Auf dem Foto sieht man ein Hochhäuserkomplex mit bodentiefen Fensterelementen.

Bodentiefe Fenster und Türen richtig montieren und abdichten

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Insbesondere bei energetischer Sanierung von Fenstern und Türen und bei komplexen Fällen wie bodentiefen Verglasungen/Bauelementen sowie barrierefreien Türen ist eine sorgfältige Planung der Baukörperanschlüsse unabdingbar.

Höhere Fenstergewichte, größere Abmessungen, geringere Dübeltragfähigkeiten hochwärmedämmender Außenwände sowie Sonderanforderungen (Einbruchhemmung, Absturzsicherung, Barrierefreiheit etc.) sind zu beachten. Besonders die Befestigung bodentiefer Fensterelemente mit absturzsichernder Funktion ist von Planer und ausführender Firma frühzeitig zu berücksichtigen. Hierfür hat das ift Rosenheim mit der RAL-Gütegemeinschaft Fenster und Haustüren „Montageleitfäden“ [1, 2] für Fenster und Außentüren sowie Vorhangfassaden erarbeitet, die Anforderungen beschreiben und Planungsgrundlagen, notwendige Kennwerte, Bemessungsdiagramme sowie praxistaugliche Ausführungsdetails enthalten.

Auf dem Foto sieht man ein Hochhäuserkomplex mit bodentiefen Fensterelementen.
Bild 1: Bodentiefe Fensterelemente mit Anforderungen an die Absturzsicherung prägen die moderne Architektur
Auf dem Foto sind zwei bodentiefe Fensterelemente zu sehen, von denen das linke einen Balkon mit Geländer hat und das rechte einen französischen Balkon.
Bild 2: Gleiche Fenster mit unterschiedlichen Einbausituationen und daraus resultierenden Anforderungen (links mit Balkon und Geländer, rechts mit französischem Balkon am Fensterelement = absturzsicherndes Fenster, Fallunterscheidung hinsichtlich der Befestigung nach [1])

Grundlagen und Anforderungen

Beim Einbau von Fenstern, Außentüren und Fassaden sind winterlicher und sommerlicher Wärmeschutz [3], Feuchteschutz [4], Schallschutz [5], Brandschutz [6] sowie eine sichere Befestigung sicherzustellen. Nach EnEV 2016 sind Gebäude so auszuführen, dass die wärmeübertragende Umfassungsfläche incl. der Fugen dauerhaft luftundurchlässig und nach den anerkannten Regeln der Technik abgedichtet ist.

Nach Muster-/Landesbauordnung und VOB/C ATV heißt es „Die Verankerungen der Bauteile im Baukörper sind so anzubringen, dass das Übertragen der Kräfte in den Baukörper gesichert ist. …“. Hierzu müssen für Planung und Ausschreibung notwendige Zeichnungen und Angaben zu Objekt, Nutzungszweck, Bauweise und Wandkonstruktion bzw. ‑baustoffen vorliegen, ebenso wie Angaben zu Einbausituation, -höhe, -ebene sowie den zu berücksichtigenden Lasten und Bauwerksbewegungen.

Absturzsichernde Bauelemente

Bauelemente und Verglasungen übernehmen die Funktion einer absturzsichernden Umwehrung (Geländer), wenn sie unterhalb der Brüstungshöhe eingebaut werden und einen bestimmten Höhenunterschied zwischen Fußboden (innen) und angrenzender Geländeoberkante überschreiten. Die maßgeblichen Brüstungshöhen (0,8 bis 1,2 m) und Höhenunterschiede > 1,0 m (in Bayern > 0,5 m) sind in den Landesbauordnungen geregelt. Es gelten baurechtliche Anforderungen an die Absturzsicherung des Elements inkl. der verwendeten Befestigungsmittel zum Baukörper. Diese müssen „geregelt“ sein oder einen Verwendbarkeitsnachweis (abZ oder ETA, abP, ZiE)[1] haben. Es sind zwei Nachweise zu führen (gegenüber statischen und stoßartigen Einwirkungen) einschließlich der Verankerung im tragenden Baugrund. Das System sollte als „Befestigungskette“ verstanden werden, die vom Glas über den Fensterflügel/-rahmen bis zum Mauerwerk reicht, ebenso wenn Geländer am Fensterrahmen und nicht in der Wand befestigt sind.

Beim Nachweis ist die Tragfähigkeit des gewählten Befestigungssystems den ermittelten Lasten gegenüberzustellen. Dies erfordert Befestigungselemente, die nach eingeführten technischen Baubestimmungen rechenbar sind oder eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) oder europäische technische Bewertung (ETA) haben. Alternativ kann der Nachweis im Rahmen einer Zustimmung im Einzelfall auf Basis entsprechender Prüfungen geführt werden (ZiE). Für die Praxis bedeutet dies, dass Dübelverankerungen von einem Planer bemessen werden müssen und die Montage durch geschultes Personal auszuführen ist.

[1]   

      abZ   = allgemeine bauaufsichtliche Zulassung, erteilt durch die Zulassungsstelle (DIBt)

      ETA  = europäisch technische Bewertung, erteilt durch eine Zulassungsstelle

      abP  = allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis, erteilt durch eine anerkannte (autorisierte) Prüfstelle

      ZiE   = Zustimmung im Einzelfall, erteilt durch die oberste Bauaufsicht des jeweiligen Bundeslandes

Abdichtung

Bauelemente in der Gebäudehülle sind Belastungen durch Feuchte von außen als auch von innen ausgesetzt. Die fachgerechte Abdichtung der Anschlussfuge zum Baukörper muss daher viele Funktionen erfüllen, die das Ebenenmodell verständlich erklärt.

Je nach Außenwandsystem und Einbausituation ergeben sich unterschiedliche Baukörperanschlüsse. Aufgrund der zu erwartenden Beanspruchung aus Gebäudestandort, Einbaulage, Fensterkonstruktion, Nutzung und Anschlussausbildung sind objektspezifisch folgende Aspekte bei der Auswahl des richtigen Dichtsystems zu berücksichtigen:

  1. zu erwartende Bewegungen/Verformungen und Belastungen,
  2. Beschaffenheit der Fugenflanken,
  3. Fugengeometrie und angrenzende Materialien,
  4. vorhandene Bautoleranzen,
  5. gestalterische Belange.
Die Grafik zeigt den Aufbau einer Fenster-Einbausituation
Bild 3: Ebenenmodell am Beispiel einer Fenster-Einbausituation in eine Außenwand mit Wärmedämm-Verbundsystem
Die Grafik zeigt die unterschiedlich starke Belastung auf die Fugenausbildungen
Bild 4: Fugenausbildungen in Abhängigkeit der Belastung

Hinsichtlich zu erwartender Bauwerksbewegungen sind die planerischen Vorgaben zu beachten. Zu erwartende Bewegungen aus der Fensterkonstruktion werden bei Kunststoff- und Metallfenstern durch Temperaturänderungen, bei Holzfenstern durch Feuchteänderungen verursacht.

Baukörperanschlussfugen können mit spritzbaren Fugendichtstoffen, imprägnierten Fugendichtungsbändern aus Schaumkunststoff, Multifunktionsdichtungsbändern, Fugendichtungsfolien sowie Anputzdichtleisten abgedichtet werden. Die grundsätzliche Eignung des Dichtsystems und der vorgesehenen Materialien ist zu klären und sollte über einen Eignungsnachweis auf Basis der ift-Richtlinie MO-01/1 „Baukörperanschluss von Fenstern; Teil 1: Verfahren zur Ermittlung der Gebrauchstauglichkeit von Abdichtungssystemen“ verfügen [8].

Im Montageleitfaden werden verfügbare Abdichtungssysteme und deren Anwendung ausführlich beschrieben. Es finden sich detaillierte Handlungsempfehlungen, Checklisten und Datenblätter für die unterschiedlichen Dichtsysteme sowie Ausführungsbeispiele für den Fenstereinbau im Neu-/Altbau für typische Außenwandsysteme mit allen notwendigen Kenndaten und Berechnungen.

Der für den Anwender kostenfreie ift-Montageplaner (Online-Software) ermöglicht eine bauphysikalische Berechnung individueller Montagesituationen und gibt eine ift-Montage­dokumentation mit den technischen Kennwerten aus (www.ift-montageplaner.de).

Schwellenausbildung

Bei der Schwellenausbildung bodentiefer Elemente sind objektspezifisch unterschiedliche Ausführungen zu beachten, die auch Einfluss auf die Gestaltung haben und ggf. flankierende Maßnahmen am Baukörper erfordern. Speziell hier ist vom Planer das Ineinandergreifen der angrenzenden Gewerke zu planen, die Leistungen sind eindeutig abzugrenzen und bei der Ausführung zu koordinieren.

Zu beachtende Kriterien bei Bodenanschluss und Schwellenausbildung von Außen- und Fenstertüren sind:

  1. Schutz der seitlich an Außen- und Fenstertüren angrenzenden Außenwand;
    die Wandanschlüsse müssen die „Abdichtungshöhe“ sicherstellen.
  2. Schutz der unten an Außen- und Fenstertüren angrenzenden Außenwand; die Anschlüsse müssen auch im Übergang zum seitlichen Baukörperanschluss dauerhaft dicht sein.
  3. Konstruktive Ausbildung der Schwelle, damit ein fachgerechter Anschluss des angrenzenden Gewerks möglich ist.
  4. Tatsächlich zu erwartende Belastung des Anschlusses von bodentiefen Elementen durch nichtdrückendes Wasser aus Niederschlag, Spritz- oder Schmelzwasser und daraus abzuleitende erforderliche bauliche Kompensationsmaßnahmen.
  5. Zumutbare Schwellenhöhe aus der Raumnutzung, insbesondere bei barrierefreiem Bauen.
Die Grafik zeigt acht verschiedene Belastungen und Anforderungen an Bodenanschluss bzw. Schwellenausbildung
Bild 5: Unterschiedliche Belastungen und Anforderungen an Bodenanschluss bzw. Schwellenausbildung bei feststehenden und öffenbaren Elementen

Die Regelwerke für angrenzende Gewerke und besonders die Bauwerksabdichtung [9, 10] haben die Abdichtung des unteren Anschlusses, nicht die (Fenster-)Tür im Fokus. Sofern keine baulichen Kompensationsmaßnahmen erfolgen, wird eine Abdichtungshöhe über der Oberfläche der Schutzschicht, des Belages oder der Überschüttung von 150 mm als notwendig erachtet. Gleichzeitig wird auf Ausnahmen bei den Abdichtungshöhen bei Außen- und Fenstertüren hingewiesen (Barrierefreiheit). Bei Unterschreitung der Abdichtungshöhe sind bauseitig zusätzlich konstruktive Maßnahmen zu ergreifen, um die Belastung zu reduzieren.

Barrierefreie Schwellen

Barrierefreie Schwellen sollen Personen mit radgebundenen Hilfsmitteln (Rollstuhl, Rollator) ein einfaches und sicheres Passieren der Tür ermöglichen. Bereits kleine Höhendifferenzen können eine Barriere darstellen.

Betretbare Außentür- und Fenstertürschwellen sowie barrierefreie Schwellen sind ein wärmetechnischer Schwachpunkt (Tauwassergefahr). Bei Konstruktion und Planung ist deshalb auch der Mindestwärmeschutz nach DIN 4108-2 und EnEV zu beachten. Wichtige Kennzahlen sind der Temperaturfaktor fRsi und die raumseitige Oberflächentemperatur qsi, die an der wärmetechnisch ungünstigsten Stelle nachzuweisen sind.

 

Das Foto zeigt ein Dreirad aus Holz an der Schwelle einer Tür.
Bild 6: Barrierefreie „überrollbare“ Schwelle mit Klasse 9A für die Schlagregendichtheit (Quelle: Alumat)
Die Grafik zeigt den Querschnitt einer barrierefreien Schwelle.
Bild 6: Barrierefreie „überrollbare“ Schwelle mit Klasse 9A für die Schlagregendichtheit (Quelle: Alumat)

Während Feuchte aus Schlagregen oder Tauwasser im Bereich von Außentüren im Allgemeinen unproblematisch ist, da in der Regel unempfindliche Bodenbeläge angrenzen, können bei Fenstertüren mit niedriger betretbarer bzw. barrierefreier Schwelle raumseitig angrenzende, empfindliche Bodenbeläge in Mitleidenschaft gezogen werden, so dass auch hier feuchteunempfindliche Bodenbeläge vorteilhaft und bei der Planung zu berücksichtigen sind. Schwellen sind in jedem Fall trittfest zu unterbauen und zu befestigen.

Bauliche Kompensationsmaßnahmen durch Vermeidung von direktem Spritzwasser, rückstaufreie und kontrollierte Wasserabführung nach außen im Schwellenbereich helfen und sind bei der Planung zu berücksichtigen.

Bei Altbausanierungen werden einzelne Problembereiche erst bei der Demontage der alten Fenster- bzw. Außentüren entdeckt. In diesen Fällen ist eine sofortige Rückmeldung an den Auftraggeber erforderlich, um notwendige Maßnahmen zur fachgerechten Anbindung festzulegen.

Wolfgang Jehl

ift Rosenheim

Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Jehl ist im ift Rosenheim als Produktmanager für den Bereich äußere Abschlüsse, Materialien für den Baukörperanschluss sowie geklebte Verglasungen tätig. Als Hauptverfasser des Montageleitfadens und diverser Richtlinien sowie als langjähriger Gutachter gilt er als führender Experte auf diesem Gebiet. Als Referent und Autor sowie in verschiedenen Normungsgremien gibt er seine Erfahrung an die Branche weiter

Jürgen Benitz-Wildenburg

ift Rosenheim

Dipl.-Ing. (FH) Jürgen Benitz-Wildenburg leitet im ift Rosenheim den Bereich PR & Kommunikation. Als Schreiner, Holzbauingenieur und Marketingexperte ist er seit 30 Jahren in der Holz- und Fensterbranche in verschiedenen Funktionen tätig. Als Lehrbeauftragter, Referent und Autor gibt er seine Erfahrung weiter.

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