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Interview der Redaktion BM mit Prof. Ulrich Sieberath

zu DIN SPEC 18105 „Wohnungsabschlusstüren“: Sieht aus wie eine DIN, ist aber keine …

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Normen sind grundsätzlich nur in wenigen Fällen verbindlich, nämlich dann, wenn sie baurechtlich eingeführt sind, z. B über die Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB) oder im Rahmen der CE-Kennzeichnung als harmonisierte Norm (hEN).

Ist eine DIN SPEC verbindlich bzw. was ist überhaupt eine DIN SPEC?

Generell hat jede Norm Empfehlungscharakter und wird erst dann verbindlich, wenn sie in Ausschreibungen oder vertraglichen Vereinbarungen gefordert wird. Oft finden wir Normen auch in gerichtlichen Auseinandersetzungen bei der Beschreibung und Interpretation als „Regel der Technik“. Normen können aber auch veraltet sein und nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen. Deshalb muss dies bei rechtlichen Auseinandersetzungen im Einzelfall von einem Sachverständigen geklärt werden.

Eine DIN SPEC nach dem Vornorm-Verfahren wird vom Normenausschuss beraten bzw. freigegeben. Dieses neue DIN-Verfahren ermöglicht eine raschere Publikation und damit eine schnellere Sammlung von Erfahrungen. Dafür muss eine DIN SPEC bereits nach drei Jahren (Normen: alle 5 Jahre) geprüft werden, ob sie überarbeitet, zurückgezogen oder als „reguläre“ Norm veröffentlicht werden soll. Das DIN SPEC-Verfahren unterliegt auch nicht dem „Stillhalte-Abkommen“ der CEN-Mitgliedsstaaten. D.h. sie kann auch dann auf den Weg gebracht werden, wenn europäische Normungsprojekte ähnlich gelagerte Themen bearbeiten. Man kann also national Erfahrungen sammeln und diese in die europäische Normungsarbeit einbringen.

Eine DIN SPEC ist offiziell aber kein Bestandteil des Deutschen Normenwerks; sie bietet Marktteilnehmern die Möglichkeit, schneller Standards zu entwickeln und die Akzeptanz durch die Marke DIN zu verbessern. Dabei reicht schon eine Zusammenarbeit von drei Unternehmen, Forschern, Privatperson oder sonstigen Organisationen. DIN organisiert dabei das gesamte DIN SPEC-Projekt für die Antragssteller.

Warum hat man den Weg der DIN 18055, die ein Produkt vollständig beschreibt, verlassen?

DIN 18055 „Kriterien für die Anwendung von Fenstern und Außentüren nach DIN EN 14351-1“ ist Nachfolger der ift-Einsatzempfehlungen. Sie bietet dem Architekten Hilfestellung, für sein Objekt bzw. den jeweiligen Anwendungsfall die richtigen und notwendigen Anforderungen (Klassifizierungen) zu ermitteln. Schon bei der Erarbeitung der DIN 18055 gab es die Überlegung, wie man sie in Bezug auf die baurechtlich über die Landesbauordnungen geregelten Eigenschaften aktuell hält. Dies hat sich bewahrheitet, weshalb man DIN 18055 schon nach kurzer Zeit der Anwendung überarbeitet.

Bezüglich der in DIN SPEC 18105 „Fenster und Türen — Wohnungseingangstüren — Kriterien für die Auswahl von Anforderungen und Merkmalen“ zu beschreibenden Merkmale und Anforderungen bestanden unterschiedliche Vorstellungen. Der Kompromiss sieht vor, dass zunächst nur wenige zentrale Merkmale beschrieben werden. Dabei sollen keine baurechtlichen Vorschriften in die Norm integriert werden, um Probleme für den Nutzer der Norm zu vermeiden, beispielsweise redundante Informationen zur VV TB. DIN SPEC gibt zwar eine klare Empfehlung zur Mindest-Einbruchhemmung – macht aber beim Brandverhalten bzw. dem Feuer- oder Rauchschutz keine Vorgaben, da diese in der VV TB umfänglich geregelt sind.

Welche Anforderungen beschreibt die DIN SPEC?

DIN SPEC 18105 beschreibt in Tabelle 1 die Grundanforderungen bzgl. Schallschutz, Einbruchhemmung und Differenzklima-Verhalten, die eine Wohnungsabschlusstür mindestens aufweisen sollte. Beim Schallschutz gibt es eine Unterscheidung, je nach Aufteilung, Anforderung und Funktion der dahinter liegenden Räume.

Tabelle 2 nennt weitere Merkmale, die für Wohnungseingangstüren je nach baulicher Situation gesondert gefordert und vereinbart werden sollten, z. B. Wärmeschutz, empfohlene Vorzugsmaße sowie Hinweise zu Anforderungen an Barrierefreiheit nach DIN 18040-2 und Brandschutz gemäß allgemein baurechtlicher Vorgaben.

Welche Vorteile bietet die DIN SPEC Herstellern und Anwendern, und wie soll sie im Markt etabliert werden?

DIN SPEC 18105 bietet eine gewisse Typisierungsmöglichkeit des bisher wenig beschriebenen Produkts Wohnungsabschlusstür. Sie wird sicher in den Ausschreibungsempfehlungen der Hersteller und damit in die gängige Ausschreibungspraxis Einzug halten.

Die DIN SPEC hat nur zwei Tabellen. Reicht das, um die Anforderungen an Wohnungsabschlusstüren vollständig zu beschreiben?

Nach meiner Überzeugung sind damit die wesentlichen Anforderungen für Wohnungsabschlusstüren hinreichend beschrieben. Nachdem Anhang A sämtliche weiteren Merkmale der europäischen Produktnorm auflistet, erwarten wir eine zusätzliche Kundennachfrage nach Merkmalen, die in DIN EN 14351-2 europaweit geregelt werden.

Warum wurden die baurechtlichen Themen „dichtschließend“ bzw. „dicht- und selbstschließend“ nicht berücksichtigt?

Festlegungen zu diesen Merkmalen finden sich in den Bauordnungen der Länder und in der VV TB. Sie sollten nicht in Normen enthalten sein, da sie jederzeit Änderungen unterliegen können. Es gilt der Grundsatz, dass Hersteller, Architekt und Planer die Vorgaben der Bauordnung sowie der in den Bundesländern gültigen VV TB kennen müssen.

Wichtig ist der Hinweis in Tabelle 1, Fußnote B, dass Schallschutztüren erfahrungsgemäß eine hinreichende Luftdichtheit aufweisen, um die bei der Planung von Lüftungssystemen vorausgesetzte Dichtheit der Wohnungseingangstür zu gewährleisten. Dies gilt sicher auch, wenn Anforderungen bzgl. der Luftdichtheit baurechtlich gestellt werden. Gleiches gilt für die Eigenschaft „dichtschließend“, da aus fachlicher Sicht davon auszugehen ist, dass diese erfüllt wird, um die Anforderungen an den Schallschutz zu gewährleisten. Der Fugenschall muss bei Schallschutztüren auf jeden Fall unterbunden werden. Das bedeutet, dass bei Schallschutztüren ein umlaufendes, dichtschließendes Dichtungssystem vorhanden sein muss.

Anders verhält es sich bei der Selbstschließung, die durch gesonderte Schließmittel wie Türschließer erreicht wird. In der Praxis wird kritisiert, dass beim Verlassen der Wohnung die Tür ungewollt zufällt und so die Wohnung nicht mehr begangen werden kann, wenn der Schlüssel in der Wohnung vergessen wurde. Eine Lösung bieten Freilauf-Schließer, die mit den Rauchmeldern gekoppelt sind, um im Bedarfsfall die Tür zu schließen. Dieses System ist aber oft teurer als eine übliche Wohnungsabschlusstür. Daher wurde die grundsätzliche Forderung nach selbstschließenden Wohnungsabschlusstüren dem Baurecht überlassen und nicht in die DIN SPEC aufgenommen.

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