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Der Klimawandel ist da und verursacht Wetterextreme mit Hitzewellen, Überflutun-gen durch Starkregen oder Hagelstürmen mit hohen Risiken für Menschen und Ge-bäude. Es geht deshalb darum, den Klimawandel durch energieeffiziente und nach-haltige Bauprodukte zu bremsen und sich vor Klimaextremen besser zu schützen. Detaillierte Informationen finden sich unter www.klima-sicher-bauen.de.
Wir sind bereits mitten im Klimawandel und die Zunahme von Hitzetagen und Starkregenereignissen mit Überflutungen gefährden unser Leben immer stärker – in Deutschland, in Europa und weltweit. Das führt nicht nur zu Schäden an Gebäuden und der Infrastruktur, sondern verursacht auch erhebliche Gesundheitsbelastungen bis hin zu Todesfällen, insbesondere Hitzetote. Deshalb wird von Seiten der Politik, Kommunen und öffentlichen Institutionen die Umsetzung von Klimaanpassungen im Gebäudebereich immer dringlicher. Aber auch private und institutionelle Immobilienbesitzer wollen ihre Gebäude fit für die Zukunft machen und dabei die Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und die Klimaresilienz verbessern – also einen besseren Schutz gegen zunehmende Wetterextreme.
Deshalb werden immer mehr „klimasichere“ Bauprodukte entwickelt. Hierfür sind Materialien mit ausreichender Temperaturfestigkeit notwendig sowie geeignete Konstruktionen mit höherer Widerstandsfähigkeit gegen Starkregenereignisse, Hochwasser, Hagel und Stürmen. Ein Umdenken ist aber auch bei Architekten und der Immobilienwirtschaft notwendig, wenn es um den Bau und die Sanierung von Gebäuden geht, bei denen die Gebäudehülle mit Fassaden, Fenster, Türen und Sonnenschutz besondere Aufmerksamkeit benötigen.
(Quelle: Robert Koch-Institut (Hrsg.) (2023): Sachstandsbericht Klimawandel und Gesundheit, Teil 1. Journal of Health Monitoring 8(S3), DOI: 10.25646/11644 Seite 16)
Hochwasserschutz
Hochwasser tritt schon lange nicht mehr nur an Flüssen und Bächen auf. Auch das Oberflächenwasser bei lokalen Starkregenereignissen führt oft zu Überschwemmungen. „Normale“ Fenster und Türen können zwar bei Schlagregen den Wassereintritt ins Gebäude verhindern, aber bei Stauwasser sind hochwasserbeständige Fenster notwendig, deren Hochwasserhemmung nach der ift-Richtlinie FE 7/3 „Hochwasserbeständige Fenster und Türen“ geprüft wurde. Hochwasserereignisse führen auch zu Schäden, wenn kein Wasser in den Raum eindringt, weil die in den Hohlräumen der Fensterkonstruktionen eingedrungene Feuchtigkeit und Verschmutzung zu Beeinträchtigungen durch Gerüche, Schimmelpilze und sonstigen Emissionen in die Raumluft führt. Hochwasserbeständige Fenster sind Spezialkonstruktionen, die erweiterte Schutzfunktionen übernehmen. Denkbar sind auch wirksame Kombisysteme aus Fenstern und temporären Schutzelementen (Schotte), die bei Gefahr aktiviert werden.
Um die Schutzwirkung hochwasserhemmender Fenster, Türen und Bauelemente fachgerecht zu planen und auszuschreiben, hat das ift Rosenheim die ift-Richtlinie FE-07/3 „Hochwasserbeständige Abschlüsse – Fenster, Türen und Tore sowie Rollläden“ entwickelt. Die Prüfergebnisse und Klassifizierungen können dann für die Planung und Ausschreibung hochwasserhemmender Bauelemente verwendet werden. Die Anforderungen an den Hochwasserschutz werden in vier Klassen eingeteilt, um unterschiedlichen Risikoerwartungen und wirtschaftlichen Aspekten Rechnung zu tragen (Je dichter, desto aufwändiger):
- Hochwasserbeständige Bauelemente, mit einem max. Wassereintritt von 240 l/24 h bei einem Wasserstand von min 0,5 m,
- Wasserundurchlässige Bauelemente, mit einem max. Wassereintritt von 24 l/24 h bei einem Wasserpegel von min. 0,1 m,
- Wasserundurchlässige Bauelemente, mit einem max. Wassereintritt von 1 l/24 h bei einem Wasserpegel von min. 0,1 m,
- Wasserdichte Bauelemente ohne Wassereintritt (mit Angabe der max. Wasserhöhe) bei einer min. Belastung von 0,1m Wasserhöhe.
(Bild Dokuband ift Sonderschau BAU 2025/ACO)
Schutz vor Überhitzung
Aktuelle Prognosen zeigen eine deutliche Zunahme von Hitzewellen mit Temperaturen von 30 °C und mehr. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) prognostiziert, dass sich die Anzahl der Sommertage (Außenlufttemperatur > 25 °C), heißer Tagen (> 30 °C) und Tropennächten (> 20 °C) verdoppeln und bei zukünftigen heißen Sommern sogar verdreifachen wird.
Der menschliche Organismus ist in der Lage, seine Körperkerntemperatur innerhalb enger Grenzen konstant zu halten (Schwitzen). Dieser Mechanismus kann jedoch bei hohen Außentemperaturen, hoher Luftfeuchtigkeit oder unzureichender Luftzirkulation überfordert werden. Besonders kritisch wird es, wenn die sogenannte „gefühlte Temperatur“ – ein biometeorologischer Index aus Temperatur, Luftfeuchte, Strahlung und Wind – Werte über 32 °C erreicht. In solchen Situationen ist die Fähigkeit des Körpers zur Wärmeabgabe stark eingeschränkt. Steigt die Körperkerntemperatur um einige Grad, steigt das Risiko für die Gesundheit bis zur Lebensgefahr. Bei einer Überwärmung des Körpers (Hyperthermie), z. B. durch einen längeren Aufenthalt in warmer Umgebung, körperliche Anstrengung oder fehlende Möglichkeit der Wärmeabgabe kommt es zu Hitzeschäden wie Sonnenstich, Hitzeerschöpfung, Hitzekollaps, Hitzekrampf, Hitzschlag, Hitzeödem und als extremste Form, der Hitzetod.
Bei Hitzeperioden lässt sich deshalb ein deutlicher Anstieg der Gesamtmortalität nachweisen (Übersterblichkeit). Seit der Hitzewelle im Sommer 2003, bei der europaweit mehr als 70.000 zusätzliche Todesfälle registriert wurden, rückt die hitzebedingter Mortalität langsam in das öffentliche Bewusstsein. Für Deutschland wurden vom RKI für den Hitzesommer 2018 ca. 8.000 zusätzliche Todesfälle ermittelt, insbesondere in den südwestlichen Regionen. Auffällig ist dabei nicht nur die absolute Zahl der Todesfälle, sondern auch die zunehmende Häufung von Jahren mit signifikanter Hitzemortalität.
Gesundheit und Behaglichkeit beeinflussen die Produktivität und Leistungsfähigkeit von Beschäftigten in erheblichem Ausmaß. Die Hitzebelastung bei Tätigkeiten im Freien (Hoch-, Tief- und Gartenbau u. a.) ist offensichtlich, aber auch Tätigkeiten in Innenräumen (Büros, Schulen, Pflegeeinrichtungen oder Werkhallen) sind immer stärker von Überhitzung betroffen, insbesondere bei nicht klimatisierten Arbeitsplätzen. Der aktuelle DAK-Gesundheitsreport 2024 analysierte die Krankheitsdaten von 2,4 Mill. Versicherten aus 2023 und behandelt auch die gesundheitlichen Folgen an Hitzetagen. Im Sommer 2023 gaben 23 % der befragten Erwerbstätigen an, dass sie während der Arbeit stark durch Hitze belastet wurden. Über die Hälfte der Beschäftigten gab an, nicht so produktiv wie üblich gewesen zu sein und über zwei Drittel empfinden eine Einschränkung der persönlichen Leistungsfähigkeit. Rund ein Fünftel der Befragten berichtete sogar über gesundheitliche Beschwerden durch Hitze, insbesondere Abgeschlagenheit, Schlafprobleme, übermäßiges Schwitzen und Kreislaufbeschwerden.
Eine Kombination von gutem Dämmstandard, Verschattungen und Lüftung (Nachtlüftung) kann das Hitzerisiko in Gebäuden deutlich verringern. In Verbindung mit passiver Kühlung (Kühldecke/-fußboden) ist damit in gemäßigten Klimazonen (Deutschland, Mitteleuropa) ein Verzicht auf aktive Kühlsysteme in den meisten Fällen möglich. Die wichtigste Maßnahme ist und bleibt eine sehr gute adaptive Verschattung, um die solaren Gewinne in der Heizperiode optimal zu nutzen und im Sommer Überhitzungen zu vermeiden. Ein Planer sollte dabei auf die Wechselwirkung von Glas und Sonnenschutz achten und mit dem gtotal nach EN 52022-1 oder EN 52022-3 Wert rechnen, anstatt mit dem Fc-Wert. Der nach GEG für Neubauten geforderte Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes erfolgt bei Wohngebäuden meistens nach dem vereinfachten Sonneneintragskennwertverfahren nach DIN 4108-2.
Die klimabedingte Zunahme der Temperaturen und Hitzetage wird in der noch gültigen DIN 4108-2:2013-2 jedoch nicht berücksichtigt (Bild 1), so dass die Randbedingungen als historisch und veraltet betrachtet werden müssen. Deshalb sollten verantwortungsvolle Planer und Bauherren die Planung auf Basis von Prognosen des Deutsche Wetterdienst DWD mit zukünftigen Testreferenzjahren durchführen (s.a. Bild 6). Diese Prognosen ergeben, dass bis 2045 nur noch einige Mittelgebirgsregionen, die Höhenlagen der Alpen und die Küstenregionen in die Klimaregionen A und B fallen (Bild 1 der DIN 1408-2). Der Rest von Deutschland wird dann in die sommerheiße Region C fallen, in der Hitzeperioden länger andauern und häufiger auftreten. Auch wenn es für die Bestandsmodernisierung nach GEG keine Anforderungen gibt (außer bei Erweiterungen von Bestandsgebäuden mit einer Vergrößerung der Nutzfläche > 50 m², bzw. bei Inanspruchnahme der BEG-Förderung für Effizienzhäuser) sollten Neubauten und Renovierungen gleichermaßen für das zukünftige Klima geeignet sein.
Bewertung von Klimaresilienz und Nachhaltigkeit
Normative Regelungen und Anforderungen für klimaresiliente Bauprodukte sind zurzeit nicht vorhanden und die Bewertungsverfahren für nachhaltige Bauprodukte sind unübersichtlich und teilweise widersprüchlich. Vorausschauende Bauherren und Planer wollen aber gerne jetzt schon einschätzen können, welche Bauprodukte und Bauelemente für ein klimasicheres und nachhaltiges Gebäude geeignet sind. Ein verlässliches, neutrales und einfaches Bewertungssystem mit geeigneten Anforderungen und Bewertungskriterien wäre daher hilfreich. Deshalb hat das ift Rosenheim das Bewertungssystem „klima.sicher.bauen“ entwickelt, damit Planer, Bauherren und Investoren eine verlässliche Entscheidung für passende Produkte treffen können.
Die Bauprodukte werden auf Basis fundierter und transparente Standards bewertet und durch eine akkreditierte Stelle geprüft, um Verbraucher vor Green-Washing zu schützen. Die Bewertung umfasst den Energie- und Ressourcenverbrauch, die Verbesserung der Umweltwirkungen sowie die Eigenschaften bezüglich der Klimaresilienz – also der Widerstandsfähigkeit gegen Überschwemmungen, Hitzewellen und Stürme. Das Bewertungssystem wird gerade in einer Pilotphase validiert und soll II/2026 abgeschlossen werden, so dass dann auch erste zertifizierte Produkte auswählbar sein werden. Detaillierte Informationen finden sich auf der Website www.klima-sicher-bauen.de.
Literatur
ift-Fachinformation KSB-01/2 Klimasicher bauen – Klimaanpassung + Klimaschutz mit klimaresilienten, recyclingfähigen und nachhaltigen Fenstern, Türen und Fassaden, ift Rosenheim, 04/2024
Robert Koch-Institut (Hrsg.) (2023): Sachstandsbericht Klimawandel und Gesundheit, Teil 1. Journal of Health Monitoring 8(S3), DOI: 10.25646/11644 “Auswirkungen des Klimawandels auf Infektionskrankheiten und antimikrobielle Resistenzen“
ift-Richtlinie FE-07/3 Hochwasserbeständige Fenster und Türen, ift Rosenheim
Claudia Winklmayr, Stefan Muthers, Hildegard Niemann, Hans-Guido Mücke und Matthias an der Heiden – „Hitzebedingte Mortalität in Deutschland zwischen 1992 und 2021“, Deutsches Ärzteblatt 26/2022; 119: 451–7. DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0202
DAK-Gesundheitsreport 2024 – Analyse der Arbeitsunfähigkeiten. Gesundheitsrisiko Hitze. Arbeitswelt im Klimawandel. Beiträge zur Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung, Band 48. IGES Institut GmbH im Auftrag der DAK-Gesundheit, Storm, A.; Nürnberg, V. (Hrsg.) (2024), Hamburg. ISBN: 978-3-98800-081-1
Studie zur integralen Bewertung des sommerlichen Wärmeverhaltens - Thermischer Komfort und energetische Performance, Ingenieurbüro Prof. Dr. Hauser GmbH, im Auftrag von Repräsentanz Transparente Gebäudehülle GbR, Berlin 8/2023
DIN 4108-2:2013 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz; Berlin, DIN Media GmbH
DIN V 18599: Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung; Berlin, DIN Media GmbH
Alternativer Infokasten
10-Punkte-Programm für mehr Klimasicherheit beim Neubau und der energetischen Modernisierung von Gebäuden:
Energieeffiziente Gebäudehülle mit hohem Wärmeschutz, für Nutzung energieeffizienter Heiztechnik auf Basis erneuerbarer Energien.
Resilienz gegenüber Hochwasser, Stürmen, Hagel und Hitze.
Bauprodukte einfach austauschbar, eingesetzte Materialien vollständig recycelbar und hierfür leicht trennbar.
Geringste C02-Emissionen bei der Herstellung, Nutzung und Rückbau der Baustoffe
Die Zusammensetzung und Eigenschaften der Materialien über den gesamten Nutzungszeitraum einfach verfügbar (Datenbanken, QR-Code, Transponder etc.).
Ausreichend transparente Flächen für eine gute Tageslichtqualität, optimale Nutzung der Sonnenenergie.
Sehr guter adaptiver Sonnenschutz zur Nutzung solarer Gewinne (Winter) und Schutz vor Überhitzung (Sommer),
Einfach nutzbare Lüftungseinrichtungen (Fenster) zur Frischluftversorgung und Nachtauskühlung.
Anbindung an die Heiz- bzw. Haustechnik.
nachhaltige Prozesse, Produktionsverfahren und Unternehmensformen