Ein Portraitfoto von Rose Ansgar

Interview–Druckentspanntes Mehrscheiben-Isolierglas (DEMIG)

Status Entwicklung und erste Erfahrungen der praktischen Umsetzung

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Mit dem ift-Forschungsprojekt zu „Druckentspanntem Mehrscheiben-Isolierglas (DEMIG)“ sind 2015 die wissenschaftlichen Grundlagen für grundsätzlich neue Mehrscheiben-Isoliergläser geschaffen worden.

Diese eröffnen die Konstruktion tiefer Glasaufbauten, bei denen sich Einbauten im Scheibenzwischenraum (SZR) sicher und dauerhaft integrieren lassen. Die Entwicklung ist weitergegangen und es sind Produkte auf dem Markt verfügbar. Aus diesem Grund fragt GFF beim Projektleiter Dr. Ansgar Rose aus der ift-Forschungsabteilung nach.

Warum ist Druckausgleich in Iso-Aufbauten für die Branche wichtig?

Druckentspanntes Mehrscheiben-Isolierglas (DEMIG) bietet für spezielle Anwendungen deutliche technische Vorteile. Dies betrifft die Reduzierung der Klimalasten und damit eine Verringerung der Scheibendurchbiegung und der Belastung des Randverbundes – das verbessert die Dauerhaftigkeit. Dies gilt insbesondere für den Einsatz in exponierten Höhenlagen ab 2.000 Metern über NN. Das größte Interesse liegt aber auf der Möglichkeit Mehrscheiben-Isoliergläser mit großen Scheibenzwischenräumen (SZR) zu erstellen, in die problemlos beliebige Einbauten wie Sonnenschutz- und Lichtlenkungssysteme integriert werden können.

Ein Schaubild, das zeigt, dass sich Mehrscheibenglas bei Wärme in beiden Seiten ausdehnt und bei Kälte einzieht.

Das ift Rosenheim kündigte 2016 an, die Möglichkeit für den Druckausgleich über Ventile weiter zu erforschen. Wann kann man mit ersten Ergebnissen rechnen?

Bei druckentspannten DEMIG können für den notwendigen Druckausgleich grundsätzlich zwei Konstruktionsprinzipien verwendet werden: Ventile oder Kapillare/Membranen. Ventile regeln den Volumenstrom von Luft aus/in den SZR, in Abhängigkeit vom Scheibeninnendruck. Wenn die Ventile geschlossen sind, wird keine Luft zwischen dem SZR und der Umgebung ausgetauscht, so dass eine optimale Balance zwischen Druckentspannung und Feuchteaufnahme erzielt wird. Kapillare und Membrane dagegen stellen eine ständig offene Verbindung zwischen SZR und Umgebung her. Sie bilden einen Strömungswiderstand für die ein-/ausströmende Luft und verlangsamen so den Luftaustausch zwischen SZR und Umgebung. Es kann eine sehr gute Druckentspannung erzielt werden, aber es wird im Vergleich zu Ventilen mehr Feuchtigkeit in den SZR eingebracht. Das ift Rosenheim hat im Rahmen des Forschungsprojektes ein Rechentool entwickelt, mit dem für Ventile und Kapillare/Membrane, der jahreszeitliche Verlauf der Druckentspannung und Feuchteaufnahme simuliert werden kann. Die Ergebnisse zeigen, dass Ventile eine bessere Balance zwischen Druckentspannung und Feuchteaufnahme erreichen.

Für die Kapillar-/Membranlösung sind bereits von mehreren Herstellern Produkte entwickelt und auf den Leitmessen Fensterbau Frontale und BAU vorgestellt worden.

Für die Ventillösung gibt es noch keine praktische Umsetzung. Ein ausreichendes technisches Knowhow zur Ventillösung ist in der Fensterbranche nicht vorhanden. Eine Marktrecherche in anderen Branchen war bislang erfolglos. Marktübliche Ventile sind zu groß, zu teuer oder die Schaltdrücke sind zu hoch. Für den Einsatz in DEMIG-Elementen wären Schaltdrücke bis etwa 30 Millibar notwendig. Hier sind weitere Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zusammen mit Industriepartnern notwendig, die das ift Rosenheim gerne begleitet.

Wie kann die notwendige Dauerhaftigkeit und Langlebigkeit von druckentspannten MIG gesichert werden?

Für Mehrscheiben-Isolierglas wird allgemein eine Lebensdauer von 20 – 30 Jahren angenommen, die auch ein DEMIG erreichen sollte. Für die technisch verfügbaren Druckausgleichselemente muss die Druck-Volumenstrom-Kennlinie rechnerisch oder experimentell ermittelt werden. Dann können in Abhängigkeit von Scheibenformat und -aufbau, dem Einsatzort und der gewünschten Verwendungsdauer die konstruktive Umsetzung der Kapillare oder Membranen ermittelt werden. Vereinfacht gesprochen, es muss rechnerisch abgeschätzt werden, ob die in den Abstandhalter einbringbare Trockenmittelmenge ausreicht, um das DEMIG über die gewünschte Nutzungsdauer frei von Tauwasser zu halten.

Wichtig für Glas- und Fensterhersteller dabei: Es gibt keine pauschale Lösung. Die Umsetzung einer Druckentspannung muss unter Berücksichtigung von Format, Aufbau, energetischem Absorptionsgrad und der klimatischen Belastung am gewünschten Standort erfolgen.

Dr. Ansgar Rose

ift Rosenheim