Absturzsichernde Brandschutzverglasungen

Anforderungen – Vorgehen – Lösungen

Lesezeit: 4 Minuten

Die kontinuierliche Weiterentwicklung innovativer Brandschutzverglasungen ermöglicht zunehmend architektonisch anspruchsvolle Lösungen, die Sicherheit, Funktionalität und Design vereinen.

Foto eines Büros mit verglasten inneren Trennwänden
Bild 1: Verglaste, nichttragende innere Trennwände (Quelle: Vicky – stock.adobe.com – KI-generiert)

Besonders bei raumabschließenden Verglasungen oder in absturzgefährdeten Bereichen stellt sich jedoch häufig die Frage, wie sich der geforderte Feuerwiderstand mit absturzsichernden Eigenschaften vereinen lässt – eine Anforderungskombination, die in der Praxis häufig Unsicherheiten in Bezug auf notwendige Prüfungen und Verwendbarkeitsnachweise mit sich bringt.

Feuerwiderstand und Absturzsicherheit

Brandschutzgläser bestehen in der Regel aus Verbundglas (VG), jedoch nicht aus Verbundsicherheitsglas (VSG). Sie werden gemäß EN 14449 geprüft und klassifiziert. Der Feuerwiderstand des Glases entspricht dem des gesamten Bauteils und wird gemäß EN 13501-2 eingestuft. Kombinierte Brandschutz-Isoliergläser werden zusätzlich nach EN 1279-5 bewertet. Die jeweilige Feuerwiderstandsklasse kann sowohl im CE-Kennzeichen als auch in der Leistungserklärung angegeben werden.

Die Absturzsicherheit hingegen wird national durch die DIN 18008 geregelt, insbesondere durch Teil 4 dieser Norm. Zu den zentralen Anforderungen gehören unter anderem sicheres Bruchverhalten, Splitterbindung, Durchstoßverhalten, Resttragfähigkeit sowie das Delaminierungsverhalten. Prüfmethoden wie der Pendelschlagtest (gemäß EN 12600) und der Kugelfallversuch (nach EN 356) sind entscheidend, um die mechanische Belastbarkeit und Sicherheit der Verglasungen nachzuweisen.

Je nach Einsatzbereich unterscheidet die DIN 18008-4 verschiedene Verglasungskategorien. Für Brandschutzverglasungen sind insbesondere die Kategorien A (raumhohe Verglasungen ohne Querriegel in Brüstungshöhe) und C (mit Querriegel oder vorgesetztem Holm) relevant. Einfachverglasungen müssen dabei grundsätzlich aus VSG bestehen. Für die stoßzugewandte Seite von Mehrscheiben-Isolierglas dürfen ausschließlich VSG, ESG oder Verbundglas aus ESG verwendet werden. Generell gilt: Mindestens eine der Scheiben eines Isolierglases muss aus VSG bestehen.

Zu sehen ist eine Grafik von Gläsern mit Feuerwiderstand und Absturzsicherheit. Nähere Informationen zur Darstellung erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.
Bild 2: Gläser mit Feuerwiderstand und Absturzsicherheit (Quelle: ift Rosenheim)

Baurechtliche Anforderungen und Prüfverfahren

Brandschutzglas ist gemäß EN 14449 als Verbundglas (VG) definiert – nicht jedoch als Verbundsicherheitsglas (VSG). Bei VSG sorgt eine elastische Zwischenschicht im Bruchfall dafür, dass Glassplitter gebunden, Öffnungen begrenzt, die Resttragfähigkeit gewährleistet und Schnitt- oder Stichverletzungen vermieden werden. Die baurechtlichen Anforderungen an absturzsichernde Brandschutzverglasungen variieren je nach Anwendungsfall.

Für Vorhangfassaden gilt beispielsweise die Produktnorm EN 13830. Diese umfasst zwar Merkmale wie Brandverhalten, Schlagregendichtheit und Windlasten, schließt jedoch die Absturzsicherheit explizit aus. Diese muss daher gesondert nachgewiesen werden.

Eine besondere Herausforderung stellen nichttragende innere Trennwände dar, da für sie keine harmonisierte Produktnorm existiert und somit keine CE-Kennzeichnung vorgesehen ist (Ausnahme: Eine freiwillige CE-Kennzeichnung ist über eine EAD/ETA möglich). Dennoch müssen sie sowohl den Feuerwiderstand als auch die Absturzsicherheit gewährleisten. Grundlage hierfür sind die Regelwerke DIN 4102-13 sowie DIN 18008-4.

Zentrale rechtliche Grundlage in Deutschland ist die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB), welche konkrete Anforderungen an Bauprodukte und Bauarten definiert. Hiernach müssen Brandschutzverglasungen mindestens die Klasse E in Bezug auf das Brandverhalten erfüllen und als Bauart geprüft sein. Auch die absturzsichernde Wirkung muss durch geeignete Nachweise, wie allgemeine Bauartgenehmigungen (aBG) oder allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse (AbP), belegt werden. Für nichttragende Innenwände ist optional auch eine freiwillige CE-Kennzeichnung auf Basis einer Europäischen Technischen Bewertung (ETA gemäß EAD 210005-00-0505) möglich.

Die Prüfung absturzsichernder Eigenschaften erfolgt stets gemäß DIN 18008-4. Dabei werden Aspekte wie sicheres Bruchverhalten, Splitterbindung, Durchstoßsicherheit, Resttragfähigkeit sowie Delaminierung berücksichtigt – simuliert werden dabei reale Belastungen wie Stürze oder punktuelle Krafteinwirkungen.

Für die bauaufsichtliche Zulassung ist in Deutschland das Deutsche Institut für Bautechnik in Berlin (DIBt) zuständig. Es erteilt sowohl allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen (abZ) für Komponenten mit Regelungsbedarf als auch allgemeine Bauartgenehmigungen (aBG) für deren Anwendung. Beide Nachweise können ggf. in einem Bescheid kombiniert werden. Die Kombination von Feuerwiderstand und Absturzsicherheit ist somit nur durch entsprechende baurechtliche Nachweise (AbP oder aBG / vBG) rechtssicher zu dokumentieren.

Fazit

Absturzsichernde Brandschutzverglasungen sind ein unverzichtbarer Bestandteil moderner Architektur. Sie vereinen Sicherheit, Funktionalität und gestalterische Freiheit. Die Kombination aus Feuerwiderstand und Absturzsicherheit ist als Bauart baurechtlich geregelt und erfordert spezifische Prüfungen sowie normgerechte Nachweise. Normen wie EN 13501-2, EN 14449 und DIN 18008-4 bilden dabei die zentrale Grundlage. Prüfmethoden wie Pendelschlag- und Kugelfallversuche stellen sicher, dass die Produkte auch unter realen Belastungen zuverlässig funktionieren.

Da sich baurechtliche Anforderungen je nach Anwendung unterscheiden, ist eine genaue Kenntnis der geltenden Vorschriften essenziell. Nur durch deren Einhaltung lässt sich gewährleisten, dass Verglasungen sowohl sicher als auch funktional eingesetzt werden können.

Die fortlaufende Weiterentwicklung von Normen und Technologien trägt dazu bei, die Qualität und Sicherheit absturzsichernder Brandschutzverglasungen kontinuierlich zu erhöhen. Letztlich ermöglichen sie nicht nur Schutz auf höchstem Niveau, sondern auch die Realisierung architektonisch anspruchsvoller und gleichzeitig sicherer Gebäude.

Literatur

  1. Mitteilung des DIBt, Referat III 3 Brandverhalten von Bauteilen Brandsicherheit:
    Hinweise zur Führung von Nachweisen der Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit für Brandschutzverglasungen nach allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen – Stand September 2016
  2. DIN 18008-4:2024
    Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln – 
    Teil 4: Zusatzanforderungen an absturzsichernde Verglasungen
    DIN Media GmbH, Berlin
  3. DIN EN 13830:2020
    Vorhangfassaden – Produktnorm
    DIN Media GmbH, Berlin
  4. DIN EN 4103-1_2015
    Nichttragende innere Trennwände
    Teil1 : Anforderungen und Nachweise
    DIN Media GmbH, Berlin
Portraitbild Carolin Lamprecht

Carolin Lamprecht

ift Rosenheim

Carolin Lamprecht, B.Sc. in Engineering ist seit 2016 am ift Rosenheim. Vom Geschäftsbereich Prüfung als Prüfingenieurin für Glas- und Sonnenschutzprodukte in der Lichttechnik, als auch für Materialprüfungen mit zusätzlichen Tätigkeiten als Produktauditorin und Co-Auditorin für ISO 9001, wechselte sie intern in die Zertifizierungs- und Überwachungsstelle. 

Aktuell ist sie im Produktmanagement direkte Ansprechpartnerin für unsere Kunden im gesamten Glasbereich. Sie ist Mitglied im nationalen Normenausschuss für Isolierglas, wirkt in Arbeitskreisen für den BF mit und betreut ift-Kooperationen. Abrundend ist sie als Referentin in Seminaren und Vorträgen aktiv. 

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