Symbol der Barrierefreiheit des ift Rosenheim

Barrierefreiheit als verbindliches Muss?

Konstruktive Umsetzung der DIN 18040

Lesezeit: 5 Minuten

Das barrierefreie Bauen ist inzwischen nicht mehr nur eine Randerscheinung im Baugewerbe, dem der Charme von Pflege- oder Arzteinrichtungen anhaftet.

Was ursprünglich oft als freiwillige Selbstverpflichtung einiger vorausschauender Investoren und Planer verstanden wurde, hat inzwischen einen festen Platz in den Bauordnungen gefunden.

Mit der Novellierung der Musterbauordnung (MBO) und den (als Folge daraus) Anpassungen der jeweiligen Landesbauordnungen wurde insbesondere der Bereich „Barrierefreies Bauen“ erweitert, und die Vorschriften wurden präzisiert. In den meisten Bundesländern sind die zugrundeliegenden DIN-Normen inzwischen mit einigen Modifikationen als „Technische Baubestimmung“ eingeführt und jetzt verbindlich zu beachten.

Damit ist ein weiterer Schritt auf dem Weg vollzogen, die Ziele des Behindertengleichstellungsgesetzes umzusetzen, wonach alle Menschen gleichberechtigt und so weit wie möglich selbstbestimmt am Leben teilnehmen sollen, auch wenn sie durch eine Behinderung oder wegen ihres Alters beeinträchtigt sind. Aber auch der vermeintlich „gesunde Teil“ der Bevölkerung gilt zeitweilig als eingeschränkt bewegungsfähig: beispielsweise Eltern mit Kinderwagen oder Kleinkindern, Menschen beim Transport von sperrigen Einkäufen oder Reisegepäck oder beim Laufen mit Krücken.

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Bild 1: ift-Piktogramm „Barrierefreiheit“

Normative Anforderungen

Die Normreihe DIN 18040 besteht insgesamt aus drei Teilen. Die den Hochbau betreffenden Teile 1 (öffentliche Gebäude) und 2 (Wohnungen) sind bereits als Weißdruck erschienen. Teil 3 beschäftigt sich mit dem öffentlichen Verkehrs- und Freiraum. Der Entwurf wurde Mitte 2013 der Öffentlichkeit vorgestellt, das offizielle Erscheinen erfolgt – nach derzeitigem Kenntnisstand – Anfang 2015.

Der große Klärungsbedarf in puncto Türen spiegelt sich in der Vielzahl der an diese Elemente gestellten Forderungen wieder. In DIN 18040 Teil 1 „Öffentlich zugängliche Gebäude“ nimmt der Abschnitt 4.3.3 Türen den mit Abstand größten Platz ein. Auf knapp vier Seiten werden in textlicher, tabellarischer und bebilderter Form Festlegungen an Türen getroffen. Noch umfangreicher sind die Anforderungen im Teil 2 „Wohnungen“ der Norm. Hier werden zusätzlich Anforderungen speziell an Innentüren gestellt. Im Kapitel 5.3.1 wird nach Wohnungseingangstüren und Wohnungstüren (Türen innerhalb der Wohnung) unterschieden.

Grundsätzlich müssen Türen deutlich wahrnehmbar, leicht zu öffnen, zu schließen und sicher zu passieren sein. Zur Erreichung dieses Schutzziels werden in beiden Teilen Anforderungen hinsichtlich der

  • geometrischen Abmessungen
  • lichte Durchgangsmaße
  • Bedienhöhen
  • max. Schwellenhöhe
  • Einbaulage
  • Bewegungsflächen vor und hinter der Tür,
  • seitlicher Abstand zu Einbauten
  • maximale Leibungstiefe
  • Bedienhöhekräfte
  • Orientierungshilfen

getroffen.

An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass die Barrierefreiheit von Arbeitsstätten und der Schutz von Beschäftigten mit Behinderung nicht mehr im Bauordnungsrecht (wie früher in DIN 18024-2), sondern im Arbeitsstättenrecht geregelt ist. Die grundsätzlichen Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung werden in den neuen technischen Regeln ASR V3a.2 „Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) konkretisiert. Vorgaben für Türen finden sich in Anhang ASR A1.7: Ergänzende Anforderungen zur ASR A1.7 „Türen und Tore“.

Barrierefreie Innentüren in der praktischen Umsetzung

Die in DIN 18040 getroffenen Festlegungen zielen im Wesentlichen auf eine gute Nutzbarkeit, leichtgängige Bedienung und gut erreichbare und wahrnehmbare Bedienelemente ab. Hier einige Tipps zur praktischen Umsetzung:

Vergleich der lichten Öffnungsbreite und der nutzbaren lichten Durchgangsbreite.
Bild 2: Die lichte Öffnungsbreite (a) einer Tür ist nicht gleichzusetzen mit der nutzbaren lichten Durchgangsbreite (b)

Maße

Die Nutzbarkeit von Türen ist abhängig von den Abmessungen der Tür und der maßlichen Anordnung der Bedienelemente. So bedürfen barrierefreie Türen eines Mindest-Durchgangsmaßes, und die Griffe müssen so angeordnet sein, dass auch im Rollstuhl sitzende Personen diese erreichen und bedienen können. Hierzu sind, abhängig von der Öffnungsart, Bewegungsflächen vor und nach dem Türelement vorzusehen.

Bezüglich der notwendigen Türdrückerhöhe von manuell bedienbaren Türen  hat die Oberste Bayerische Baubehörde eine Klarstellung zur Umsetzung getroffen: Demnach muss die in der Norm grundsätzlich geforderte Griffhöhe von 85 cm nur in Sanitärräumen eingehalten werden. Denn – so die Baubehörde weiter – bei diesen Räumen ist davon auszugehen, dass sie in erster Linie für Rollstuhlnutzer konzipiert sind, die von niedrigen Türgriffen profitieren. Für alle weiteren Türen in öffentlich zugänglichen Bereichen kann der in der Norm genannte Spielraum bis zu einer Türdrückerhöhe von 105 cm ausgeschöpft werden. Insbesondere für Benutzer von Rollatoren oder blinde Menschen erscheinen höhere Türdrücker aus Gründen der sichereren Bedienung geeigneter. Ansonsten überlässt die Baubehörde die Entscheidung für ein höheres Maß bis 105 cm dem Anwender.

Antriebe

Innentüren mit schweren, großen Flügeln, die die normativ vorgegebenen maximalen Bedienkräfte (Klasse 3 nach DIN EN 12217, z. B. 25 N zum Öffnen des Türblatts bei Drehtüren und Schiebetüren) übersteigen, sind mit Antrieben auszustatten. Typische Vertreter hierfür sind Brandschutztüren im Zugang zu Kellern oder Tiefgaragen, Wohnungseingangstüren mit hohen Anforderungen an Schallschutz oder Einbruchhemmung. Zu beachten ist, dass dabei aus der Tür eine Maschine im Sinne der Maschinen-Richtlinie 2006/42/EG wird. Diese Anforderungen sind umzusetzen, und das Nationale Geräte- und Produktsicherheitsgesetz ist zu erfüllen. Die Umsetzung erfolgt durch den Nachweis gemäß DIN 18650-1 und -2, die die Nutzungssicherheit dieser Systeme regelt. Grundsätzlich sind dabei Maßnahmen zur Absicherungen der Gefahrenstellen erforderlich. Dies kann z.B. durch beidseitig über die gesamte Flügelbreite reichende Sensoren für die Anwesenheitserkennung in Verbindung mit der bandseitigen Absicherung der Nebenschließkante erreicht werden.

Kontrastreiche Gestaltung

Speziell für Personen mit Sehbehinderungen ist die Farbgebung der Rahmen mit möglichst kontrastreichen Farben – hell-dunkel-Kontrast – notwendig. Die Bedienelemente sollen sich entsprechend vom Türblatt abheben. Ganzglastüren oder großflächig verglaste Türen sind über die gesamte Glasbreite mit Sicherheitsmarkierungen auszustatten.

Bild einer Kontrastreich gestalteten Innentür
Bild 3: Kontrastreich gestaltete Innentür

Weitere Informationen zur Umsetzung der Barrierefreiheit bei Türen in Wohnungen finden sich im ifz Info TU-07/1 „Barrierefreie Türen für den Wohnbereich“.

ifz-info TU-07/1 „Barrierefreie Türen für den Wohnbereich; Barrierefrei gleich bewegungsfrei“
Bild 4: ifz-info TU-07/1 „Barrierefreie Türen für den Wohnbereich; Barrierefrei gleich bewegungsfrei“

Barrierefreiheit – ein verbindliches Muss!

Durch Einführung der DIN 18040 Teil 1 und Teil 2 als „Technische Baubestimmung“ sind die Forderungen zur Barrierefreiheit jetzt verbindlich zu beachten. Hierfür ist das Studium der umfangreichen Detailregelungen zwingend erforderlich. Dazu zählen auch Kenntnisse über Förderprogramme, produktübergreifende Zusammenhänge wie sinnvolle Anordnung von Innentüren, Auswirkungen unterschiedlicher Behinderungsarten etc. Für einen großen Personenkreis lassen sich die Probleme im Hinblick auf Barrierefreiheit mit automatischen Türen lösen. Die Zahl dieser Elemente wird deutlich steigen.

Normen- und Literaturverzeichnis

  1. DIN 18040-1:2010-10
    Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude.
    Beuth Verlag GmbH, Berlin
  2. DIN 18040-2:2011-09
    Planungsgrundlagen – Teil 2: Wohnungen.
    Beuth Verlag GmbH, Berlin
  3. E DIN 18040-3:2013-05
    Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen – Teil 3: Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum.
    Beuth Verlag GmbH, Berlin
  4. Technische Regeln für Arbeitsstätten;
    ASR V3a.2 Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten
  5. Anhang ASRA1.7:
    Ergänzende Anforderungen zur ASR A1.7
    „Türen und Tore“
  6. ifz-info TU-07/1+
    Barrierefreie Türen für den Wohnbereich; Barrierefrei gleich bewegungsfrei;
    ifz Rosenheim, September 2011

Knut Junge

ift Rosenheim

Dipl.-Ing. (FH) Knut Junge ist seit 2002 am ift Rosenheim tätig. Er ist Mitarbeiter des ift-Sachverständigenzentrums sowie Mitglied in Normenausschüssen und Gremien für das barrierefreie Bauen.

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