Ein Kind das versucht eine Fenstertür zu öffnen.

Moderne Fenster heute

Zielkonflikt zwischen Wärmeschutz, Sicherheit und Barrierefreiheit

Lesezeit: 7 Minuten

Energieeffizientes Bauen mit Fenstern und Glas ist heute ein effizienter Mix aus Dreifach-verglasung, sommerlichem Wärmeschutz und Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Bau-elemente müssen aber auch andere Funktionen erfüllen.

Bild 1: Fenster im Zielkonflikt unterschiedlicher Anforderungen und Eigenschaften

Dies verursacht Zielkonflikte, beispielsweise zwischen Wärmeschutz und Sicherheit oder Barrierefreiheit. Einbruchhemmende Elemente brauchen oft stahlverstärkte Fensterflügel, die den Uf-Wert verschlechtern; barrierefreie Schwellen bei Haus- und Terrassentüren können unerwünschte Wärmebrücken verursachen. Auch neue Technologien, mit denen sich die Energieeffizienz verbessern lässt, kommen auf den Markt – beispielsweise druckentspanntes Mehrscheiben-Isolierglas (DEMIG).

Einbruchhemmung

Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es zwar nicht, aber in 43 % der Fälle werden Einbrüche durch einbruchhemmende Bauteile verhindert. Die Einbruchhemmung beginnt bereits bei der Gebäudeplanung; nicht einsehbare Bereiche (Kellereingänge, Terrassen, Türen in Nischen etc.) sollten vermieden werden.

Grundsätzlich funktionieren einbruchhemmende Bauteile als „Sicherheitskette“. Das heißt, von der Befestigung in der Wand, geeignete Fensterprofile, Schlösser und Beschläge inkl. Befestigung bis zur eingesetzten Verglasung muss jedes Detail auf die Einbruchhemmung abgestimmt werden. Die Bewertung der Einbruchhemmung erfolgt nach den Widerstandsklassen (Resistance Class) RC 1 bis RC 6, die sich am Täterverhalten orientieren. Die Kenngröße ist die „Einbruchzeit“ bei der Prüfung, weil auch der echte Einbrecher Angst vor dem Entdecktwerden hat, mit zunehmender Zeit nervös wird und dann den Einbruch abbricht.

Die Tabelle zeigt alle möglichen Einbruchswerkzeuge und beschreibt in den Spalten die Täterbeschreibung, die Widerstandszeit und die Einsatzempfehlung. Nähere Informationen zur Darstellung erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.
Tabelle 1: Beschreibung der Widerstandsklassen in Abhängigkeit vom Täterverhalten und zuge-hörige „Werkzeugsätze“

Im Bereich des Fensterflügel und der Verglasung gibt es einen „Spagat“ zwischen Einbruchhemmung und Wärmeschutz. Aluminiumfenster haben hier leichte Vorteile, weil bereits die Standardprofile stabil genug sind. Bei Kunststoffprofilen werden die Fensterflügel oft durch zusätzliche Stahlprofile verstärkt, um das Aufhebeln zu erschweren. Bei Holzfenster geschieht dies durch den Einsatz von Harthölzern wie Eiche oder auch mit Stahlprofilen. Diese Zusatzmaßnahmen verschlechtern aber den UW-Wert.

Der Querschnitt eines Klassischen einbruchhemmenden Kunststoff-Fenster.
Bild 2: Klassisches einbruchhemmendes Kunststoff-Fenster mit zusätzlichen Metallverstärkungen in den Hohlkammern [1]

Dennoch gibt es auch PVC- und Holzfenster, die Einbruchhemmung bis zur Widerstandsklasse RC 2 bei gleichzeitig gutem Wärmdämmwert ermöglichen. Bei PVC-Fenstern sollte das Profil einen Uf-Wert unter 1,0 W/(m² K) und eine wärmedämmende Dreifachverglasung (Ug ≈ 0,6 W/(m² K)) haben, die gleichzeitig einbruchhemmend ist (Klasse P4A). Damit lassen sich UW-Werte von bis zu 0,8 W/(m² K) erreichen, die auch für Energieplushäuser geeignet sind und die Anforderungen für die Einzelförderung der KfW-Bank erfüllen. Moderne einbruchhemmende Fenster nutzen hierfür moderne Klebetechnik, bei der die Glasscheiben im Glasfalzgrund des Fensterflügels verklebt werden. Hiermit werden die Steifigkeit des Fensters und die Sicherung der Glasanbindung verbessert. Die Klebung ist mit Silikon, Acrylat, PU und auch mit Klebebändern möglich. Wichtig ist, dass das Klebesystem im kompletten Fenster geprüft wurde, weil nur so die komplexe Belastung und konstruktive Zusammenhänge ermittelt werden können. Deshalb sollte man bei den Prüfzeugnissen nachhaken, ob der ausgewiesene UW-Wert auch für Fenster mit Einbruchhemmung gilt. Geprüfte und überwachte einbruchhemmende Fenster und Türen sind durch das ift-Kennzeichenschild erkennbar.

Kennzeichnungsschild für zertifizierte einbruchhemmende Produkte, in welcher der Hersteller, die Produktbezeichnung, der Prüfbericht, die Prüfstelle, das Herstellungsjahr und die Produktqualität aufgeführt wird.
Bild 3: Kennzeichnungsschild für zertifizierte einbruchhemmende Produkte
Ein Kind das versucht eine Fenstertür zu öffnen.
Bild 4: Hohe oder schwergängige Griffe sind nicht nur für ältere Menschen ein Problem
Skizze, welche die mögliche Anordnung von Fenstern für eine barrierefreie Gestaltung zeigt

Barrierefreiheit

Barrierefreies Bauen hilft nicht nur Menschen mit Handikap, sondern auch Kindern oder temporär „eingeschränkten“ Personen, beispielsweise wenn bei einer Verletzung nur eine Hand gebraucht werden kann. Fenster und Türen spielen aufgrund ihrer Funktionalität dabei eine wichtige Rolle. Relevant sind hier geringe Be­dienkräfte (max. 25 N, ca. 2,5 kg) für das Öffnen und Schließen sowie barrierefreie Schwellen, die man mit einem Rollator oder im Rollstuhl leicht und gefahrlos nutzen kann. Insgesamt gilt das Zwei-Sinne-Prinzip, bei dem Informationen zur Nutzung visuell, haptisch oder akustisch vermittelt werden.

Schwellen müssen trittfest unterfüttert werden. Wenn keine druckfesten Dämmstoffe (PUR, Hartschaum etc.) oder eine thermische Trennung geplant sind, sondern Metallprofile, Beton oder Mauersteine verwendet werden, kommt es zu massiven Wärmebrücken und Tauwasserproblemen. Bei der Konstruktion und Planung barrierefreier Schwellen muss deshalb der Mindestwärmeschutz nach EnEV und DIN 4108-2 beachtet werden, der an der wärmetechnisch ungünstigsten Stelle nachgewiesen werden muss (Baukörperanschluss). Kennzahl ist der raumseitige Temperaturfaktor fRSI der unter 0,7 liegen sollte.

Das Schaubild zeigt, wie Barrierefreie Schwellen Eingerichtet werden müssen.
Bild 6: Barrierefreie Schwellen müssen auch bauphysikalische Anforderungen erfüllen
Die Tabelle zeigt in Spalten den Typ, die Schematische Darstellung, die Geometrie, die Kraft zum Überrollen in N und die Überrollbarkeit bei Schwellen. Nähere Informationen erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.
Tabelle 2: Beispiele für Schwellen und Klassifizierung der Überrollbarkeit [2]

Zu beachten ist aber auch die Schlagregendichtheit, denn ohne zusätzliche bauliche Maßnahmen kommt es bei Nullmillimeter-Schwellen oft zum raumseitigen Wassereintritt. Durch zusätzliche konstruktive Maßnahmen kann die Klasse 7A für zweiflügelige Stulpfenstertüren oder die Klasse 9A für einflügelige Fenstertüren erreicht werden. Hierzu zählen ausreichend dimensionierte Wetterschenkel mit Wasserabreißnut, Windstopper, ausreichende räumliche Trennung zwischen Wind- und Regensperre, der Einsatz von Schlauchdichtungen sowie bauliche Maßnahmen, die eine direkte Spritzwasserbelastung reduzieren (Vordach, Nische etc., Schmutzgitter und Vorkehrungen gegen Schnee- oder Eisbildung). Dies muss vom Planer berücksichtigt und ausgeschrieben werden.

In einem Forschungsprojekt hat das ift Rosenheim untersucht, welche Produkteigenschaften die Barrierefreiheit am stärksten reduzieren. Dies ist meistens die Überrollbarkeit und nicht die Höhe von Hindernissen wie Türschwellen, Teppichen, Bodenversatz und die Bedienkräfte der Fenster- und Türgriffe. Bei radgebundenen Hilfsmitteln (Rollstuhl, Rollator etc.) ist die Passierbarkeit einer Schwelle von deren leichter Überrollbarkeit abhängig und deshalb zur Bewertung der Barrierefreiheit gut geeignet. Außer der Schwellenhöhe hat auch die Schwellengeometrie Einfluss auf die Überrollbarkeit. Beides fließt in die Bewertung und Klassifizierung der Überrollbarkeit gemäß ift-Richtlinie BA-01/1 ein.

Druckentspanntes Isolierglas (DEMIG)

Die Integration von Verschattung oder Lichtlenkung in den Scheibenzwischenraum (SZR) des Isolierglases ermöglicht einen wirksamen und witterungsgeschützten Sonnenschutz. Durch den notwendigen hermetischen Abschluss von konventionellem Isolierglas ist die Größe des SZR stark begrenzt. Denn bei größerem SZR steigen die Klimalast und damit das Glasbruchrisiko. Somit bleibt nur wenig Platz im SZR für Einbauten, und das Risiko von Funktionsstörungen ist hoch.

Zeigt, dass sie das Fenster bei wärme etwas ausdehnt und bei Kälte einzieht, der Sonnenschutz jedoch, wenn es eingezogen ist eingeklemmt ist.
Bild 7: Klimalasten führen zu Verformungen und können den Sonnenschutz einklemmen
Bild 8: Druckentspanntes Isolierglas mit innenliegendem Sonnenschutz (Iconic Skin [7])

Das ift Rosenheim hat deshalb alternative Konstruktionsprinzipien für Isoliergläser und Glasfassaden in einem Forschungsprojekt untersucht. Hierzu wurde der SZR der Mustergläser zum Außenklima geöffnet, um die Klimalasten zu neutralisieren und gleichzeitig das Eindringen von Luftfeuchte und Schmutz zu vermeiden. Eine solche Konstruktion wird als druckentspanntes Isolierglas (DEMIG) bezeichnet und bietet folgende Vorteile:

  • Leichtere Integration von Bauteilen jeglicher Art in den SZR,
  • Isolierglas mit mehr als drei Scheiben und damit besserem U-Wert,
  • Größere Bautiefe mit verringerten Wärmebrücken,
  • Verbesserung der Luftschalldämmung,
  • Verringerung des Glasbruchrisikos und Verlängerung der Lebensdauer.

Die Wirkweise der ausgewählten Druckausgleichsverfahren (Kapillarfugen, Membran oder Ventile) wurde im Labor und in Freilandversuchen geprüft. Je nach Format, Aufbau, Klimabelastung und angestrebtem Grad der Druckentspannung sind Nutzungsdauern von über zwanzig Jahren möglich. Auf den Messen Fensterbau Frontale und BAU wurden erste Produkte präsentiert, die für Fensterwände und Fassaden einsetzbar sind.

Lüftung

In energieeffizienten Neubauten ist die zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (WRG) leicht zu integrieren und weit verbreitet. In Bestandsgebäuden ist dies meistens nicht möglich, weil die nachträgliche Integration der Lüftungsleitungen in Decke oder Boden hohe Kosten verursacht. Hier bieten sich dezentrale Lüftungskonzepte mit Fenstern an. Im einfachsten Fall sind dies „Lüftungsschlitze“ im Fensterfalz, mit denen die benutzerunabhängige Lüftung nach DIN 1946-6 sichergestellt wird. Professionelle Lösungen begrenzen den Luftaustausch in Abhängigkeit vom Luftdruck, indem bei einem Luftdruck von über 10 Pa der Lüftungsquerschnitt reduziert und nachfolgend geschlossen wird. Hochwertige Fensterlüfter mit WRG reduzieren die Lüftungswärmeverluste und können sogar in den Fensterrahmen integriert werden.

Die Energieeffizienz lässt sich auch durch Gebäudeautomation oder Smart Home-Funkti­onen verbessern, mit denen eine bedarfsgerechte Lüftung über motorisch öffenbare Fenster realisiert werden kann. Parallelausstellfenster sind hierfür gut geeignet, weil die Beschlagfunktion eine Spaltlüftung ermöglicht, die auch im Lüftungszustand eine akzeptable Schlagregendichtheit und Einbruchhemmung bietet. Nach Berechnungen gemäß EN 15232 und DIN 18599 lassen sich Verbesserungen im Nicht-Wohnbau von 15 bis 20 % erreichen; auch bei den Kennwerten im Energieausweis sind Verbesserungen von bis zu 10 % möglich [4].

Bild 9: Integrierter Fensterlüfter mit Wärmerückgewinnung (Rehau, ift Sonderschau [6])

Literatur

  1. ifz info EI-05/2
    Einbruchhemmung an Fenstern (kostenloser Download)
  2. ift-RICHTLINIE BA-01/1
    „Ermittlung und Klassifizierung der Überrollbarkeit von Schwellen“, ift Rosenheim 10/2018, ISBN: 978-3-86791-424-6
  3. ift-Fachinformation BA-02/1
    Empfehlungen zur Umsetzung der Barrierefreiheit im Wohnungsbau mit Fenstern und Türen.
    ift Rosenheim, 10/2018; ISBN: 978-3-86791-425-3
  4. ift-Richtlinie FE-17/1
    Einsatzempfehlungen für Fenster bei altersgerechtem Bauen.
    ift Rosenheim 4/2016, ISBN: 978-3-86791-392-8 (kostenloser Download)
  5. Untersuchungen Prof. Dr. Michael Krödel, Rosenheim 2017, Studiengang Gebäudeautomation an der technischen Hochschule Rosenheim.
  6. ift-Fachinformation FI EL-03/1
    Smart Home mit modernen Bauelementen.
    ift Rosenheim 4/2018; ISBN: 978-3-86791-421-5
  7. Dokumentationsband ift Sonderschau „Erfolg mit Sicherheit + Qualität!“, Fensterbau Frontale 2016
  8. Dokumentationsband ift-Sonderschau „Bauelemente TripleS“, BAU 2019

Jürgen Benitz-Wildenburg

ift Rosenheim

Dipl.-Ing. (FH) Jürgen Benitz-Wildenburg leitet im ift Rosenheim den Bereich PR & Kommunikation. Als Schreiner, Holzbauingenieur und Marketingexperte ist er seit 30 Jahren in der Holz- und Fensterbranche in verschiedenen Funktionen tätig. Als Lehrbeauftragter, Referent und Autor gibt er seine Erfahrung weiter.

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