Kleines Kind hält sich am Fenster fest

Die neue Produktnorm Fenster und Außentüren EN 14351-1

Erste Einblicke

Lesezeit: 4 Minuten

Die erste Fassung der Produktnorm für Fenster und Außentüren EN 14351-1 wurde 2006 veröffentlicht. Die letzte inhaltliche Änderung erfolgte 2010, die Änderungen 2016 waren im Wesentlichen formaler Natur, um das Zusammenspiel mit der damals neu veröffentlichen EN 16034 widerspruchsfrei zu gestalten.

Inhaltlich ist die Überarbeitung der Norm erforderlich geworden, da neue wesentliche Merkmale insbesondere für Fenster festgelegt wurden und die Inhalte zur CE-Kennzeichnung im Anhang ZA der Norm angepasst werden müssen.

Neue Merkmale

Europäische Produktnormen sind insofern eine Ausnahme in der Normenlandschaft, als dass die Anwendung von Normen üblicherweise freiwillig ist. Bei europäisch harmonisierten Produktnormen werden aber auf Grund der Bauproduktenverordnung die Festlegungen der Produktnorm zu den sogenannten „wesentlichen Merkmalen“ für die CE-Kennzeichnung durch die Hersteller verpflichtend.

Ziel der Bauproduktenverordnung ist es, durch die CE-Kennzeichnung von Bauprodukten diese in ganz Europa handelbar zu machen. Ob das Bauprodukt dann auf Grund seiner angegebenen Eigenschaften („deklarierte Leistung“) anwendbar ist, d.h. den konkreten Anforderungen am Verwendungsort genügt, muss der Verwender prüfen. Dafür ist es erforderlich, dass die Produkte ihre baurechtlich relevanten Eigenschaften nach einheitlichen Verfahren feststellen und ausweisen können.

Verschiedene europäische Mitgliedstaaten (D/DK/S) hatten bei der europäischen Kommission auf weitere baurechtliche Anforderungen hingewiesen. Daher wurde es notwendig, für diese weiteren Eigenschaften Regelungen festzulegen, um diese künftig als sogenannte „wesentliche Merkmale“ in der Leistungserklärung und im CE-Zeichen ausweisen zu können. Hierfür muss die Produktnormen ergänzt werden. Diese Eigenschaften sind

  • Brandverhalten (der Komponenten, war im CE Zeichen bisher nur für Dachfenster möglich)
  • Rahmenanteil
  • Strahlungseigenschaften (um auch nicht-CE gekennzeichnete Gläser einsetzen zu können)
  • Stoßfestigkeit (bislang nur für verglaste Türen anzugeben, nun auch für Fenster)

Kindersicherheit (nur bezgl. des Herausfallens)

Neue Merkmale der EN 14351-1
Bild 1: Neue Merkmale der EN 14351-1

Brandverhalten

Aus Deutschland stammte die Forderung in der früheren Bauregelliste, im Ü-Zeichen von Fenstern und Außentüren anzugeben, dass die Bestandteile von Fenstern und Außen­türen mindestens normalentflammbar sind.

Um diese Forderung zu berücksichtigen, wurden die bereits bei der Entwicklung der EN 14351-2 (Produktnorm Innentüren) entwickelten Regelungen übernommen und auf Fenster angepasst. Für den Nachweis der Normalentflammbarkeit („Klasse E“) hätte die Prüfung nach EN ISO 11925-2 (Prüfung mit einer Einzelflamme) ausgereicht. Um aber auch weitergehende Forderungen abdecken zu können, wurden auch hier Festlegungen für einen möglichen Nachweis höherer Klassen aufgenommen („SBI-Test“ – Single burning item test).

Rahmenanteil

Mehrere europäische Mitgliedsstaaten verlangen für eine detaillierte Betrachtung des Gebäudeenergieverbrauchs Berechnungen, bei denen die Rahmenanteile der Fenster berücksichtigt werden müssen. Um den Rahmenanteil nach einheitlichen Vorgaben ausweisen zu können, wurden die Festlegungen der EN 10077-1 zur Ermittlung des Rahmenanteils in die EN 14351-1 übernommen.

Strahlungseigenschaften

Auch die aktuell gültige Fassung der Norm enthält Festlegungen zur Ermittlung von Gesamtenergiedurchlassgrad (g-Wert) und Lichttransmissionsgrad von Verglasungen. Hier wurden daher nur Ergänzungen vorgenommen, die das Vorgehen bei Isolierglas mit vier Scheiben und mehr und bei enthaltenen Verschattungen klarstellen.

Stoßfestigkeit

Angaben zur Stoßfestigkeit waren im CE-Zeichen bislang nur für verglaste Außentüren (und Dachflächenfenster) zulässig; dies wird künftig auch auf Fenster ausgeweitet.

Kleines Kind hält sich am Fenster fest
Bild 2
Zukünftig Bestandteil von EN 14351-1: Prüfkriterien
(Funktionsweise/Festigkeit/Öffnungsweite) für die Sicherheit gegen das Herausfallen von Kindern aus Fenstern (Bild: © Кирилл Рыжов/Fotolia)

Kindersicherheit

Da in Schweden Anforderungen an die Sicherheit gegen das Herausfallen von Kindern aus Fenstern (ab einer gewissen Höhe) bestehen, wurden hierfür Prüfkriterien festgelegt (Funktionsweise/Festigkeit/Öffnungsweite).

Weitere technische Änderungen

Während bisher Leistungseigenschaften und deren Prüfung gemeinsam beschrieben waren, mussten diese nun in zwei Abschnitte getrennt werden: Produkteigenschaften und wie diese zu deklarieren sind (Kapitel 4) und getrennt davon, wie diese zu prüfen sind (Kap. 5). Darüber hinaus enthält der Entwurf:

  • Regelungen zum Umgang mit Verschattungen
  • kraftbetätigte Drehflügeltüren wieder im Geltungsbereich der Norm
  • Interpolationsregeln für die Ermittlung des Schallschutzes von Fenstern mit anderen Isolierverglasungen als den ursprünglich mitgeprüften
  • Erweiterung des direkten Anwendungsbereichs von Windlastprüfungen durch Berechnungen
  • Angaben zur Beurteilung geklebter Glaskonstruktionen (aktuell geregelt von ETAG 002)

Formelle Änderungen

Bei der Überarbeitung muss der Abschnitt 6 zur „Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit“ an eine einheitlichen Vorlage angepasst werden, mit der die Vorgaben zur Typprüfung und der Werkseigenen Produktionskontrolle (WPK) an die Vorgaben der Bauproduktenverordnung angepasst wurden. Hieraus ergeben sich aber nur geringfügige Änderungen gegenüber der bereits gewohnten Praxis. Zusätzlich muss die Norm im Anhang ZA den Festlegungen der Bauproduktenverordnung entsprechend angepasst werden. Der jetzige Stand des Anhangs ZA enthält beispielsweise noch

  • veraltete Darstellungen des CE-Zeichens und
  • nicht mehr gültige Begriffe sowie
  • Festlegungen, die von der Bauproduktenverordnung geändert wurden.

Hier werden sich gegenüber dem Text der EN 14351-1:2016 deutliche Änderungen ergeben. Die Festlegungen der Bauproduktenverordnung als übergeordnete gesetzliche Regelung haben die Nutzung vereinfachter Verfahren (Berechnung/Tabellen) durch die Hersteller bei der Feststellung von wesentlichen Merkmalen im System 3 deutlich eingeschränkt.

Nächste Schritte

Vom zuständigen europäischen Normenausschuss wurde der Entwurf für die öffentliche Umfrage freigegeben. Sofern der weitere Zeitplan eingehalten wird, würde die Neufassung im Sommer 2020 fertig gestellt und veröffentlicht. Im Anschluss an diese Veröffentlichung ist vorgesehen, die Regelungen der EN 16034 zum Feuer- und Rauchschutz über einen Anhang in die Norm zu integrieren.

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Andreas Woest

ift Rosenheim

Dipl.-Ing. (FH) | MBA (Brunel Univ.) Andreas Woest ist seit 2010 Mitarbeiter am ift Rosenheim. Er ist Leiter des Normungszentrums. Als Holzbauingenieur gibt er seine detaillierte Kenntnis zu den Regularien der Bauproduktenverordnung im Rahmen von Seminaren, Vorträgen und Inhouse-Schulungen weiter.

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