Zeigt in einem Mikroschnitt, dass die "Verzahnung" zwischen Klebstoff und Holz gut ist, da die Oberflächenbeschaffenheit ebenfalls ein günstiges Ergebnis vorweist.

Innovationen für Holzfenster und Holz-Glas-Fassaden

Klebung von beschichteten Holzfenstern bietet Chancen für innovative Schreiner

Lesezeit: 4 Minuten

Zukunftsorientiertes Bauen mit Fenstern und Glas bietet heute viele Chancen für innovationsfreudige Schreiner und Tischler. Neue Technologien bei Baustoffen, Beschlägen, Konstruktion und Verglasungen können gerade mit dem Werkstoff Holz schnell und individuell umgesetzt werden.

Es braucht keine aufwendige Umstellung und keinen Neukauf von Maschinen, Werkzeugen oder Fensterprofilen, sondern nur die Kompetenz und den Mut, Neues auszuprobieren. Die Klebetechnik ist zwar schon länger bekannt, war aber bisher auf die Verklebung von unbehandeltem Holz begrenzt und hat sich deshalb bei Holzfenstern in der Praxis nicht richtig etabliert. Nun ist durch die Überarbeitung der ift-Richtlinie VE-08/4 eine abgestimmte Grundlage vorhanden, mit der Hersteller der Forderung der Produktnorm nach dauerhaften Verbindungen als Grundlage für die CE-Kenn-zeichnung einfach und sicher nachkommen können.

Zeigt in einem Mikroschnitt, dass die "Verzahnung" zwischen Klebstoff und Holz gut ist, da die Oberflächenbeschaffenheit ebenfalls ein günstiges Ergebnis vorweist.
Bild 1: Der Mikroschnitt zeigt die gute „Verzahnung“ von Klebstoff und Holzstruktur

Geklebte Holzfenstersysteme

Als neue Verglasungsart für Fenster hat sich die Klebung der Isolierglasscheibe im Flügelrahmen bewährt. Denn damit lassen sich die statischen Eigenschaften des Glases nutzen, um den Rahmen auszusteifen. Dadurch sind schlankere Rahmen und größere Abmessungen möglich, und die Einbruchhemmung wird verbessert. Diese Bauart ist zwar durch die Produktnorm EN 14351-1 abgedeckt, jedoch mit dem Hinweis, dass Verbindungen dauerhaft sein müssen. Um hierfür den Nachweis der Gebrauchstauglichkeit erbringen zu können, wurde die ift-Richtlinie VE-08 entwickelt. Im Fokus der Richtlinie steht die Beurteilung der guten Adhäsion der Klebung zwischen Glas und Rahmen, d.h. die Aufnahme von Druck-Sogkräften und die Rahmenaussteifung, vor allem hinsichtlich der Einbruchhemmung. Zusätzlich müssen die Dauerhaftigkeit des Isolierglases und die Materialverträglichkeit mit dem Rahmen und weiteren Komponenten (Randverbund, Klötze etc.) bewertet werden. Die ermittelten Kennwerte dienen auch zur Dimensionierung der Klebung.

Allerdings war die Anwendung der alten VE-08/3 auf unbehandelte Holzoberflächen begrenzt und damit für einen normalen Produktionsablauf in der Holzfensterfertigung eher unpassend. Die unterschiedlichen Holzarten und die große Vielfalt der Oberflächenbeschichtungen konnten nur mit großem Aufwand bewertet werden. Die neue ift-Richtlinie VE-08/4 beschreibt im Teil 5 nun ausführlich ein Auswahlverfahren zur Klebung auch auf beschichtetem Holz. Getestet wird eine geeignete Kombination aus Beschichtungsstoff, Klebstoff und Holzart. Damit kann der Schreiner dann auf Basis der Auswahl, die ihm seine Lieferanten bieten, andere Farben eines Beschichtungssystems gemäß den Übertragungsregeln der ift-Richtlinie VE-08/4 und der Freigabe der Hersteller nutzen. Somit steht ihm ein großer Anwendungsbereich mit geringem Prüfaufwand zur Verfügung.

Auf der Messe Fensterbau Frontale 2018 wurden die ersten Prüfberichte an den Klebstoffhersteller Otto-Chemie, den Klebebandhersteller Lohmann und Fa. Remmers als Anbieter von Beschichtungssystemen überreicht. Unter Beachtung der Verarbeitungshinweise und Vorgaben der ift-Richtlinie VE-08/4 für die Werkseigene Produktionskontrolle (WPK) bezüglich Rückstellmustern, Prüfungen an Kleinproben etc. können Holzfensterhersteller mit dem ift-Prüfnachweis den notwendigen Nachweis für dauerhaft gebrauchstauglich geklebte Holzfenster erbringen. Damit gibt es nun auch für beschichtete Holzfenster eine geeignete Bewertung für den Nachweis geklebter Konstruktionen.

Zeigt die Probekörper an Prüfständen mit den Aufschriften S+23 Grad Celsius und Z+32 Grad Celsius.
Bild 2: Probekörper in unterschiedlichen Prüfstadien
Cover des Buches "Beurteilungsgrundlage für geklebte Verglasungssysteme" (ift-Richtlinie VE-08/4)

Infokasten

ift-Richtlinie VE-08/4
„Beurteilungsgrundlage für geklebte Verglasungssysteme“

Die ift-Richtlinie VE-08/4 ist die technische Grundlage für Nachweis und Anwendung geklebter Fenstersysteme und damit ein Regelwerk für alle Holzfensterhersteller, die „kleben“ wollen. Die Überarbeitung ermöglicht nun auch die Anwendung für beschichtete Holzfenster. Auf 53 Seiten finden sich Praxistipps und Checklisten für Konstruktion, werkseigene Produktionskontrolle und vereinfachte Prüfverfahren.

(ISBN 978-3-86791-406-2, netto 35,00 €,
www.ift-rosenheim.de/shop)

Grundlagen und Tipps zur Klebung

Anders als bei üblichen Fenster- und Fassadenkonstruktionen werden die Lasten durch das Kleben des Glases linienförmig und umlaufend in das Glas eingeleitet. Abhängig von der Konstruktionsart müssen von der Klebung Windsog-, Druck- und Schubkräfte aus Längenänderung übernommen werden. Somit sind erhöhte Anforderungen an das Langzeitverhalten der Klebeverbindung (Kriechen) sowie die Qualität von Klebstoff und Verarbeitung zu beachten. Bei Prüfungen und Gutachten des ift Rosenheim zeigte sich die Materialverträglichkeit vom Klebstoff zu anderen Materialien als ein zentraler Punkt, der überprüft werden sollte, um teure Schäden zu vermeiden, beispielsweise wegen eines ungeeigneten Fensterklotzes oder sonstigen Drittmaterialien, die mit dem Randverbund reagieren. Die Verarbeitung muss sorgfältig nach den Systemvorgaben erfolgen. Dabei müssen folgende Grundsätze für das richtige „Kleben“ beachtet werden:

  1. Eine Klebung ist mit verschiedenen Basissystemen mittels spritzbaren Dichtstoffen oder Klebeband möglich.
  2. Das Klebesystem sollte neben dem Nachweis der Dauerhaftigkeit der Klebung auch in einem vollständigen Fenster- oder Fassadensystem geprüft werden, um die komplexen Lastfälle und konstruktiven Zusammenhänge prüfen und bewerten zu können.
  3. Die Holzart, die mechanische Bearbeitung der Holzoberfläche (feinhobeln, schleifen, finieren) sowie die Oberfläche und deren Aufbau müssen vom Systemgeber genau definiert werden.
  4. Bei Veränderung der „Haftpartner“ außerhalb der zulässigen Varianten muss die Prüfung erneut durchgeführt werden.
  5. Die Randbedingungen bei der Fertigung/Klebung müssen definiert und dokumentiert (Temperatur, Feuchte, Zeit etc.) und der Kern einer sorgfältigen werkseigenen Produktionskontrolle sein.
  6. Ein Nachweis einer geklebten Konstruktion z. B. hinsichtlich der Einbruchhemmung ist nicht automatisch ein Nachweis für die Dauerhaftigkeit und Eignung der Klebung.

Voraussetzung für alle Klebeverfahren ist die Einhaltung der Vorgaben des Klebstoff-Herstellers hinsichtlich Verarbeitung und Umgebungsbedingungen (Ausgasungen anderer Chemikalien, Staubfreiheit, zu hohe oder zu niedrige Temperaturen und Luftfeuchten etc.). Die umlaufende Klebung muss an allen vier Glaskanten die berechneten Mindest-Klebstoffdimensionen aufweisen. Die Klebung muss im Werk und darf nicht auf der Baustelle erfolgen.

Eine Vorgehensweise bei der die Verarbeitungszeit geprüft wird und der "Spalttest", bei der Die Adhäsion (Klebfestigkeit) geprüft wird.
Bild 3: Einfache Verfahren zur Kontrolle der Klebfestigkeit im Rahmen der werkseigenen Produktionskontrolle [2] (Quelle: ift Rosenheim)
Die Tabelle zeigt die verschiedenen Einflusskriterien der Parameter: Dauerhaftigkeit, Konstruktion und Fertigung. Nähere Informationen zur Darstellung erhalten Sie auf Anfrage unter +49 8031 261-2150.
Tabelle 1: Kriterien für konstruktive und lastabtragende Klebungen [2]
Zeigt die verschiedenen Klebungsarten in Holzfenstern
Tabelle 2: Auswahl konstruktiver Klebungen im Holzfenster

Jürgen Benitz-Wildenburg

ift Rosenheim

Dipl.-Ing. (FH) Jürgen Benitz-Wildenburg leitet im ift Rosenheim den Bereich PR & Kommunikation. Als Schreiner, Holzbauingenieur und Marketingexperte ist er seit 30 Jahren in der Holz- und Fensterbranche in verschiedenen Funktionen tätig. Als Lehrbeauftragter, Referent und Autor gibt er seine Erfahrung weiter.

Karin Lieb

ift Rosenheim

Nach Abitur, Ausbildung im Schreinerhandwerk und Abschluss an der Hochschule Rosenheim als Diplomingenieur (FH) Bereich Holztechnik ist Karin Lieb seit 1989 im Geschäftsbereich Prüfung des ift Rosenheim tätig. Seit der Zeit beschäftigt sie sich mit Materialprüfung, was beim ift Rosenheim bedeutet, man befasst sich mit allen Einzelteilen, die in Bauteilen vorkommen können. Diese Tätigkeit hat sich im Lauf der Zeit aufgebaut von der Tätigkeit als Prüfingenieurin, über die Prüfstellenleitung bis ins Produktmanagement. Dort steht sie heute den Kunden für Anfragen aller Art zu den Dienstleistungen des ift Rosenheim zur Verfügung. Sie ist auch als Gutachterin für das ift Sachverständigenzentrum tätig.

Die Tätigkeiten waren immer begleitet durch technische Mitarbeit in nationalen und europäischen Normenausschüssen sowie Arbeitskreisen für verschiedene Verbände.

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