Das Schaubild zeigt welche Strahlen der Sonne vom Fenster reflektiert werden, und welche durchgehen. Nähere Informationen zur Darstellung erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.

Besser arbeiten mit innovativem Sonnenschutz und Tageslichtl

Anforderungen, Nachweise und Planungshinweise

Lesezeit: 7 Minuten

Der sommerliche Wärmeschutz sowie die Tageslichtversorgung gewinnen aufgrund häufi-gerer Hitzeperioden, der Reduzierung von Klimatisierungs- und Beleuchtungskosten sowie steigender Komfortansprüche immer mehr an Bedeutung. Neben der technischen und energetischen Seite zeigen neue Forschungsergebnisse deutlich den großen Einfluss von natürlichem Tageslicht auf die physische und psychische Gesundheit des Menschen.

Medizinische Studien belegen, dass das Tageslicht den Stoffwechsel reguliert, die Melatoninproduktion (Schlafhormon) unterdrückt, die „Gute-Laune-Hormone“ wie Seratonin und Noradrenalin aktiviert, die Abwehrkräfte verbessert, den Schlaf-/Wachrhythmus steuert sowie die Leistungsfähigkeit steigert. Somit sollten alle energetischen und baulichen Aspekte eigentlich in den Hintergrund treten. Aber es gilt natürlich auch störende Einflüsse von Blendungseffekten und Überhitzung im Sommer zu vermeiden. Planung und Umsetzung von Sonnen- und Blendschutz sowie Tageslichtversorgung zählen somit zu den anspruchsvollsten Planungsaufgaben, werden aber von Bauherren und Planern oft unterschätzt.

Das Schaubild zeigt welche Strahlen der Sonne vom Fenster reflektiert werden, und welche durchgehen. Nähere Informationen zur Darstellung erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.
Bild 1: Energetische Verhältnisse und Kenngrößen bei Isolierverglasungen
Paradoxe Anforderungen an Glas, Fenster und Fassade, im Sommer, Winter, Sommer/Winter und in einer Sommernacht.
Bild 2: Paradoxe Anforderungen an Glas, Fenster und Fassade

Planungshinweise

Die Zusammenhänge von Wärme-/Sonnenschutz und Tageslichtnutzung sind gegenläufig. So soll in der Heizperiode der Energiedurchlassgrad der Verglasung (g-Wert) möglichst größer als 60 % sein, um die solaren Gewinne optimal zu nutzen; im Sommer ist ein niedriger g-Wert sinnvoll, um eine Überhitzung zu vermeiden.

Die Planungsaufgabe besteht nun darin, das Sonnenlicht optimal zu nutzen und gleichzeitig eine Überhitzung der Räume zu verhindern. Ein wirksamer Sonnenschutz wird notwendig. Zur Beurteilung benötigt der Architekt und Planer die relevanten technischen Kenngrößen (Gesamtenergiedurchlassgrad g, Lichttransmissionsgrad, Widerstand gegen Windlast etc.), um die normativen und gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und eine funktionsfähige und energieeffiziente Gebäudehülle zu errichten. Folgende Faktoren müssen dabei beachtet werden:

  • Solarenergienutzung im Winter,
  • Reduzierung solarer Einstrahlung für behagliche Innenraumtemperaturen,
  • ausreichend Tageslicht zur Reduzierung künstlicher Beleuchtung,
  • Blendschutz und Vermeidung direkter Sonneneinstrahlung, speziell bei Bildschirmarbeitsplätzen,
  • Sichtschutz bei Nacht,
  • Durchsicht von innen nach außen.

 

Das Schaubild zeigt wie ein Mann trotz der heruntergelassenen Schalosien von der Sonne geblendet wird.
Bild 3: Blendung trotz Sonnenschutz

Fenster und Fassaden und damit auch der Sonnenschutz müssen auf tages- und jahreszeitliche Schwankungen der Sonneneinstrahlung reagieren, um ein behagliches Klima zu gewährleisten. Statische Systeme können das nicht, da sie nicht variabel auf veränderte Bedingungen eingehen. Daher sind automatische Steuerungssysteme auch im Wohnungsbau sinnvoll, die bei Abwesenheit reagieren und zu einer Verbesserung der Energieeffizienz und des Wohnkomforts führen. Gleichzeitig kann auch die Anwesenheit der Bewohner simuliert werden, um potenzielle Einbrecher abzuschrecken.

Sonnenschutzgläser sind statische Systeme, die je nach Anforderung ihre Vor- und Nachteile haben. Deshalb ist für Sonnenschutzgläser die Kombination mit einer variablen Sonnenschutzeinrichtung zu empfehlen, die bei intelligenter Planung auch als Blendschutz dienen kann.

Der Planer muss die jeweiligen Anforderungen und Grenzen der Systeme bewerten. Tabelle 1 zeigt die prinzipiellen Eigenschaften verschiedener Verschattungseinrichtungen und gibt Hinweise zur Planung.

Die Tabelle zeigt in Spalten Prinzipskizze, Sonnenschutz, Vorteile und Zu beachten.
Tabelle 1: Charakterisierung verschiedener Verschattungssysteme
Das Diagramm zeigt auf der y-Achse den Reduktionsfaktor Fc und auf der x-Achse den Strahlungsreflexionsgrad des Sonnenschutzes. Nähere Informationen zur Darstellung erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.
Bild 4: Bestimmung des Reduktionsfaktors Fc für innenliegenden Sonnenschutz
Das Diagramm zeigt auf der y-Achse den Reduktionsfaktor Fc und auf der x-Achse den Strahlungstransmissionsgrad des Sonnenschutzes. Nähere Informationen zur Darstellung erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.
Bild 5: Bestimmung des Reduktionsfaktors Fc für außenliegenden Sonnenschutz

Berechnung und Kennwerte für den Sonnenschutz

Die Wirksamkeit des Sonnenschutzes hängt von mehreren Werten ab:

 

  • Gesamtenergiedurchlassgrad g
  • Lichttransmissionsgrad tv
  • Selektivität (Verhältnis tv und g)
  • Wärmedurchgangskoeffizient Ug
  • Planung von Verschattungen (beschrieben durch die Kenngröße gtotal)

Die Hersteller geben aber häufig statt gtotal nur den Abminderungs- oder Verschattungsfaktor Fc an, der aber nicht statisch ist, sondern von der Verglasung abhängt. Vereinfacht kann gtotal durch die Multiplikation von Fc mit dem g-Wert ermittelt werden. Bei Kenntnis des Reflexions- oder des Transmissionsgrades des Sonnenschutzes lässt sich über eine einfache Grafik der Fc-Wert genauer bestimmen. Die Differenz der beiden Bestimmungsverfahren ist gerade bei großen Glas- bzw. Fassadenflächen und einer effizienten Auslegung der Klimaanlage in Büro- und Verwaltungsgebäuden von Bedeutung.

Für eine erste überschlägige Abschätzung und Planung hat das ift Rosenheim einfache Diagramme zur Bestimmung des Reduktionsfaktors Fc erarbeitet (Bilder 4 und 5).

Normative Regelungen zum sommerlichen Wärmeschutz

Die Mindestanforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz gelten für alle beheizten Räume in Hochbauten (³19 °C) und Räume, die im offenen Raumverbund stehen. Die Anforderungen sind in der Energieeinsparverordnung (EnEV) formuliert, gelten für neue Gebäude, Erweiterungsbauten sowie neue Gebäudeteile im Sinne der EnEV und sind gemäß DIN 4108-2 nachzuweisen. DIN 4108-2 bietet ein vereinfachtes Verfahren (Sonneneintragskennwert-Verfahren oder Sx-Verfahren) sowie eine dynamische Gebäudesimulation an, die mit festgelegten Parametern und Randbedingungen arbeitet. Bei der Planung kann auch eine Kühlung und Nachtlüftung berücksichtigt werden.

Durch eine Korrektur bei der letzten Überarbeitung der Norm kommen das vereinfachte Verfahren und die Simulation zu ähnlichen Ergebnissen. Bei größeren Fensterflächen ergibt sich nun eine „strengere“ Bewertung, so dass nun tendenziell effektivere Sonnenschutzmaßnahmen als bisher erforderlich sind. Teilweise ist nun ein Sonnenschutzglas plus zusätzlicher Sonnenschutzeinrichtung erforderlich, mitunter sogar kombiniert mit einer erhöhten Nachtlüftung und/oder einer passiven Kühlung.

Eine Beispielrechnung für einen typischen einfachen Nichtwohnungsbau zeigt, dass trotz eines Sonnenschutzglases mit einem g-Wert von 31 % und einem zusätzlichen außenliegenden Sonnenschutz die Anforderungen der DIN 4108-2 für das Gebäude in Bild 6 nur ganz knapp erfüllt werden. Im Nichtwohnungsbau wird daher eine thermische Gebäudesimulation das übliche Verfahren sein.

Die Tabelle zeigt in Spalten Verglasung; g; Sonnenschutzvorrichtung; Fc; gtot; Bauart; Svorh<=Szul. Nähere Informationen zur Darstellung erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.
Tabelle 2: Beispielrechnungen für ein Nichtwohngebäude nach dem vereinfachten Sx-Verfahren
Das Schaubild zeigt die Geometrie des Gebäudes mit einem kritischen Raum für die Rechnung in Tabelle 2. Nähere Informationen zur Darstellung erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.
Bild 6: Geometrie des Gebäudes mit einem kritischen Raum für die Rechnung in Tabelle 2
Bilder um zu Verdeutlichen, dass durch Lichtlenkungssysteme sich die Ausleuchtung am Tag besser regeln lässt.
Bild 7: Durch Lichtlenkungssysteme (Lamellen) lässt sich die Ausleuchtung (z.B. Klassenzimmer) bei ausreichendem Tageslicht gut regeln;
oben: ohne Lamellen,
Mitte: Blendung im Bereich des Fensterbandes,
unten: optimale Ausleuchtung
(Bilder: alware – Ingenieurbüro Bauphysik und Gebäudesimulation, Braunschweig)

Blendschutz und Tageslichtlenkung

Neben den thermischen Kriterien ist die Lichtqualität der zweite wichtige Faktor für die Planung von Fenstern und Fassaden. Die Beleuchtungsstärke im Freien streut sehr stark (5.000 bis über 100.000 Lux) und erfordert damit eine Regelung der Lichtintensität durch die Fassade. Dennoch wird an 85 % der Tage ein Tageslichtangebot von min. 5000 Lux erreicht. Dies genügt zur Ausleuchtung der meisten Räume, falls keine Verschattung durch Gebäude, Pflanzen oder Verschmutzung der Verglasungen stört. Als Basis für eine erste grobe Planung der Fenster können folgende Grundsätze angenommen werden:

  • farbneutrale Verglasung mit einem Lichttransmissionsgrad von ca. 65 bis 75 %,
  • normal geschnittene Räume (Verhältnis Breite : Tiefe etwa 1 : 2),
  • Breite der Fensterfront entspricht etwa der Raumbreite und sollte ca. 20 % der Raumfläche betragen,
  • Breite und Höhe der Fenster etwa 1,5 m bis 2,5 m, Brüstungshöhe etwa 0,90 m und deckennaher Fensteroberkante; keine Glasteilung durch Sprossen,
  • möglichst geringe Abschattung durch Verbauung oder Pflanzen,
  • integrative Planung von Sonnen-, Blendschutz und Tageslichtlenkung.

Erfahrene Ingenieurbüros führen genauere Planungen mit Lichtsimulationen durch, die sich bei Nichtwohnungsbauten anbieten, da oft die Berechnung einzelner repräsentativer Räume ausreicht.

Oft blendet der Sonnenschutz, weil sich Leuchtdichten am Fenster über 4000 cd/m² ergeben. Ein visuelles Unbehagen kann sich selbst bei geschlossenem oder zu hellem Sonnen-/Blendschutz ergeben, wenn Fenster und Fassaden direkt von der Sonne beschienen werden. Eine Blendung wird häufig nur durch einen zusätzlichen inneren Blendschutz oder winkelselektive Verschattungssysteme vermieden, die die direkte Sonnenstrahlung ausblenden, aber dennoch genügend indirektes und blendfreies Licht in den Raum lassen. Ideal ist eine Kombination von Sonnen- und Blendschutz, insbesondere bei Bildschirmarbeitsplätzen.

Bild 8: Winkelselektive Lamellen können Sonnen-/Blendschutz und Tageslichtlenkung gut verbinden (Bsp. Retroflex-Lamelle, Bildquelle ift-Tagungsband zur R+T 2012, Köster-Lichtplanung)

Für anspruchsvolle Sehaufgaben (z.B. Büroarbeitsplätze) wird normativ eine Beleuchtungsstärke von 500 lx gefordert. Dies bezieht sich auf die eigentliche Sehaufgabe und lässt die Entdeckung eines dritten Lichtrezeptors auf der Netzhaut unberücksichtigt, der die biologische Uhr, die Hirnaktivität, das Wohlbefinden und die Gesundheit beeinflusst und erst ab Beleuchtungsstärken am Auge von größer 1000 lx reagiert. Grundsätzlich muss deshalb für Gesundheit und Konzentrationsfähigkeit die bestmögliche Versorgung mit Tageslicht erfolgen. Diese Erkenntnis erfordert eine gänzlich neue Bewertung von „gutem Licht“, die folgende Faktoren berücksichtigen muss:

  • absolute Tageslichtmenge (Quantität),
  • natürliche Lichtqualität (Farbe, Richtung, dynamische Wechsel),
  • Verlauf bzw. Verteilung des Tageslichts im Raum (Tageslichtquotient),
  • optische Wahrnehmungsbedingungen, Direktblendung, Reflexblendung,
  • visueller Bezug nach außen (Transparenz),
  • Sonnenschutz (g-Wert als Kennzahl für thermischen Sonnenschutz),
  • individuelle Anpassung und Abschaltung von Kunstlicht.

 

Fazit

Sonnenschutz und Blendfreiheit können nur durch integrative Planung energieeffizient, kostengünstig und nachhaltig erzielt werden. Die Tageslichtplanung lässt sich durch Simulationen bereits im Entwurfsstadium deutlich verbessern. Die künstliche Beleuchtung ist dabei variabel und adaptiv an das Tageslichtangebot anzupassen, d. h. die Leitgröße bleibt das Tageslicht, das bezüglich Intensität, Lichtrichtung und Lichtfarbe erhalten bleiben sollte. Dies ermöglichen Systeme zur Tageslichtlenkung, die das vorhandene Licht optimal in der Raumtiefe verteilen, den visuellen Komfort erhöhen und die Stromkosten reduzieren. Der Einsatz automatisch regelbarer Systeme z. B. schaltbarer Sonnenschutzgläser und die Planung der zugehörigen Steuerung müssen immer auch einen autonomen Eingriff erlauben. Nicht ein „Entweder-oder“, sondern ein „Sowohl-als-auch“ muss deshalb der Grundsatz für die Planung von Fassade, Haustechnik und Beleuchtung sein. Thermischer Komfort ist auch bei großen Glasflächen möglich, wenn dies in der Planungsphase berücksichtigt wird.

Literatur

  1. Information Tageslicht am Arbeitsplatz – leistungsfördernd und gesund, BGI/GUV-I, Februar 2009
  2. Gutes Licht für Schulen und Bildungsstätten, Fördergemeinschaft Gutes Licht, Frankfurt
  3. ift-Fachinformation WA-21/1
    Sommerlicher Wärmeschutz; Vereinfachte Nachweisverfahren und Diagramme.
    ift Rosenheim, Frühjahr 2017
  4. VFF Merkblatt ES.04 „Sommerlicher Wärmeschutz“, Januar 2013
  5. www.sichere-schule.de. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Berlin
  6. Tageslichtfibel, Fachverband Tageslicht und Rauchschutz (FVLR ), Detmold, www.fvlr.de/tag_sichtmedizin.htm
  7. Publikationen und Simulationen alware, Ingenieurbüro Bauphysik + Gebäudesimulation, Braunschweig
  8. Muster-Schulbau-Richtlinie – MSchulbauR, April 2009
  9. Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), Juli 2010
  10. DIN 4108-2:2013-02
    Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz.
    Beuth Verlag GmbH, Berlin

Jürgen Benitz-Wildenburg

ift Rosenheim

Dipl.-Ing. (FH) Jürgen Benitz-Wildenburg leitet im ift Rosenheim den Bereich PR & Kommunikation. Als Schreiner, Holzbauingenieur und Marketingexperte ist er seit 30 Jahren in der Holz- und Fensterbranche in verschiedenen Funktionen tätig. Als Lehrbeauftragter, Referent und Autor gibt er seine Erfahrung weiter.

Lösungen aus diesem Themenbereich

Artikel aus diesem Themenbereich