 „Barrierefreiheit und Nutzbarkeit der gebauten Umwelt - Funktionale Anforderungen“ wurde eine Überarbeitung bzw. Anpassung der nationalen Normreihe DIN 18040 erforderlich. Zur DIN EN 17210 ist anzumerken, dass Sie vornehmlich Schutzziele formuliert und Empfehlungen enthält. Mithin sind die dort getroffenen funktionalen Anforderungen rein qualitativ formuliert, d.h. ohne konkrete quantitative Angaben und somit schwierig für die praktische Anwendung. Genauere Informationen zur DIN EN 17210 finden sich in der ift-Publikation „Barrierefreiheit – die neue DIN EN 17210 – Auswirkungen auf die nationale Normreihe DIN 18040“.

Das Foto zeigt einen Rollstuhlfahrer auf einem Bootssteg als Symbolbild für DIN 18040.
Bild 1: Quo Vadis DIN 18040? (Quelle: © Jenny Sturm – stock.adobe.com)

Was hat sich geändert?

Grundsätzlich gibt es für Fenster und Türen nur punktuelle Änderungen bzw. Ergänzungen. So bleibt die Struktur (Inhaltsverzeichnis, Abbildungen etc.) im Wesentlichen erhalten. Einige Abschnitte – wie beispielsweise 4.3.3.5 „Orientierungshilfen an Türen“ und auch 5.3.2 „Fenster“ (nur im Teil 2) wurden wortgleich übernommen. Auch die wesentlichen Anforderungen an Türen und Fenster und deren Einbaulage (Bild 1 und 2) sind – mit Ausnahme der Angabe zur max. zulässigen Schwellenhöhe – nicht wesentlich geändert worden. Erwartungsgemäß erhöhte die Überarbeitung auch den Umfang der Norm, was nicht verwundert, da die europäische Grundlage DIN EN 17210 mit stolzen 324 Seiten aufwartet.

Viele der normativen Anforderungen richten sich nicht primär an das Bauteil selbst, sondern an die Zugänglichkeit und Erreichbarkeit. Diese werden im hohen Maße durch die Positionierung im Baukörper bestimmt. So wurde beispielsweise ein zusätzliches Bild 6 „Bewegungsflächen zwischen den Tür-Schwenkbereichen“ aufgenommen, dass die Bewegungsflächen in einer „Schleusenanordnung“ zeigt. Im Zuge dessen wurden neue Fußnoten in Tabelle 1 „Geometrische Anforderungen an Türen“ hinzugefügt. Ein Großteil der normativen Inhalte sind planerische Vorgaben, die der Hersteller üblicherweise nicht beeinflussen kann, aber dennoch kennen sollte. Letztlich ist das barrierefreie Bauen vorrangig eine Planungsaufgabe, die durch Fachplaner erfolgen sollte. Hinweise hierfür bietet die ift-Fachinformation BA-02/1 „Empfehlungen zur Umsetzung der Barrierefreiheit im Wohnungsbau mit Fenstern und Türen“. In dieser Publikation werden Zielkonflikte und praktische Lösungen aufgezeigt.

Die Grafik zeigt die verschiedenen Elemente einer barrierefreien Tür wie Höhe, Bedienkräfte, Bewegungsflächen, Markierungen etc. (Bildquelle: ift-Fachinformation BA-02/1)
Bild 2: Elemente einer barrierefreien Tür (Bildquelle: ift-Fachinformation BA-02/1)
Die Grafik zeigt Elemente eines barrierefreien Fensters bzw. Fenstertür wie Bedienkräfte, Brüstungshöhe, Breite, Bewegungsflächen, Griffhöhen   (Bildquelle: ift-Fachinformation BA-02/1)
Bild 3: Elemente eines barrierefreien Fensters bzw. Fenstertür (Bildquelle: ift-Fachinformation BA-02/1)

Nachfolgend werden auszugsweise die wichtigsten Änderungen für Fenster und Türen aufgeführt.

In Abschnitt 1 Anwendungsbereich findet sich die – gegenüber der Vorgängernorm – leicht geänderte Formulierung: „Dieses Dokument ist anzuwenden für Neubauten. Für die Planung von Umbauten oder Modernisierungen ist das Dokument sinngemäß anwendbar.“

Wir verstehend dies so, dass die in der Norm vorgegebenen Schutzziele auch im Altbau anzustreben sind. Dies ist aber aufgrund von Rahmenbedingungen, insbesondere baulichen Begebenheiten, nicht immer und überall vollumfänglich ohne massiven Eingriff in die Bausubstanz zu erreichen. Welche der Anforderungen umsetzbar sind, ist im konkreten Einzelfall zu entscheiden. Diese Entscheidung ist im Grunde ein Abwägen und eine Kompromisssuche und sollte nach Möglichkeit mit allen Beteiligten erfolgen (Bauherr, Planer und Hersteller/Monteur).

Der Abschnitt 3Begriffe“ wurde deutlich – auf nunmehr 15 Begriffe (in Teil 1) – erweitert. Hier finden sich nun erstmalig Definitionen zu folgenden Aspekten

3.11 Schwelle

„Horizontales Teil am unteren Türrahmen, über dem der Türflügel ruht und das den Fußboden zwischen zwei angrenzenden Bereichen trennt“

[Quelle: DIN EN 12519:2019-02, 3.58, modifiziert – Anmerkung 1 zum Begriff entfernt]

3.12 Niveaugleicher Übergang

„Horizontaler Übergang zwischen zwei baulichen Ebenen mit einem toleranzbedingten Höhenversatz von max.4 mm“ und Anmerkung 1 zum Begriff: „Übergangsschienen und Übergangsprofile sind dabei zulässig.“

Damit wurde die missverständliche Begrifflichkeit „schwellenlos“ durchgängig ersetzt durch „niveaugleicher Übergang“ und mit einer Toleranzangabe versehen.

Zudem wurde das in der Praxis häufig diskutierte Thema der Toleranzen konkretisiert und erstmalig und beispielhaft auf DIN 18202 „Toleranzen im Hochbau — Bauwerke“ (undatiert) verwiesen. So findet sich in beiden Teilen der E DIN 18040 in Abschnitt 4 und 5 folgender Hinweis:

Abschnitt 4 legt „Fertigmaße fest. Fertigmaße beinhalten Toleranzen (siehe z. B. DIN 18202). Toleranzen dürfen nicht dazu führen, dass geforderte Mindestmaße unterschritten und Maximalmaße überschritten werden. Sie sind daher im Planungsprozess zu berücksichtigen. Abweichungen in der Ausführung können nur toleriert werden, soweit die in diesem Dokument bezweckte Funktion erreicht wird.“

Die angesprochenen Fertigmaße sind in vielen Fällen eine Summe von mehreren Einzelmaßen. Diese ergeben sich meistens aus verschiedenen Einzelgewerken mit eigenen Vorgaben und Toleranzangaben, die sich auch ungünstig addieren können. Im Ergebnis ist es denkbar, dass sich rechnerisch Abweichungen ergeben können, die mit dem barrierefreien Schutzziel nicht korrelieren. Klassisches Beispiel hierfür ist die Angabe zur Drückerhöhe. Es empfiehlt sich engere Toleranzvorgaben bzw. höher Ausführungsgenauigkeiten seitens der Planung vorzugeben, damit das vorgegebene Schutzziel sicher erreicht werden kann.

Die Tabelle gibt eine Übersicht der der Änderungen alte/neue DIN 18040 bei der Schwellenausbildung von Türen und Fenstertüren und Bedienkräften. (Auswahl)
Tabelle 1: Übersicht der der Änderungen alte/neue DIN 18040 (Auswahl)

Schwellenausbildung von Türen

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass wieder die Formulierungen zur Schwellenausbildung bzw. deren Auswirkungen auf die Konstruktion im Fokus der Diskussionen stehen werden (wie schon bei früheren Einspruchsrunden). In Tabelle 1 sind die Formulierungen zu den Anforderungen in den verschiedenen Normen gegenübergestellt. Wird die „neue“ Formulierung der „alten“ gegenübergestellt fällt auf:

  • Der Text ist deutlich länger
  • aus „sind nicht zulässig“ wurde „nach Möglichkeit sollten“
  • Begriff „schwellenlos“ gegen „niveaugleich“ getauscht 
  • Reduzierung der Ausnahmeregelung für die Schwellenhöhe von 2 cm auf 1 cm Schwellenhöhe, wobei eine genaue Beschreibung dieses Maßes nicht erfolgt.
  • Formulierung „Untere Türanschläge sind nicht zulässig. Sind sie aus technischen Gründen unabdingbar…“ wird durch „Können Türanschläge nicht vermieden werden, darf die Schwellenhöhe …“ ersetzt.
  • Begriff „Überrollbarkeit“ und „Stolpergefahr“ aufgenommen
  • Begriffe „abgeschrägt oder abgerundet“ erwähnt, aber nicht eindeutig geregelt

Praxishinweis zur Schwellenhöhe:

Um den häufigen „Millimeter-Diskussionen“ hinsichtlich der Schwellenhöhe entgegenzuwirken und dem formulierten Schutzziel „leicht überrollbar“ einen reproduzierbaren Wert zuordnen zu können, hat das ift Rosenheim die ift-Richtlinie „BA-01/1 Ermittlung und Klassifizierung der Überrollbarkeit von Schwellen“ veröffentlicht, die eine Ermittlung und Klassifizierung der Überrollbarkeit ermöglicht. Im Ergebnis können verschiedene Schwellenausführungen objektiv verglichen und quantifiziert ausgeschrieben werden. Zur Vermeidung von Diskussionen oder Streitigkeiten, sollte der Auftragnehmer vor der Ausführung die technisch realisierbare Schwellenhöhe kommunizieren und vom Auftraggeber freigeben lassen.

Schwellenausbildung bei Fenstertüren

Bodentiefe Fenstertüren (Balkon- und Terrassentüren) gehören normativ zu den Fenstern. Nur im Teil 2 „Wohnung“ finden sich Anforderungen an Fenster. Angaben zur Schwellenausbildung an Fenstertüren finden sich nicht im Kapitel 5.3.2 „Fenster“, sondern in Abschnitt 5.3.6 „Freisitz“ (s.a. Gegenüberstellung in Tabelle 1).

Anmerkung:

DIN EN 17210 kennt den Begriff „Fenstertür“ nicht.

Durch den geänderten Verweis gelten nunmehr für Fenstertüren dieselben Anforderungen wie für Türen und damit auch die Ausnahmeregelung mit bis zu 1 cm Schwellenhöhe. Eine technische Unabdingbarkeit ist nicht mehr erforderlich bzw. nachzuweisen. Damit sind Anschlagdichtungssysteme für Fenstertüren technisch schwer umsetzbar.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass dieser Absatz erneut zu einer Vielzahl von Einsprüchen führen wird. Dies verwundert, da andere Anforderungen aus der Norm weitaus gravierendere Folgen in der Umsetzung am Bau haben können. Dies gilt besonders für die Bedienkraft und die daraus resultierende Vorgabe zur Ausstattung mit Antrieben und ggf. notwendigen Absicherungsmaßnahmen. An dieser Stelle sei deutlich erwähnt, dass die normativen Anforderungen an Türen mit ca. 4,5 Seiten umfangreich sind und die Schwellenhöhe nur ein Aspekt darstellt.

Bedienkräfte bei Türen mit Türschließern

Hinsichtlich der zulässigen Bedienkräfte und -momente gibt es ebenfalls eine Änderung bzw. Konkretisierung. Denn die Anforderung an die Bedienkraft zur Einleitung der Bewegung wird klarer formuliert und zwar in Form einer max. Kraft von 50 N (entspricht Klasse 2 nach DIN EN 12217). Der Krafteinleitungspunkt ist leider nicht eindeutig formuliert. Die dazugehörige Prüfnorm EN 12046-2 wird derzeit aktualisiert.

Ausblick – Wie geht’s weiter?

Anfang 2024 endet die 36-monatige Frist zur Überarbeitung der nationalen Normreihe DIN 18040. Im Ergebnis müssen bis dahin die Einsprüche bearbeitet und die drei Teile der Norm veröffentlicht werden. Aufgrund der zu erwartenden, zahlreichen Einsprüche eine große Herausforderung für den zuständigen Normausschuss.

 

Literatur

  1. E-DIN 18040-1 – Barrierefrei Bauen, Planungsgrundlagen. Teil 1 öffentlich zugängliche Gebäude. Beuth Verlag GmbH, Berlin 2/2023
  2. DIN EN 17210:2021-08 – Barrierefreiheit und Nutzbarkeit der gebauten Umwelt - Funktionale Anforderungen; Deutsche Fassung EN 17210:2021. Beuth Verlag GmbH, Berlin
  3. ift-Fachinformation BA-02/1 "Empfehlungen zur Umsetzung der Barrierefreiheit im Wohnungsbau mit Fenstern und Türen", ift Rosenheim, Rosenheim10.2018, ISBN: 978-3-86791-425-3
  4. Forschungsbericht: "Bewertung der Barrierefreiheit von Bauelementen am Anwendungsbeispiel Fenster und Türen“, ift Rosenheim, Rosenheim 06.2018
  5. DIN 18202:2019-07 – Toleranzen im Hochbau – Bauwerke. Beuth Verlag GmbH, Berlin 7/2019

Headerbild: © Jenny Sturm – stock.adobe.com

Knut Junge

ift Rosenheim

Dipl.-Ing. (FH) Knut Junge ist seit 2002 am ift Rosenheim tätig. Er ist Mitarbeiter des ift-Sachverständigenzentrums sowie Mitglied in Normenausschüssen und Gremien für das barrierefreie Bauen.

Prof. Jörn P. Lass

ift Rosenheim

Prof. Jörn P. Lass ist der Institutsleiter des ift Rosenheim und seit über 39 Jahren in der Fenster- und Fassadenbranche tätig. Als gelernter Glaser und Fensterbauer absolvierte er ein Studium der Holztechnik und war in leitenden Funktionen bei einem Systemgeber, Fenster- und Fassadenherstellern sowie 14 Jahre im ift Rosenheim in den Bereichen Forschung, Prüfung, Güteüberwachung, Normung und Zertifizierung tätig. Die letzten sechs Jahre leitete er als Professor an der Technischen Hochschule Rosenheim die Studienrichtung „Gebäudehülle“ und ist seit Januar 2020 als Institutsleiter wieder im ift Rosenheim.

Ingo Leuschner

ift Rosenheim

Dipl.-Ing. (FH) Ingo Leuschner († 2023) war seit 1997 Mitarbeiter am ift Rosenheim. Seine Tätigkeiten umfassten die technische Assistenz der Institutsleitung und die Leitung von div. Forschungsprojekten (Holzfassaden, Beschlagtechnik, Verbundaufbauten, Oberflächentechnik). Er hielt Schulungen, Seminare sowie Vorträge und war seit 2014 Leiter des ift-Sachverständigenzentrums. Seit 2017 war er Geschäftsbereichsleiter Technik, Mitglied der Geschäftsleitung mit Prokura und ab August 2021 stv. technischer Institutsleiter.

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