Das Bild zeigt die futuristische Grafik einer Stadt mit Hochhäusern unter dem Motto, dass Fenster, Fassaden und Bauelemente in Zukunft transparenter, adaptiv und digital sein und in virtuellen Verkaufsräumen konfiguriert und mit BIM-Systemen geplant werden.

Digitalisierung in der Fensterbranche

Chancen durch digitale Prozesse, Produkte, Prüfungen und Services

Lesezeit: 35 Minuten

Die Digitalisierung verändert die gesamte Wertschöpfungskette der Fenster-, Türen- und Fassadenbranche. Dies reicht vom Vertrieb mit online-basierten Verkaufsräumen, Konfigurationstools und Verkaufsplattformen über Planung bis zu Aftersales-Angeboten und Wartung auf Basis digitaler Produktinformationen.

Natürlich sind  Fenster und Türen mit Sensoren und Aktoren Teil der Digitalisierung. Insbesondere der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bei der Verarbeitung von Nutzungs- und Kundendaten, die Sprachsteuerung, 3D-Drucker, Alltagsgegenstände mit Sensoren und Internetanbindung (IOT) sowie Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) werden zu erheblichen Änderungen führen. Erfolgreiche Online-Geschäftsmodelle zeigen, dass Kosteneinsparungen durch vereinfachte Prozesse einen hohen Mehrwert bringen, wie das kleine Beispiel der digitalen Fahrtenschreiber zeigt. Neue Technologien mit Mehrwert werden sich schnell verbreiten und zu disruptiven Veränderungen führen.

Auch wenn die Fensterbranche kein „Silicon Valley“ ist, gibt es doch vielversprechende digitale Dienstleistungen und Produkte – frei nach dem Motto: „Wo ein Problem ist, gibt es Chancen für neue und bessere Lösungen“, die sich in folgenden Bereichen zeigen:

  • Virtuelle Verkaufsräume mit Augmented (AR) und Virtual (VR) Reality sowie Produkt-Konfiguratoren,
  • CAD und digitale Planungs-, Berechnungs- und Simulationstools,
  • Building Integrated Modeling (BIM) und Computer Aided Facility Management (CAFM)  
  • Fensterbausoftware mit durchgängigem Datenmanagement für eine effizientere Organisation aller Bereiche – von der Planung, Fertigung, Logistik, Dokumentenmanagement und Werkseigene Produktionskontrolle (WPK),
  • 3D-Drucker zur Produktion von Losgröße 1 und Kleinserien für Bauteile aus Kunststoff, Holz, Metall oder Glas,
  • Robotik und CNC-Produktion mit autonomer Steuerung und direkter Anbindung an Online-Shops,
  • Online-Tools zur Berechnung und Auslegung von Wärme-/Schallschutz, Statik, CO2-Footprint, Tageslichtnutzung, solare Gewinne, Lüftung etc.,
  • Fenster, Türen, Tore, Fassaden, Glas, Sonnenschutz mit intelligenten Funktionen und Steuerungen (Smart Home),
  • Technologien für Wartung und Instandhaltung (RFID, Transponder, Sensoren, IOT) auf Basis von Nutzungsdaten (Kräfte, Häufigkeit, Wartung, Ersatzteile etc.),
  • Instruktion und Schulung von Mitarbeitern in Produktion, Montage oder Labor per Life-Stream und Datenbrille (AR und VR).
Das Bild zeigt die futuristische Grafik einer Stadt mit Hochhäusern unter dem Motto, dass Fenster, Fassaden und Bauelemente in Zukunft transparenter, adaptiv und digital sein und in virtuellen Verkaufsräumen konfiguriert und mit BIM-Systemen geplant werden.
Bild 1: Fenster, Fassaden und Bauelemente werden in Zukunft transparenter, adaptiv und digital sein und in virtuellen Verkaufsräumen konfiguriert und mit BIM-Systemen geplant. (Bild Siemens AG)

Durch Online-Verkaufsmöglichkeiten können kompetente, innovative und flexible Unternehmen ihren Vertriebsradius enorm erweitern. Wer etwas Besonderes kann und diese Kompetenz über Suchmaschinenoptimierung (SEO) im Internet präsentiert, kann weltweit Kunden gewinnen. Davon können Handwerksbetriebe profitieren, die die Fähigkeit haben, komplexe Probleme zu lösen – das lässt sich nicht kopieren. Im Fensterbereich könnten dies beispielsweise Fenster und Bauelemente mit einer Kombination aus Design und anspruchsvollen Funktionen wie hoher Wärme-, Schall- und Einbruchsschutz sein.

Der Einstieg in digitale Technologien ist kein Problem der Kosten, sondern der knappen Zeit der Führungskräfte und Unternehmer. Hier ist ein Umdenken notwendig, und die Konsequenzen der Digitalisierung müssen zunächst von der Geschäftsleitung bewertet werden, bevor Aufgaben an Dienstleister oder Mitarbeiter übertragen werden können. Unternehmen müssen Netzwerke bilden, enger mit Hochschulen, Instituten, Verbänden und Softwarehäusern zusammenarbeiten.

Das Balkendiagramm zeigt die stärksten Hemmnisse für Digitalisierung im Handwerk (Quelle: Das Handwerk wird digital [1]) wie IT-Sicherheit, mangelndes Know-how,
Bild 2: Die stärksten Hemmnisse für Digitalisierung im Handwerk (Quelle: Das Handwerk wird digital [1])

Die umfängliche Nutzung digitaler Technologien wird jedoch durch folgende Problembereiche gebremst:

  • schlechte Netzanbindung mit zu geringer Übertragungsbreite,
  • die Tradition des seriellen Bauens mit schrittweiser Ausschreibung,
  • die Zersplitterung des Bauens mit vielen Beteiligten und Schnittstellen,
  • eine Ausführungsplanung, die mit dem Baufortschritt läuft sowie
  • die teilweise schlechte digitale Ausstattung vieler Kommunen und Behörden, aber  von Planungsbüros und Handwerksbetrieben.

Nach einer Studie [1] werden sich die Betriebe in mittelständischen und handwerklichen Strukturen folgendermaßen aufteilen:

  • 10 % der Betriebe werden Vorreiter in Sachen digitaler Kompetenzentwicklung und betrieblicher Anwendung sein („Early Innovator“),
  • 40 % der wirtschaftlich gesunden Firmen werden vermutlich rechtzeitig, aber dennoch als Nachzügler, erfolgreich auf den Trend der Digitalisierung aufspringen,
  • 50 % der Betriebe werden lange Zeit eine Verweigerungshaltung einnehmen, bis sie nicht mehr wettbewerbsfähig sind oder durch die Marktentwicklungen „zwangsdigitalisiert“ werden.

Vertrieb

Im Kern bedeutet Digitalisierung die Erstellung digitaler „Abbilder“ von physischen Objekten und Ereignissen sowie analoger Kommunikation (Sprache). Diese Daten lassen sich dann sammeln, speichern, analysieren und nutzen. In Verbindung mit Rechen- und Analyseverfahren (Algorithmen) werden Muster erkannt, für die dann Aktionen definiert und automatisiert ausgeführt werden. Dies ist im Vergleich zu menschlichen Handlungen konkurrenzlos schnell und günstig. Damit werden Daten zur wichtigen Grundlage für neue Geschäfte. Es verwundert nicht, dass mächtige Online-Portale entstanden sind, die die physischen Ressourcen anderer nutzen und nur die Vermittlung von Angebot und Nachfrage organisieren (Uber, airbnb, Flixbus, Verivox, ebay u.v.m.). Sobald sich in einem Produktbereich ein Portal etabliert und durchsetzt, ändern sich die Regeln fundamental.

Die meisten Menschen bestellen Produkte und Dienstleistungen heute online. Der Kauf von langlebigen und komplexen Produkten wie Fenster und Türen ist für viele aber noch Vertrauenssache, und ein persönlicher Kontakt wird gewünscht. Wichtig ist dabei eine kompetente Beratung in Verbindung mit der Montage. Gerade die Montage sowie die Verfügbarkeit bei Reklamationen und Störungen ist ein entscheidendes Argument für den Kauf vor Ort. Deshalb haben Hersteller, Händler und Montagebetriebe mit persönlichem Kontakt zum Kunden gute Chancen gegen Online-Shops zu bestehen. Dennoch etabliert sich der Kauf von Fenstern und Bauelementen über gute Online-Shops und macht dem klassischen Vertrieb starke Konkurrenz. Deshalb sind in den meisten Fensterbauprogrammen Web-Schnittstellen zu einem Online-Shop-System integriert, die von gewerblichen Kunden, Händlern oder Endkunden genutzt werden können.

Verändertes Kaufverhalten & Bewertungen

Bei allen Onlinekäufen wird das Kaufverhalten  stark durch den einfachen Ablauf der Bestellung sowie durch Informations-, Vergleichs- und Bewertungsportale beeinflusst. Nach Studien [3][4] sind für 67,4 % der Käufer Online-Bewertungen wichtig für die Information und für 63,8 % beim Kauf eines Produktes. Je hochpreisiger das Produkt ist, desto ausgeprägter ist der Informationsbedarf. In der Fensterbranche sind die meisten Webseiten von Herstellern und Händlern aber noch weit von dem Niveau entfernt, das Kaufportale anderer Branchen oder Amazon bieten. Fensterhersteller und -händler, die in einen professionellen Online-Vertrieb können sich noch erfolgreich positionieren.

Die Grafik zeigt die verschiedenen Einflüsse von Influencern, die das Kaufverhalten der Menschen auf einer persönlich-emotionalen Ebene bestimmen (Vertrauen, Tests, Bewertungsportale, Familie etc.)
Bild 3: Influencer beeinflussen das Kaufverhalten auf einer persönlich-emotionalen Ebene. [4]

Planung & Prüfung

Der Bau- und Ausbaubereich ist durch eine individuelle Gestaltung geprägt, so dass es viele Schnittstellen, Informationsbrüche und arbeitsintensive Prozesse gibt. Die Effizienzpotenziale der Digitalisierung bei Arbeitsorganisation, Materiallogistik und der Montage werden auf 30 % bis 50 % geschätzt. Viele digitale Dienstleistungen zielen daher auf die Automatisierung der Schnittstellen und des Informationsflusses. Die Fensterbranche ist hier ganz gut aufgestellt, weil leistungsfähige Softwareprogramme verfügbar sind. Mit Funktionen, vordefinierten Branchenstandards und normativen Vorgaben für Kunden- und Objektmanagement, Fertigungsplanung und -steuerung, Materialwirtschaft, Versandlogistik, Montageplanung, webbasierter Händlersoftware und mobilen Lösungen lassen sich alle Prozesse im Fensterbau effizient bearbeiten.

Damit ist eine durchgängige Digitalisierung aller betrieblichen Prozesse möglich – vom Angebot bis zur Abnahme der fertig montierten Produkte. Die vollständige digitale Dokumentation aller Arbeitsschritte schafft jederzeit eine Transparenz über Kosten, Auslastung oder den Liefertermin. Workflows bieten eine automatisierte Optimierung von Materialeinsatz, Logistik und der Auslastung von Maschinen und Personal. Diese „End-to-End-Digitalisierung“ bringt Prozess-Sicherheit in allen Bereichen.

Konstruktion & Prozessoptimierung

Gebäude und damit  Fenster, Fassaden und Bauelemente werden in Deutschland und Westeuropa seit der flächendeckenden Verbreitung von PC-Programmen Ende der 80er mit CAD-Programmen geplant – egal ob von Architekten, Ingenieuren, Technikern, Meistern oder Konstrukteuren. Cloud-Lösungen ermöglichen nun ein übergreifendes, ortsunabhängiges Arbeiten und erleichtern die Arbeit immer stärker durch die Verwendung von Bauteil-Datenbanken (BIM etc.).

Die Grafik zeigt Screenshots eines Fensterbauprogramms. Fensterbauprogramme enthalten oft schon leistungsfähige CAD-Module für Planung, Konstruktion und Visualisierungen für Augmented Reality. (Bild: Klaes)
Bild 4: Fensterbauprogramme enthalten oft schon leistungsfähige CAD-Module für Planung, Konstruktion und Visualisierungen für Augmented Reality. (Bild: Klaes)

Moderne Fensterbauprogramme enthalten CAD-Funktionen und ermöglichen eine durchgängige Nutzung der Konstruktionsdaten ohne Schnittstellen und Informationslücken. Mit 3D-Planungstools können  geometrisch anspruchsvolle Fenster-/Fassadengeometrien konstruiert und gefertigt werden. Es können sowohl Standard-Profilsysteme als auch individuelle Konstruktionsdetails genutzt werden, die dann in allen Projekten immer wieder einsetzbar sind und sich der jeweiligen Bauaufgabe automatisch anpassen. Die Software kann 3D Ansichten für die Präsentation bei Bauherren und Planern (Augmented Reality) generieren sowie Fertigungsdaten mit Glas- und Profillisten sowie Zuschnittdaten erstellen, die direkt an eine CNC-Maschine übergeben werden können.

Building Integrated Modeling (BIM)

Die Gestaltung und Planung von Gebäuden erfolgt zwar schon seit über 25 Jahren mittels CAD-Programmen. Aber bisher wurden zu Planungsbeginn die detaillierten Daten von Baustoffen und Bauelementen nicht berücksichtigt, so dass viele Anpassungen und Änderungen in der Werkplanung notwendig waren. Durch digitale Daten, bessere IT-Systeme und cloudbasierte Datenspeicher ist dies nun möglich. Damit lassen sich die Kosten erheblich reduzieren, weil Abweichung von Standardmaßen mit erhöhtem Verschnitt nun vermieden werden können. BIM bietet ein Datenmodell, das bestehende CAD-Systeme ideal ergänzt. Die CAD-Daten können durch umfangreiche Informationen zu Baustoffen und Bauelementen ergänzt werden, beispielsweise Form, Farbe, mögliche Abmessungen, technische Funktion u.v.m. Dies bringt Bauherren, Generalunternehmern, Bauteilherstellern und Planern wichtige Vorteile:

  • besserer Informationsfluss, weil Schnittstellen besser funktionieren oder entfallen,
  • alle Beteiligten können jederzeit zentral auf aktuelle Daten zugreifen („Single source of truth“),
  • schnelle Anpassung der bestehenden Planung und zeitgleiche Information aller Projektbeteiligten,
  • definierte Arbeitsabläufe mit Potenzial zur laufenden Optimierung sowie schnellere Entscheidungsprozesse,
  • mehr Transparenz über alle Abläufe, Zeit- und Mengenplanung und damit über die Projektkosten,
  • weniger Fehler, weil im 3D-Planungsprozess geometrische und funktionale Konflikte viel früher auffallen (Kollisionsmanagement),
  • höherer Detaillierungsgrad in einer frühen Planungsphase optimiert den Planungsprozess und minimiert das Risiko (keine Detailplanung mehr auf der Baustelle),
  • bei Aktualisierung der Daten bis zur Abnahme stehen alle Informationen für eine effiziente und nachhaltige Bewirtschaftung des Gebäudes zur Verfügung.

Insbesondere bei technisch anspruchsvollen Bauwerken (Kliniken, Verwaltungs- und Fertigungsgebäuden etc.) bieten BIM-Modelle erhebliche Vorteile. Die Summe der Vorteile wird dazu führen, dass zukünftig immer stärker eine BIM-Planung gefordert wird. In Skandinavien ist dies jetzt schon Standard und Deutschland will BIM 2021 für Baumaßnahmen der öffentlichen Hand einsetzen. Damit ändert sich  die Ausschreibungspraxis und Hersteller müssen digitale Daten in vorgegebenen Formaten (openBIM-Austauschformat IFC) [7][6] liefern, damit die Daten vom Planer gelesen, verstanden und bearbeitet werden können.

Die Grafik zeigt Vorteile und Wirkfelder von BIM-Systemen (Bild: BIM Systems) in einem Kreis mit den verschiedenen Beteiligten (Anwender, Hersteller, Technik, datenbanken).
Bild 5: Vorteile und Wirkfelder von BIM-Systemen (Bild: BIM Systems)
Die Grafik zeigt den Screenshot einer BIM-Anwendung: BIM Objekte liefern alle notwendigen Informationen zu Baustoffen und Bauelementen in beliebiger Detailtiefe und ermöglichen die Übernahme in den CAD Plan und vor Baubeginn eine detaillierte Planung mit allen Funktionen und Kennwerten (Quelle: Hueck, BIM Tutorial [8])
Bild 6: BIM-Objekte liefern alle notwendigen Informationen zu Baustoffen und Bauelementen in beliebiger Detailtiefe und ermöglichen die Übernahme in den CAD Plan und vor Baubeginn eine detaillierte Planung mit allen Funktionen und Kennwerten (Quelle: Hueck, BIM Tutorial [8])

Neben der Prozessoptimierung ist aber  die einfache Visualisierung durch die Integration von BIM-Objekten in CAD-Zeichnungen ein wichtiges Anwendungsfeld. So wird aus einem „nackten“ Gebäudemodell ein virtuelles Haus mit konkreten Produkten. Dies funktioniert aber nur, wenn Architekten mit ihren gewohnten CAD-Programmen arbeiten können und die Benutzeroberfläche einfach zu bedienen ist. Deshalb bevorzugen Architekten Plattformen, in denen verschiedene BIM-Objekte zu finden sind, die per Mausklick in die eigene CAD-Software übernommen werden können. Das zeigt der BIM-Monitor 2019 von BauInfoConsult [6].

Hersteller, die keine oder nicht-kompatible BIM-Objekte zur Verfügung stellen, verlieren deshalb bereits zu Beginn des Planungsprozesses diesen Vertriebsweg. Eine Positionierung der BIM-Objekte im Downloadbereich der Firmen-Webseite ist deshalb nicht die beste Lösung.

BIM kann ebenso ideale Daten für die anschließende Bewirtschaftung liefern. Daher sollten beim Aufsetzen eines BIM-Modells  Daten erfasst werden, die für die Gebäudenutzung notwendig sind. Dies umfasst Informationen zu Reinigung, Instandhaltung und Wartung, Raumverwaltung, Umzügen, Möblierungen sowie arbeitsplatzbezogene. Dienstleistungen. Eine Schnittstelle zu CAFM-Programmen (Computer Aided Facility Management) ist hierfür notwendig.

Produktinformation & Dokumentation

Im Bau- und Ausbaugewerbe verschlingen die vielen Schnittstellen, Informationsbrüche und administrative Prozesse viel Zeit und Geld. Die Effizienzpotenziale bei Arbeitsorganisation, Materiallogistik und der Montage werden auf 30 % bis 50 % geschätzt. Mit Inkrafttreten der europäischen Bauproduktenverordnung (BauPVO) sind für Hersteller Pflichten für die technische Dokumentation definiert worden, um eine Leistungserklärung (LE) zu erstellen. Der Hersteller muss eigenverantwortlich die richtigen Kennwerte angeben und braucht dafür Prüfzeugnisse, Konstruktionsbeschreibungen und Dokumente der werkseigenen Produktionskontrolle (WPK). Mit der Leistungserklärung bestätigt der Hersteller gesetzlich die Einhaltung technischer Eigenschaften und Kennwerte wie Wärmeschutz, Schalldämmung, Luftdurchlässigkeit, Widerstand gegen Windlast oder Schlagregendichtheit.

Hier bieten digitale Dienstleistungen wie ein CE-Generator oder ein Dokumenten- und Nachweismanagement Zeitersparnis und Rechtssicherheit. Ideal ist, wenn diese Daten direkt in der Fensterbausoftware generiert oder einfach integriert werden können. Als notifizierte Prüf- und Zertifizierungsstelle hat das ift Rosenheim eine Datenbank (CE-Generator) entwickelt, die vorhandene Nachweise, Systempässe und gutachtliche Stellungnahmen eines Herstellers oder Systemgebers nutzt. Zusätzlich sind die Übertragungsregeln der DIN EN 14351-1 hinterlegt sowie Regeln der Austauschbarkeit von Komponenten definiert. Damit kann der Fensterhersteller per Mausklick für jede einzelne Auftragspositionen eine normkonforme Leistungserklärung und das CE-Zeichen erstellen, sogar in den europäischen Landessprachen.

Drei Bilder zeigen den Ablauf des CE-Generators: Dateneingabe, Leistungserklärung, fertiges CE-Zeichen.
Bild 7: Mit einem CE-Generator lassen sich normative und gesetzliche Dokumentationspflichten einfach und normkonform erledigen.
Auf dem Foto ist ein Mann mit Exoskelett bei der Arbeit zu sehen. Exoskelette für die Industrie und Logistikbranche machen große Fortschritte und sind bald  für Montagesituationen einsetzbar. (Bild: GBS German Bionic Systems GmbH).
Bild 8: Exoskelette für die Industrie und Logistikbranche machen große Fortschritte und sind bald für Montagesituationen einsetzbar. (Bild: GBS German Bionic Systems GmbH)

Montage

Die eigentliche Montage von Fenstern, Türen und Bauelementen lässt sich nur schwer automatisieren. Zum Einsatz kommen zwar unterschiedliche Hebegeräte (vom Autokran bis zum mobilen Gerät), die aber nicht überall einsetzbar sind. Exoskelette werden in der Industrie und Logistikbranche schon erfolgreich eingesetzt und sind nun auch für die Fensterbranche in der Probephase. Erhebliche Effizienzsteigerungen sind durch EDV-Programme bei der Montageplanung, der Logistik, beim Schnittstellenmanagement und bei der Dokumentation möglich.

Montageplanung und Logistik

Jede gute Montage beginnt mit einer professionellen Montageplanung, bei der die individuellen Gegebenheiten von Auftrag, Fenster und Baukörperanschluss berücksichtigt werden. Wer ohne Planung auf die Baustelle fährt, macht Fehler und braucht mehr Zeit. Der kostenlose Online-Montageplaner des ift Rosenheim unterstützt bei der fachgerechten Planung des Baukörperanschlusses hinsichtlich Bauphysik, Befestigung und Abdichtung. Nach der Auswahl von Wandaufbau/-material, Fenstermaterial/-profil, Abdichtungs-/Befestigungssystem sowie der Eingabe der Abmessungen werden in Echtzeit eine bauphysikalische Berechnung des Bauköperanschlusses (WinIso) sowie die statische Berechnung durchgeführt. Das Programm steht in einer produktneutralen ift-Version und als firmenspezifische Version zur Verfügung (Adolf Würth GmbH & Co. KG, BTI Befestigungstechnik GmbH & Co. KG, Deflex Dichtsysteme GmbH, ISO-Chemie GmbH, Nüßing GmbH, SFS intec GmbH). Auswählbare Produkte verfügen über die notwendigen Prüfungen zur dauerhaften Gebrauchstauglichkeit. Bei den Firmenversionen kann gleich ein passendes Montagekit bestellt werden, inkl. der Verarbeitungshinweise.

Das Foto zeigt symbolisch eine Montageplanung.
Bild 9: Eine Montageplanung mit Konfiguration vollständiger Montagekits verbessert die Montagequalität und Prozesssicherheit. (Bild: Iso-Chemie)
Das Foto zeigt die Darstellung eines digitalen Aufmaß-Tools anhand einer Hausfassade. Mit modernen digitalen Aufmaß-Tools können Fotos von Fassaden optimal für die Angebotsphase genutzt werden. Eine fotogrammetrische Korrektur sorgt für die Kompensation der perspektivischen Verzerrung. (Bild: LLH Software GmbH, www.llh-software.de)
Bild 10: Mit modernen digitalen Aufmaß-Tools können Fotos von Fassaden optimal für die Angebotsphase genutzt werden. Eine fotogrammetrische Korrektur sorgt für die Kompensation der perspektivischen Verzerrung. (Bild: LLH Software GmbH, www.llh-software.de)

Aufmaß

Ein genaues Aufmaß ist Voraussetzung für eine fachgerechte Leistung. Neben Breite und Höhe sind  Unebenheiten, die Winkeligkeit, die Beschaffenheit des Baukörperanschlusses u.v.m. zu prüfen. Hier helfen digitale Checklisten aus dem Montageleitfaden oder dem Montageplaner. Bei Bestandsbauten sind häufig keine aktuellen Pläne vorhanden, aus denen sich Maße ermitteln lassen. Hier helfen digitale Aufmaßtools, die anhand von Fotos die Bestimmung der Fenstergröße ermöglichen. Die Genauigkeit liegt bei ca. +/- 10 mm und ist damit für die Angebotsphase ausreichend. Je größer das Referenzmaß ist (bspw. Gebäudebreite oder -höhe), desto besser ist die Genauigkeit. Eine fotogrammetrische Korrektur sorgt für die Kompensation der perspektivischen Verzerrung, beispielsweise von unten schräg fotografierte Fassaden oder schwer zugängliche Gebäudebereiche. Viele Programme haben eine Exportfunktion, mit der sich die Maße in ein Kalkulationsprogramm oder die Fensterbausoftware integrieren lassen. Manche Programme können ein CAD-Plan des Gebäudes/Raumes erstellen oder die Bauleistung per Aufmaß normgerecht nach VOB/C abrechnen. Als Einstieg sind solche Programme interessant, aber eine integrierte Lösung bringt mehr Vorteile.

Nachhaltigkeit

Der Bau- und Immobilienbereich verbraucht große Mengen an Energie und Rohstoffen für die Herstellung (graue Energie) und Nutzung von Gebäuden. Bei der Novellierung der Bauproduktenverordnung (BauPVO) wurde folgerichtig als siebte „wesentliche Anforderung (essential requirement)“ die „Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen“ aufgenommen. „[…] Das Bauwerk, seine Baustoffe und Teile müssen nach dem Abriss recycelt werden können“ […] Für das Bauwerk müssen umweltfreundliche Rohstoffe und Sekundärbaustoffe verwendet werden.“ Die Verordnung sieht vor, eine Bewertung durch eine EPD (Umweltproduktdeklaration) vorzunehmen. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung von Zertifizierungssystemen für nachhaltiges Bauen (LEED, BREEAM sowie BNB, DGNB) immer weiter zu. Deshalb sind Hersteller von Bauelementen gut beraten die notwendigen Daten und Produktinformationen zu ermitteln und an den Gebäudenutzer zu übergeben, der diese Daten für die Nutzungszeit, Umbauten oder den Rückbau braucht. Auch hier ist eine effiziente Datenaufbereitung der notwendigen Informationen sinnvoll.

Produktpass Nachhaltigkeit

Damit Planer, Bauherren und Investoren nachhaltigkeitsrelevante Kriterien einfacher bewerten können, hat das ift Rosenheim den Nachhaltigkeits-Produktpass (NHPP) entwickelt. Dieser enthält die notwendigen Kennwerte für Zertifizierungssysteme wie DGNB, BNB, LEED oder BREEAM. Dazu gehören ein Ökobilanzbericht, eine Umweltproduktdeklaration (EPD), gültige REACH-Herstellererklärungen, gesundheitsrelevante Nachweise (z.B. VOC-Nachweise), Nachweise zur Nachhaltigkeit (z.B. PEFC, FSC oder Cradle-to-cradle), Deklaration des Recyclinganteils, Managementzertifizierung oder CSR-Berichte (Corporate Social Responsibility). Als akkreditierter Programmhalter für EPDs kann das ift Rosenheim diese notwendigen Nachweise erstellen. Der Nachhaltigkeits-Produktpass des ift Rosenheim unterstützt „Stakeholder“ wie Bauherren, Investoren, Gebäudenutzer, Architekten, Planer und Gebäudezertifizierer, Kunden, Lieferanten oder Mitarbeiter mit einer übersichtlichen Darstellung der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Kennwerte.

Die notwendigen Kennwerte für unterschiedliche Gebäudezertifizierungssysteme (DGNB, BNB, LEED und BREEAM) sind übersichtlich zusammen gestellt und können einfach als Basis für ein Umweltmanagementsystem oder die ökologische Optimierung von Produkten und der Produktion genutzt werden.

Die Grafik zeigt verschiedene Zertifizierungssysteme (DGNB, BREEAM, FSC, ift-Nachhaltigkeitsproduktpass etc.)
Bild 11: Informationen zur Bewertung nachhaltiger Kriterien unterschiedlicher Zertifizierungssysteme (Bild: ift-Nachhaltigkeitspass)

Automatisierte EPD-Erstellung

Die Erstellung einer Umweltproduktdeklaration (EPD) gleicht einem Mosaik, für das viele Daten aus unterschiedlichen Bereichen ermittelt werden müssen, beispielsweise die verwendeten Materialien (Rahmen, Dichtungen, Beschläge, Glas etc.), Fertigung, Transport und Montage. Damit sind dann Aussagen zu den Umweltwirkungen eines Produktes möglich, beispielsweise zum Energie-/Wasserverbrauch oder Treibhausgas (CO2). Um Herstellern von Fenstern, Fassaden, Türen, Toren etc. bei der Erstellung produktspezifischer EPDs zu unterstützen, hat das ift Rosenheim ein EPD-Tool entwickelt. Auf Basis produkt- bzw. projektspezifischer Daten können per Mausklick individuelle EPDs für Hersteller, Produkte und Projekte erstellt werden.

Die Bildcollage zeigt im Fenster eingebaute NFC-Chips mit digitalen Infos zum Produkt, Materialien und Nutzungshinweisen, die die Wartung, Reparatur und ein späteres Recycling vereinfachen. (Bild: BISS.ID)
Bild 12: Im Fenster eingebaute NFC-Chips mit digitalen Infos zum Produkt, Materialien und Nutzungshinweisen vereinfachen die Wartung, Reparatur und ein späteres Recycling. (Bild: BISS.ID)

Digitale Wartung und Recycling

Fenster, Türen und Toren sind bewegliche Teile, deren Funktion und Lebensdauer von einer regelmäßigen Wartung beeinflusst werden. Die Belastung ist abhängig von der Anzahl der Öffnungszyklen und den Kräften, die bei der Benutzung auftreten. Daher ist es intelligenter, die Wartungszyklen nicht nach der Zeitspanne, sondern nach der Nutzungszeit festzulegen. Dies wird möglich, wenn im Beschlag oder dem Fenster ein Sensor sitzt, der nach einer definierten Zyklenanzahl selbstständig eine Info an den Betreiber einer Immobilie sendet oder besser gleich an einen Servicebetrieb. Für eine effiziente Wartung ist es besonders sinnvoll, wenn das Wartungspersonal bereits online alle Informationen zum Fenster zur Verfügung hat, beispielsweise zum Fenstertyp/-profil, zu den Verschraubungen, Beschlägen und Antrieben. So können alle notwendigen Ersatzteile mitgenommen und die Wartung oder Reparatur schnell und zuverlässig ausgeführt werden. Das schafft gerade bei Toren in Gewerbebauten oder bei Feuer- und Rschutzanlagen ein großes Plus an Effizienz, Zuverlässigkeit und Sicherheit.

Die Bauproduktenverordnung, das Kreislaufwirtschaftsgesetz und die Europäische Abfallrahmenrichtlinie fordern alle Recycling vor Abfall. Einzelne Hersteller von Fensterprofilen und Fenstern speichern daher schon umfangreiche Daten zum Produkt sowie Informationen zur Nutzung, Pflege und Wartung auf Chips (NFC, RFID), die direkt im Produkt eingebaut sind. Damit ist eine sichere Verbindung von Produkt und Produktinformationen gegeben, und das lästige Suchen nach notwendigen Informationen entfällt. Wichtig ist, dass die Auslesbarkeit einfach und dauerhaft erfolgt. Diese digitalen Informationen machen die Wartung und das Facilitymanagement wesentlich einfacher und effizienter.

Quellen und Informationen

[1]  Das Handwerk wird digital – Bedeutung für Betriebe, Beschäftigte und Marktstrukturen. Wolfgang Dürig, Jörg Weingarten, WISO-Diskurs 4/2019, Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). https://library.fes.de/pdf-files/wiso/15212.pdf 

[2]  Digitalisierung des Handwerks, bitcom 2017. 2017 https://www.bitkom-research.de/de/spotlight/research-spotlight-2017-02-digitalisierung-des-handwerks

[3]  Umfrage „Online-Bewertungsportal – zur Relevanz von Bewertungsportalen und Internet-Siegeln“, Splendid Research 2019. www.splendid-research.com

[4]  Umfrage „Influencer – Einfluss auf die Kaufwahrscheinlichkeit“, Splendid Research 2019. www.splendid-research.com

[5]  www.bitkom.org – Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. mit ca. 2.700 Unternehmen der digitalen Wirtschaft

[6]  BIM Monitor 2019. BauinfoConsult. Befragung von 302 Architektur-, Ingenieur-, Bau- und Installationsunternehmen

[7]  Das openBIM-Austauschformat IFC, Dipl.-Ing. (Architektur) Marian Behaneck, Computer Spezial 1.2019, https://www.computer-spezial.de/artikel/das-openbim-austauschformat-ifc_3337560.html

[8]  Hueck BIM-Tutorial, www.hueck.com/alu-sys/de/de/home/informationen-services/BIM-Hueck.html 

[9]  Stefan Luber, www.bigdata-insider.de

[10]  BEST OF BigData insider, Vogel IT-Medien GmbH,  www.bigdata-insider.de

[11]  www.bvdw.org – Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. mit ca. 700 Unternehmen der digitalen Wirtschaft

[12]  www.gruenderszene.de – Plattform der deutschen Digitalwirtschaft 

[13]  Digitalisierung und Industrie 4.0 - Technologischer Wandel und individuelle Weiterentwicklung. Prof.  Ronald Deckert, Springer Fachmedien Wiesbaden 2019 

Prof. Jörn P. Lass

ift Rosenheim

Prof. Jörn P. Lass ist der Institutsleiter des ift Rosenheim und seit über 39 Jahren in der Fenster- und Fassadenbranche tätig. Als gelernter Glaser und Fensterbauer absolvierte er ein Studium der Holztechnik und war in leitenden Funktionen bei einem Systemgeber, Fenster- und Fassadenherstellern sowie 14 Jahre im ift Rosenheim in den Bereichen Forschung, Prüfung, Güteüberwachung, Normung und Zertifizierung tätig. Die letzten sechs Jahre leitete er als Professor an der Technischen Hochschule Rosenheim die Studienrichtung „Gebäudehülle“ und ist seit Januar 2020 als Institutsleiter wieder im ift Rosenheim.

Jürgen Benitz-Wildenburg

ift Rosenheim

Dipl.-Ing. (FH) Jürgen Benitz-Wildenburg leitet im ift Rosenheim den Bereich PR & Kommunikation. Als Schreiner, Holzbauingenieur und Marketingexperte ist er seit 30 Jahren in der Holz- und Fensterbranche in verschiedenen Funktionen tätig. Als Lehrbeauftragter, Referent und Autor gibt er seine Erfahrung weiter.

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